Am 31.07.2022 um 18:32 schrieb Joseph Hipp über PhilWeb:
Am 31.07.22 um 14:35 schrieb Claus Zimmermann:
Spricht das jetzt für oder gegen die
Verwendbarkeit dieses Ausdrucks?
Unabhängig davon, welches "das" ist, das gegen die Verwendbarkeit des
Ausdrucks spricht, antworte ich kurz. Die Wortwahl ist jedem
überlassen. Das heißt jedem ist es erlaubt, die Wörter zu benutzen,
die er gewohnt ist, zu benutzen, das fällt wohl unter die
Meinungsfreiheit. Ich vergebe weder Freiheiten noch Rechte.
Jeder redet so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist und dann kann es zu
Missverständnissen kommen, die man dadurch ausräumt, dass man sich mit
Hilfe von Ausdrücken, die man gemeinsam in der Schule gelernt hat (sie
sind ja nicht angeboren oder vom Himmel gefallen) verständigt, was wie
gemeint ist. Zur Umgangssprache gehören sowohl Standards - dass der eine
nicht mit "Tisch" etwas völlig anderes meint als der andere, dann wäre
keine Verständigung möglich - als auch eine gewisse Unschärfe, die Ingo
Tessmann immer anprangert. Bei den Standards ist man aber nicht frei,
wenn eine Verständigung möglich sein soll, und es geht hier auch nicht
um Meinungen (die können erst mit Hilfe mehr oder weniger
standardisierter Ausdrücke geäussert werden), sondern um Techniken der
Darstellung, Aufforderung, des Fragens etc. etc.
Nur kann es Personen geben, die jedes Wort ungläubige
Thomasse sind,
so wie ich. Das verhindert aber nicht, dass ich die Wörter auch
landläufig benutze, eben im ungenauen Sinne, wie es auf dem Markt der
"Ausdrücke" sowieso üblich ist.
Du hattest ja schon geschrieben:
"Sache1
Wenn eine Person vor einem Bild steht, es betrachtet, ist es sprachlich
korrekt zu sagen, dass sie aufmerksam auf die Teile des Bildes schaut."
Bei Worten finde ich Originalität so wenig angebracht wie bei
Verkehrszeichen. Man muss sich schon an die "landläufigen"
Vereinbarungen halten, wenn es funktionieren soll. Andererseits ergeben
sich dadurch ganz andere Ausdrucksmöglichkeiten als durch Mimik und Gestik.
Der "landläufige" Sinn ist weder genau noch ungenau. Davon kann man bei
Darstellungen reden, aber nicht bei Techniken, abgesehen davon, dass in
Zentimetern genauere Grössenangaben möglich sind als in Metern. Man kann
allerdings Worte ungenau oder schief verwenden, nämlich anders als man
es gelernt hat. Ich denke da z.B. an den vor vielleicht 20 Jahren in
Mode gekommenen Ausdruck "nicht darstellbar". Unter darstellen verstand
man ursprünglich irgendeine Form der Abbildung. Jetzt sagte plötzlich
jeder aufstrebende Abteilungsleiter statt "das kriegen wir nicht hin"
"das ist nicht darstellbar". Mittlerweile hat es sich eingebürgert, ist
normal geworden und schmückt nicht mehr.
Das Wort Ausdruck ist durchaus bei mir fast dasselbe
wie Wort. Immer
Wort mit Wörter als Mehrzahl, nicht Worte, das wären schon fast
Begriffe, von denen ich nicht begeistert bin. Hier kommt das Wort
Geist vor, das durchaus auch ungenau verwende.
Also bei der Beschreibung des Waldemar und der Katze bzw. Maus ist das
Wort Aufmerksamkeit verwendbar. Mit seiner Erklärung der Aufteilung in
das eine und das andere hat er das Problem erkannt und beschrieben
oder eher umschrieben. Ich habe jedoch "aufmerksam" darauf gemacht,
dass ich nicht auf die tausend möglichen Geschehnisse, die mich aus
der "Fassung" bringen könnten, von rechts, von links, aus mir selbst
heraus, usw. auch vorher aufmerksam war.
Falls du meinst, dass man nicht alles im Blick haben kann, sondern
auswählen muss, worauf man achtet und worauf nicht (oder vielleicht
würdest du statt "achten auf" lieber "beachten" sagen, so wie du statt
"denken an" lieber nur "denken" sagst, was aus meiner Sicht wie gesagt
keine Rolle spielt), würde ich dem nicht widersprechen.
Deswegen habe ich das ungenaue Wort
"Störung" geschrieben, dessen
Verwendbarkeit ebenfalls in Frage gestellt werden kann. Es geht
schlussendlich um die Frage der Wirkung, der Kausalität, des Zufalls.
Auf diese wird alles Denkbare zu Aufmerksamkeit umgelenkt, oder gehe
ich da falsch?
Unter einem Zustand der Aufmerksamkeit würde ich oder, wenn ich mich
nicht irre, man verstehen, dass die Sinne oder Gedanken auf einen
bestimmten Gegenstand gerichtet sind. Das hängt auch, aber doch nicht
nur davon ab, was auf mich einwirkt.
Ob man im Fall der zuschlagenden Tür sagt, dass man auf sie aufmerksam
wurde, weil sie nicht zu überhören war, oder ob man nicht von
Aufmerksamkeit reden möchte, weil man sich ihr nicht zugewandt hat,
sondern quasi überfallen wurde, ist sprachlich nicht eindeutig geregelt.
Bei Bedarf kann man sich da ja einigen.
Und gerade dann fängt es an, interessant zu werden.
Für den
Unwissenden gibt es nur Zufälle. Wer blind umherläuft, für den ist es
ein Zufall, wenn er mit einem anderen zusammenstößt. Aber derjenige,
der die Sache beschreiben kann, der hat auch eine Prognose. Mit
Wahrscheinlichkeit, oder wenn er den Lauf sieht, die
Berechnungsmöglichkeit. Ist die Aufmerksamkeit auf das zufällige
Geschehen dasselbe wie die Aufmerksamkeit im Arbeitsbereich? Wenn es
zwei verschiedene Aufmerksamkeiten gibt, dann wird die übliche
Verwendung fragwürdig.
Ein Wort kann verschiedene Bedeutungen haben und doch seinen Zweck
erfüllen, wenn durch den Zusammenhang deutlich wird, in welcher man es
gerade gebraucht. Aber vermutlich meinst du etwas anderes. Vielleicht
die deterministische Berechenbarkeit aller Lebensläufe unter der
Voraussetzung der Kenntnis aller Lebensumstände oder so etwas. Ich kann
dir da nicht folgen und verstehe den Gedanken an dieser Stelle nicht. Es
kommt mir wie ein ganz anderes Thema vor.
Vor meinem Gespräch zum Wort Aufmerksamkeit habe ich
dieses nur aus
dem umfangreichen Schreiben des Waldemar zufällig herausgenommen, als
er die Aussagen zum Libet-Experiment kommentierte. Wenn ich alle
Wörter so herausnehmen würde, gäbe es kein Ende für mich.
Noch einmal: Das Wort "Aufmerksamkeit" würde ich gerne gebrauchen,
wenn ich eine unaufmerksame Katze neben einer aufmerksamen sehen
würde, oder anderen einfachen Situationen, aber darüber hinaus hilft
das Wort mir absolut nicht, und dort verwende ich es auch nicht.
Ich würde es auch nur in diesem alltäglichen Sinn verwenden. Ein anderer
ist mir nicht bekannt.
Claus
JH
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