Am 09.10.2024 um 15:56 schrieb waldemar hammel über
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brecht, mutter courage, sinngemäß: es ist garnicht einfach, die voraussetzungen eines
krieges zu schaffen, und ihn dann mühsam in gang zu bringen,
und es ist noch schwieriger einen krieg zum nutzen der daran verdienenden am
möglicht-lange-laufen zu halten,
denn kriege liefern ungehemmte spitzen-renditen
deshalb auch heißt es, in genauer umkehrung des tatsächlichen "kriege brechen
aus" (wie naturkatastrophen), statt "kriege werden des profits wegen vorsätzlich
veranstaltet"
„Der Krieg ist aller Dinge Vater“- diese überlieferte Aussage des Heraklit in ihrer
verkürzten Form suggeriert gewissermaßen einen göttlichen Anspruch, nachdem vornehmlich
der Krieg das schöpferische Instrumentarium sei, die Dinge dieser Welt zu schaffen.
Das Zitat in Gänze bringt die Auswirkung von Kriegen auf den Menschen zum Ausdruck: „Der
Krieg ist der Vater aller Dinge und der König aller. Die einen macht er zu Göttern, die
anderen zu Menschen, die einen zu Sklaven, die andern zu Freien“ (Heraklit).
Unbenommen einer gesicherten Historik dieses Zitats kann man unschwer dessen Gültigkeit
erkennen, denn es waren immer die Nöte, wie auch die Bedürfnisse von Kriegen, resp.
Kriegsführung, aus denen sich bedeutende technische Entwicklungen, wie gleichermaßen
Kriegsgewinne, vornehmlich Landnahme ergeben haben.
„Die Welt zu erobern, ist das eine, sie auf die Dauer zu beherrschen und ihren Frieden zu
erhalten, ist das andere.“ Dieser Ausspruch des griechischen Feldherrn Polybios in
abgewandelter Form besagt, dass es ein Leichtes sei, ein Land zu erobern, nicht jedoch die
Herzen seiner Bewohner.
Frieden vs. Krieg: Frieden würde „Schlamperei“ hervorbringen, hingegen Krieg die Ordnung“,
so die Deutung des Soldatenwerbers in Brechts „ Mutter Courage“. Diese zur Marketenderin
gewordene Soldatenmutter, die ihre tugendhaften Kinder im Krieg verliert, diesen - dank
ihres skrupellosen Geschäftsinns - selbst jedoch überlebt, könnte zur Meinung anstiften,
aus Kriegen materiellen Gewinn ziehen zu können.
Sollte man tatsächlich daraus schließen, dass Kriege gewinnbringend sind oder letztlich
nicht doch nur Verlustgeschäfte sind? Materielle Gewinne bei Verlust der Seelen?
Brechts Theaterstück ist in seiner Anlage ambivalent, einerseits gesellschaftskritisch im
dem Sinne, Krieg als Übel zu sehen, mit dem kein Handel zu treiben und letztlich immer ein
Verlustgeschäft sei, wie andererseits dessen existentielle Deutung, wonach der Mensch
unweigerlich der Realität des Lebens, nämlich dem Überlebenskampf und somit stets
Auseinandersetzungen ausgeliefert ist, sei es in Friedens-, wie in Kriegszeiten.
Dieser Überlebenskampf bedingt, sich mit der oftmals brutalen Lebenssituation zu
arrangieren, die einen in der Art, sich zumindest das Nötigste zu beschaffen - die
anderen, skrupellos aus (Not-)Situationen Gewinn zu schlagen. Notorische Gewinnzügler
könnten daher durchaus motiviert sein, Notsituationen herbeizuführen; Ob jedoch jeder
Krieg darauf zurückzuführen ist, darf bezweifelt werden, denn es ist immer auch der von
Menschen nicht beherrschte Umgang mit der unausweichlichen Differenz, die jeglichem Leben
innewohnt.
Wenn Popper sagt, alles Leben ist Problemlösen, möchte ich präzisieren: Alles Leben ist
das Vermögen, dessen unausweichliche Differenz zu begreifen und lebenserhaltend damit
umzugehen.
So kommt es in der Sicht auf Krieg und Frieden darauf an, in welcher Gesinnung Menschen
fühlen und handeln, wissend, dass man stets am Rande, bisweilen inmitten eines
zerstörerischen Lebens existiert - pure Entropie!
Ein Leben, als Existenz schlechthin. Leben, das sich erst durch seine Sterblichkeit als
solches erweist und stets auf’s Neue die ungeklärte Frage aufwirft, warum überhaupt Leben
ist und vielmehr nicht Nichts.
KJ