Am So., 2. Apr. 2023 um 12:58 Uhr schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb
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als Kuno Lorenz 1954 sein Mathe-Studium bei Lorenzen
in Bonn begann, wusste er noch nicht, „daß die Habilitationsschrift `Über halbgeordnete
Gruppen' ihm schon 1948/49, nur dreieinhalb Jahre nach Kriegsende, eine Gastdozentur
an der Universität in Cambridge eingetragen hatte. Diese Einladung war auch eine Antwort
auf die große internationale Anerkennung gewesen, die sich Lorenzen mit dem 1951
vorgelegten Beweis der Widerspruchsfreiheit der verzweigten Typenlogik in den Principia
Mathematica von Alfred North Whitehead und Bertrand Russell erworben hatte. Dieser Beweis
beruhte auf der Verwendung der in der Habilitationsschrift erstmals eingesetzten
Halbformalismen als entscheidendem Beweismittel. Mit dem derart öffentlich dokumentierten
Schritt heraus aus der bloß innerfachlichen mathematischen Arbeit hin zu einer die
Grundlagen der Mathematik sowohl systematisch als auch historisch ausdrücklich
thematisierenden Forschung wurde der erste Schritt Lorenzens auf dem Wege von der
Mathematik zur Philosophie sichtbar.“ Zitiert nach „Paul Lorenzen — Mathematician and
Logician“, Springer Open Access, 2021
Interessant. Kannst du uns eventuell auch eine kurze Beschriebung der
Halbformalismen geben?
Am Mo., 3. Apr. 2023 um 17:58 Uhr schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Mir scheint Pambuccian’s Zusammendenken von Brouwer
und Fromm nicht etwas befremdlich. Fromm’s sozialpsychologischer Zugang passt doch gut zur
Bewusstseinsorientierung Brouwer’s. Aber Lorenzen's operative Begründung der
intuitionistischen Logik liegt mir natürlich näher. Dennoch halte ich den Intuitionismus
nicht für mystisch. Aber er steht natürlich Psychologie, Phänomenologie, Spiritualität
nahe. Passt insofern auch in die angedachte „Bewusstseinskultur“ Metzingers.
In dem Text wird mehrfach explizit auf Meister Eckhard eingegangen.
Auch scheint mir der Grundgedanke von Haben und Sein in diese Richtung
zu verweisen.
Der sagt immerhin voraus, dass es neben den zu
erwartenden physikalischen auch einen entscheidenden psychologischen Kipppunkt geben
wird:
„Der `globale Panikpunkt’ wird der historische Moment sein, in dem die große Mehrheit der
ganz normalen Menschen auf unserem Planeten wirklich
realisieren wird“, dass 1. die Warnungen aus der Wissenschaft wahr sind, es aber 2. zu
spät ist, die sich beschleunigende Katastrophe abzuwenden.
Panik ist schlecht.
Menschen in Panik können mit geringerer Wahrscheinlichkeit eine gute
Entscheidung.
Wohl erst am Panikpunkt werden die Menschen das
einsehen bzw. zu erleiden haben.
Das wäre mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit das Ende der
menschlichen Zivilisation mit allen Folgen, oder nicht?
Ich sehe jetzt allerdings die Verbindung zu dem Punkt von Fromm nicht
ganz. Die Argumentation, dass die Naturwissenschaften im Unterschied
zur z. B. Philosophie oder Kunst uninterpretierbare Wahrheiten
hervorbringen, kann man auch über jeden trivialen Sachverhalt machen.
Und an welche Situationen denkst Du hinsichtlich
indirekter Nachweise?
Hat Person XY eine Infektion mit dem Erreger Z. Wir finden Antikörper,
die normalerweise im Immunsystem als Reaktion auf Z erzeugt werden,
daraus schlussfolgern wir, dass Person XY auch die Erreger Z hat.
Wir versuchen den Zerfall eines Teilchens zu beweisen und erbringen
den Beweis indirekt über die Detektion der (postulierten)
Zerfallsprodukte.
In beiden Fällen können wir den gewünschten Vorgang nicht prüfen, aber
eben indirekte Effekte, in der Realität eben zumeist Kausalfolgen. In
der Mathematik kann man argumentieren, dass keine Kausalität vorliegt.
Die Prämissen des indirekten Beweises sind nicht die Kausalfolgen des
Vorliegens des Sachverhalts.
Am Di., 11. Apr. 2023 um 13:51 Uhr schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Erlebnisse können auch erlebte Ereignisse sein. Das
Geschehen ist uns äußerlich, das Erleben innerlich. Ich unterscheide meine
Innen- von der Außenwelt. Wie Erlebnisse im Erleben ablaufen ist nur jedem selbst
gegeben, natürlich mit aller Vagheit der Worte dafür. Vielfältig
Umschreiben lässt es sich in Romanen. Objektivierend gehen die Synergetiker vor, aber
nicht umgangssprachlich, denn sehr viel
aufschlussreicher sind Mathematik und Physiologie, Sinne und Technik.
Interessanter Punkt.