Ohne - im gewohnten Stil – unseren Disput hier weiterführen zu wollen, versuche ich Dir
ein weiteres Mal aufzuzeigen, dass es Dir entgegen Deiner jüngsten Beteuerung, hier in
philweb Deine „Abgesänge auf diese Lebenswelt“ (wie ich es nannte) zu unterlassen, nicht
gelingen kann, solange Du nicht von Deiner grundsätzlich negativen Sicht auf nahezu alles
Dich Umgebende ablassen kannst.
Lass uns das am Beispiel Deiner jüngst hier vorgestellten Interpretation von Michelangelos
Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle erörtern:
Ich hatte dieses Bild (soweit ich‘s grad erinnere) im Zusammenhang mit meiner Vorstellung
von der Verbundenheit zwischen Mensch und einem kosmischen Energie- resp. Informationsfeld
(und dabei auf das „Geheimnis“ universaler Kohärenz hinweisend) erwähnt.
Dieses Bild des Michelangelo, als künstlerisch großartig metaphorisch dargestellte
Vorstellung von der Erschaffung des Adam habe ich (vermutlich) zuerst im Schulunterricht,
später dann im Original und auch als Nachbildung im „Musée du Louvre“ gesehen und es wäre
mir zu keiner Zeit eingefallen, etwas anderes als eben Michelangelos darin verschlüsselte
Botschaft der eigentlichen Menschwerdung zu sehen:
Einerseits Adam als der (im Sinne dieser Botschaft) Inbegriff des noch den Hominini
zugehörigen Vorläufers des heute lebenden Menschen drückt - trotz aller ausgeformten
Physis - die Unwissenheit, die Hilflosigkeit einer ausschließlich an die irdische Natur
(im Bild bloße Erde und Wasser) gebundenen Kreatur aus.
Andernseits die metaphorisch dargestellte Göttlichkeit als Ausdruck von uralter (quasi
ewiger) Weisheit, die Menschen selbstredend anthropomorph, also in menschlicher Gestalt
und Wesen eines alten weisen Mannes verkörpert sehen.
Die eigentliche Aussage dieses Bildes jedoch, ist die spannungsgeladene Position der sich
gerade nicht berührenden Finger. Das lässt Raum für die Vorstellung eines
Spannungsübersprungs, der jedoch nicht etwa als Lichtbogen dargestellt ist, womit ein
totaler „Spannungsausgleich“ zwischen irdischem und göttlichem Potential vollzogen und
somit die für alles irdische Leben erforderliche Differenz (ungeachtet des „Abstands vom
ersten Grunde“ als einer „Distantia a Deo“) aufgehoben wäre.
Denkt man tiefer darüber nach, sollte und konnte mit dieser Annäherung zwischen Urmensch
und Göttlichkeit nicht deren Omnipotenz als Ganzes auf den Menschen übertragen werden,
sondern diesem quasi als Initialzündung das Vermögen vermitteln, sich als geistiges und
damit vernunftbegabtes Wesen zu erkennen und zu entwickeln.
Mit dieser Vorstellung verbindet sich die theologische von der Ebenbildlichkeit des
Menschen mit einem Gott, die mir persönlich nicht zugänglich ist, als vielmehr Aquinus‘
Terminus von der Teilhabe des Menschen am Göttlichen, als einem ewigen (kosmischen)
Gesetz:
„Somit nehmen offensichtlich alle Dinge in irgendeiner Weise am ewigen Gesetz (lex
aeterna) teil, insofern sie nämlich aus seiner Einprägung die Neigung zu den ihnen eigenen
Handlungen und Zielen besitzen. Unter den anderen Geschöpfen ist nun das vernunftbegabte
Geschöpf in einer ausgezeichneteren Weise der göttlichen Vorsehung unterstellt, insofern
es auch selber an der Vorsehung teilnimmt, da es für sich und andere vorsehen kann.
Deswegen findet sich auch in ihm eine Teilnahme an der ewigen Vernunft, durch die es eine
natürliche Hinneigung zu dem ihm wesensgemäßen Handeln und Ziele besitzt.“ (STh I-II qu.
91, art. 2).
Dass diese Aussage des Aquinaten unterschiedlich ausgelegt wird, ist nicht anders zu
erwarten; insbesondere der theologischen, wonach Gott nicht Welt und Menschen erschaffen
hat, um diese dann sich selbst zu überlassen, sondern sich darum kümmert. Das wirft
sogleich das zuletzt hier erörterte Problem der Theodizee auf, einer seitens der Menschen
nicht einzuordnenden Verantwortlichkeit eines geglaubten Schöpfergottes.
„Schöpfergott“ als eine für Dich und Deine Gesinnungsgenossen unvorstellbare resp.
unannehmbare Vorstellung einer übernatürlichen, Welten erschaffenden, Entität.
Modulo Deines diesbezüglich stets angeführten Arguments einer nicht vollziehbaren
Wechselwirkung zwischen dem Menschen als Teil materieller Natur und einer als immateriell
angenommenen Wesenheit, glaube ich für mein Teil natürlich auch nicht im Wortsinne an eine
Genesis, die auf deren „Narrativ“ (als derzeitig vorherrschendes Modewort) aufsetzt,
sondern sehe vielmehr das benannte „ewige Gesetz“ als Grundprinzip der teleologischen
Struktur und somit Ziel- und Zweckgerichtetheit dieser Lebenswelt und selbstredend des
gesamten Kosmos samt aller darin existenten Habitate.
Diese meine weit gefasste Ausdeutung des besagten Deckenfresko von Michelangelo hat nun
nicht gar nichts gemein mit Deiner hier vorgelegten: als ein Dich nicht überzeugender
„Plot“ von einem Gott in einer von der Welt abgetrennten Blase, in Gestalt des von Dir als
Spinner erkannten Nachbarn, umgeben von „kleinbrüstigen Noch-Jungfrauen“ von „Eva in der
Mache als Gottes Geliebte“, von Adam als einem „Hermaphrodit mit weibischem Gesicht als
sexueller Versager mit schlaffen kleinem Penis“.
Ich denke, man muss lange suchen und wird kaum fündig werden, um eine derart paranoid
erscheinende, absurde Lesart dieses Michelangelo-Bilds zu finden. Es erscheint mir wie
eine Projektion Deiner kruden Wahnvorstellungen bezogen auf das Wesen des Menschen, auf
Religion und Göttliches an sich, samt aller weiteren metaphorisch angelegten Denkmuster
von Gott und Welt.
Eine solchermaßen fixierte Sicht auf dieses Bild von der „Erschaffung Adams“ kann nur ein
Mensch haben, der nichts, aber auch wirklich nichts mehr mit dieser Welt und den sie
bevölkerten Menschen anzufangen weiß, ein Mensch also, der mit dieser Welt abgeschlossen
hat und dennoch ängstlich seinem eigenen Ende auf diesem Erdenkügelchen entgegen sieht.
Karl
Am 27.09.2022 um 15:49 schrieb waldemar_hammel über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
ich habe gerade das gemälde von michelangelo /die
erschaffung adams/ "in arbeit" (betrachten, interpretieren)
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Erschaffung_Adams
und muss sagen, der "plot" und die personen überzeugen mich nicht, und zwar aus
folgenden gründen:
- gott erscheint in einer "blase", einer art "ei", also abgetrennt
von welt, isoliert wie eine "in-jektion" von fremdem
- gott hat (zufällig) fast den kopf (inkl haare, bart) von einem meiner nachbarn hier,
und diese reale "vorlage" ist ein verbal sehr lästiger fast-esoterischer
spinner
(harmlos, aber wenn der einmal anfängt mit einem zu reden, kriegt man ihn mindestens 1/2
stunde nicht mehr los)
- gott hält eine noch-jungfrau fast-umarmt, was man an ihren noch kleinen brüstchen
erkennt, eva in der mache?, gottes geliebte?, oder symbol für gottes eigenes weibliches?
- gott hat, im bild jedenfalls, fast zwei unterschiedliche greifwerkzeuge, einen arm
ausgestreckt richtung adam, der andere halb um "eva?" herum, scheint in einer
krallenhand auf
einer "putte" zu enden (gott+teufel in einer gestalt?)?
- die "jungfrau" in gottes arm blickt intensiv und scheinbar ängstlich richtung
adam, weshalb ängstlich/"aufgebracht"?, wo sie doch von gott umfangen ist
- adam hat ein weibisches gesicht, also ein hermaphrodit? oder sowas
- trotz athletischem körper hat adam offenbar keinen penis?, oder missgestaltet? (also
nicht vermehrungsfähig)
- interessant aber, der eingekrümmte, heruntergeneigte zeigefinger an adams hand erinnert
mich an einen schlaffen penis, während gottes zeigefinger "steht"
(sexuelles versagen adams?, gerade weil gott in ihm mit absicht? eine "tierart"
schuf, deren vermehrung garnicht geplant war, da ihr das sexuelle pendant fehlte?,
was höchst erstaunlich ist, da gott ja vorher alle anderen tiere geschaffen hatte, und
die richtig inform männlich+weiblich, und ohne, dass sie erst darum "bitten"
mussten)
- die verbindung gott-adam von anbeginn unterbrochen, die beiden zeigefinger berühren
sich nicht
- dann die komposition der beiden "figurienen": gott rechts ("recht,
gut") und höher, adam, tiefer und links, deutet (unabsichtlich?) an, adam hatte von
anbeginn keine
reale chance, von anbeginn benachteiligt?
- dazu passt, gott in seinem "ei" mit xy figuren als gesellschaft, adam einsam
alleine (m. konnte das vielleicht noch so malen, heute, bei der überbevölkerung des
planeten mit menschen,
und allgemeiner "panglosserie", wirkt die darstellung des "adam
alleine" indes anachron)
man könnte natürlich auch komplett anders interpretieren, nämlich wie in comics, das
gott+putten-ei halbrechts über adam als gedankenblase eines "müden" adam, der
darum weiß, dass
gedanken/ideen/vorstellungen "schall und rauch" sind, und deshalb nur
halbherzig versucht, einen finger danach (nach einer "schönen idee")
auszustrecken?
so eindrucksvoll ("impressiv") das gemälde auf den ersten blick auch scheinen
mag (als deckengemälde ja nur "von fern" sichtbar),
ich finde, bei näherer betrachtung überzeugt es -heute- nicht, bzw es steht natürlich im
weltbild und welterleben der damaligen epoche/zeit
wh.
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