Am 27.03.2023 um 17:00 schrieb Rat Frag über PhilWeb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am Mo., 27. März 2023 um 12:18 Uhr schrieb Joseph Hipp über PhilWeb
Die
Minderheit der meth. Konstr. unter ihnen hat es bereits vorgemacht. Es zeigt immerhin, was
Menschen trotz ihres Herkunftsballastes möglich ist.
Das ist interessant, es könnte
erläutert werden.
Dem Schließe ich mich durchaus an.
Ihr seid mir vielleicht zwei Ignoranten!? Wie könnt Ihr noch nicht den klaren
Argumentationen Lorenzens gefolgt sein? Ich hatte mir 1978 die Studienausgabe bei Reclam
beschafft und schmökere in dem nunmehr zerfledderten Heftchen immer einmal wieder: Paul
Lorenzen, „Theorie der technischen und politischen Vernunft“ ist Pflichtlektüre für alle
Philosophieinteressierten.
Lorenzens Vortrag, den der NDR 1976 eines Abends im Radio sendete und der auch ins
Reclam-Heftchen aufgenommen wurde, ist mir in lebhafter Erinnerung geblieben:
„Wissenschaftstheorie und Politikberatung. Die gegenwärtige Ohnmacht der pädagogischen
Gewalt." Ich lag schon im Bett und war wie elektrisiert über die Klarheit und
Entschiedenheit in der Sprache des Philosophen. Ausgehend von dem Missverhältnis zwischen
zwecksetzender Politik und mittelbildender Wissenschaft ging es Lorenzen darum, die bloß
historisch-faktisch auseinandergehaltenen Kultur- und Naturwissenschaften von einem
gemeinsamen normativ-konstruktiven Fundament aus zu entwickeln. Logik, Arithmetik und
Analysis sowie Geometrie, Kinematik und Stochastik bilden die idealwissenschaftlichen
Grundlagen der technischen Wissenschaften und folgen in der jeweiligen Begründung ihrer
Theorie einer Praxis. Darin unterscheiden sie sich im Prinzip nicht von der Redepraxis der
Politik; denn nur vernünftiges Reden vermag nachvollziehbare Bergründungen zu liefern.
Wird nun Politik als die Praxis der Gesetzgebung definiert, ist es schlicht ihr Ziel, die
Gesetze gerechter zu machen. Dabei heißt eine Norm gerecht, „wenn sie bei transsubjektiver
Beratung die Zustimmung aller Betroffenen finden würrde." Diesem Politikverständnis
einer freien Monodoxie gegenüber gelten Pluralismus und Dogmatismus nur als Notlösungen.
Dem Ideal einer geometrischen Form entsprechend hat auch die Politik ein Ideal: die
Gerechtigkeit. Und die „Uberprüfung geltender Normensysteme auf in ihnen steckende
Ungerechtigkeiten" ist eine wissenschaftliche Aufgabe.
Lorenzen beendete seinen Vortrag mit den Worten: „Wer die Leute manipulieren will, muß sie
mit starren Sinngehalten indoktrinieren — das weiß jeder Machtpolitiker. Wenn aber Politik
überall da, wo wissenschaftliche Beratung möglich ist, diese Chance zu einer aufgeklärten
Politik ergreift, dann — ja, dann werden auch keine vollkommenen Zustände eintreten. Es
wird weiterhin Leid und Bosheit geben, aber dann wird die Wissenschaft, die pädagogische
Gewalt, nicht mehr zu ihrer gegenwärtigen Ohnmach verurteilt sein. Die ersten Schritte in
dieser Richtung der politischen, nicht nur technischen Aufklärung, muß allerdings die
Wissenschaft selber tun. Es ist die kritische Aufgabe der gegenwärtigen
Wissenschaftstheorie, die Wissenschaft zu diesen ersten Schritten zu bewegen.“ Nach diesen
letzten Worten schlief ich mit dem Vorsatz ein, einmal die gemeinsame normative Basis
aller Wissenschaften zu erhellen und für die praktische politische Arbeit fruchtbar zu
machen. Was folgte, war mein Gang durch die Institutionen des Bildungswesens.
IT