Am 11.03.22 um 12:42 schrieb Ingo Tessmann:
in konsolidierten Demokratien können selbstredend
Kommunikationen auch
vom Dissens ausgehen und ihn (meta)diskursiv immer wieder zu
reflektieren versuchen. ....
ja, aber wie? Wo sind die Sätze der vom Dissens ausgehen und ihn
reflektieren oder gar aufheben? Was sind die Sätze? Etwa: "Hört mit dem
Streit auf!"? Ist das ein erfolgversprechender Satz? Oder soll es mit
mit dem meiner Meinung nach komischen Vorschlag des Jürgen Habermas
vorgegangen werden, dessen Vorgehensweise in dem übersichtlichen Problem
meiner Meinung nach zu einem ebenso komischen Kompromiss führt, hier
aufgezeigt:
https://weltordnung.de/Ersetzungsverfahren.html. Ich gebe
zu, es bedarf Zeit, um diesen Text zu durchgehen, ich kann dafür nur um
Entschuldigung bitten. Wenn die Gefolgschaft von Jürgen Habermas nicht
einmal eine einfache Lösung für das dort diskutierte Problem hat, dann
schwindet bei mir die Hoffnung auf eine Lösung bei einem
unübersichtlichen Problem. Ich müsste das Schema nun umwandeln auf
"Ukraine-Russland", aber ich bin kein Fischprediger.
Wie in der dynamischen Spieltheorie Kooperation aus
Konkurrenz
hervorgehen kann, wird es erst recht in dynamischer Kommunikation
möglich sein, aus Dissens Konsens zu erlangen. Vorausgesetzt
natürlich, dass es friedfertig und gewaltfrei zugeht. Landwehr bezieht
sich in seinem Buch zum diskursiven Wandel bspw. auf einen gesonderten
politischen Kommunikationsraum. Aber warum sollte der nicht auch in
hinreichend angepasster Kommunikation aufgehen können?
Warum sollte er denn darin aufgehen?
Solange Krieg nicht als Politik mit anderen Mitteln
aufgefasst wird,
stellt sich mir das Politische lediglich als auf Politik
spezialisierte Kommunikation dar.
Die Mittel-Zweck-Denken ist überholt. Das sage ich mal, ohne es hier zu
beweisen. Jede Sache steht für sich. Wo gibt es in der Natur Mittel und
Zweck oder Ziel? Die Wurzel das Mittel für den Baum? Das Bein ein Mittel
für das Tier? Oder in der Technik? Das Rad das Mittel für das Auto? In
der Physik: Die Temperatur das Mittel für die Verbrennung?
Achim Landwehr (Hrsg.), „Diskursiver Wandel“, VS
Verlag 2010: „Das vom
Bielefelder SFB 584 entwickelte Modell des Politischen als
Kommunikationsraum enthält den ambivalenten Begriff der Kommunikation,
der im Anschluss an die Überlegungen von Hannah Arendt oder Jürgen
Habermas leicht die Existenz eines offenen und fairen, nahezu
machtfreien Austausch- und Aushandlungsprozesses suggerieren kann.
suggerieren kann oder könnte, ...
Jacques Ranciere dagegen betont die Unmöglichkeit, das
Politische mit
Kommunikationshandeln gleichzusetzen. Für ihn ist das Politische in
seiner Essenz durch den Dissens markiert. Dieser entsteht, indem „eine
Welt in einer anderen“ geschaffen wird, das heißt ein Widerspruch
innerhalb des Wahrnehmbaren manifest wird und bestimmte Akteure zur
Angleichung der Realitäten an diesen wahrgenommenen
Widerspruch animiert. Dem Kommunikationsmodell mangelt es seiner
Meinung nach an Dynamik, da es von feststehenden Teilnehmern und einer
geordneten diskursiven Gemeinschaft im geregelten Austausch ausgeht.“
Also noch die Dynamik zur Statik hinzufügen? Und wenn die Teilnehmer
nicht genügend gut kommunizieren können, was dann? Wenn ein
Kathederphilosoph gut über den geregelten Austausch sprechen kann, die
Schüler dann als Politiker in alle Welt gehen und weiter nur die
Lektionen wiederholen und die anderen nichts verstehen?
D.h. wandelt sich eine Demokratie in eine Autokratie,
mit der Kriege
wieder wahrscheinlicher würden, wird von den anderen Staaten
mehrheitlich dafür gesorgt, dass sie sich wieder zur Demokratie
rückverwandelt.
Ja, im Ideal wäre es so.
Die Überorganisation der anderen Staaten zusammen
müsste
schlagkräftiger sein als jeder Einzelstaat. Solange es allerdings
supermächtige Autokratien gibt, bleibt das Utopie.
Einverstanden.
Ich hoffte naiverweise, dass vielleicht die
allgegenwärtige Klimakrise
alle Staaten der Erde zur Kooperation veranlassen und daraus
vielleicht sogar eine „Weltschicksalsgemeinschaft" hervorgehen könnte.
Weit gefehlt, denn die Fossil-Junkies sind nicht einmal bereit, auf
ihren Stoff zu verzichten, um den Großmachtphantasien eines
selbstherrlichen Autokraten entgegen zu wirken.
Ich schließe mich dem naiverweise an und schlimmer noch: Ich bade weiter
in meiner selbstherrlichen Naivität. Traurig, aber auch zum Lachen. Wie
derzeit Ingo Mack in seiner Badewanne, wenn ich mich richtig erinnere.
JH