Hi Karl,
auf welche Arbeit Garbours beziehst Du Dich denn mit Deinem Verständnis? In seiner
Einführung: "SHAPE DYNAMICS. An Introduction“ von 2011, hebt er im Abstract hervor,
dass es um eine "shape-dynamic theory of gravity“ gehe, "in which the
four-dimensional diffeomorphism invariance of general relativity is replaced by
three-dimensional diffeomorphism invariance and three-dimensional conformal invariance.
Despite this difference of symmetry groups, it is remarkable that the predictions of the
two theories -- shape dynamics and general relativity — agree on spacetime foliations by
hypersurfaces of constant mean extrinsic curvature. However, the two theories are
distinct, with shape dynamics having a much more restrictive set of solutions.“ Das klingt
doch vielversprechend; denn weniger formal mögliche Lösungen einer Theorie ohne geringeren
empirischen Gehalt sind doch positiv zu beurteilen.
Im Text heißt es dann weiter: "The objective observable history is the projected
curve s(lambda) in shape space.“ Und: "A history is the next most fundamental concept
in shape dynamics. There is no `moving now' in this concept. History is not a spot
moving along s(lambda), lighting up `nows' as it goes. It is the curve; lambda merely
labels its points.“ Es handelt sich also um Geschichte als parametrisierte Kurve im
Formenraum bzw. shape space; wobei der shape space ja ein astronomisch hochdimensionaler
Konfigurationsraum des Universums ist und keine Raumzeit.
In THE NATURE OF TIME von 2009 heißt es im Abstract: "A review of some basic facts of
classical dynamics shows that time, or precisely duration, is redundant as a fundamental
concept. Duration and the behaviour of clocks emerge from a timeless law that governs
change.“ Fundamental ist der Wandel, die Zeit nachgeordnet. Im Anschluss an den
Energiesatz definiert Barbour aus aufeinderfolgenden Konfigurationen die ephemrische Zeit
der Astronomen und kommt daran anschließend zur Uhrzeit. Von der Erdoberfläche aus ins
Universum geblickt, um zu einem Zeitmaß zu gelangen: das passt gut zu meiner Metaphorik
aus einer der letzten Mails: Wiie Raumzeit und Energie-Impuls im Universum könnten auf der
Erde Geographie-Historie und Macht-Werte in der Menschheit miteinander zusammenhängen.
Jetzt muss ich nur noch die Betrachtung der Raumzeit in den shape space bzw. den
Konfigurationsraum des Universums hinein weiten. "Time can be read off the heavens“,
hebt Barbour hervor — eine Formulierung, die mir natürlich verdächtig gläubig dünkt.
IT
Am 29.04.2022 um 12:29 schrieb Karl Janssen
<janssen.kja(a)online.de>de>:
Hierzu noch ein spontanes Gedankenspiel zu Barbour‘s „Nows“.
Ich schrieb diesbezüglich zuletzt:
Einen kleinsten Raumzeitpunkt kann ich selbstverständlich als ein „Now“ und damit
jegliches Geschehen als eben die Abfolge solcher „Nows“ definieren.
Wenn man somit entsprechend der These Barbours ein „Now“ als punktuellen raumzeitlichen
Gegenwartsmoment (Jetzt) und die Differenz zum unweigerlich darauf folgenden als Illusion
wertet, zudem die damit erfolgte Veränderung leugnet, nimmt diese Vorstellung einen
schlichtweg irrealen Grad an lebensfremder Abstraktion ein.
Dieses sonderbar gewundene Gedankenkonstrukt, das Faktum von Bewegung resp. Veränderung
abzustreiten und damit die Zeit als dessen Masszahl zur Illusion zu erklären, steht doch
im eklatanten Widerspruch zu den Gesetzen der Thermosdynamik, also der nicht zu leugnenden
Zunahme von Entropie im diesbezüglich zur Betrachtung stehenden Raum-System.
Es steht m.E. nichts dagegen, einen Gegenwartsmoment als ein „Jetzt“ zu definieren. In
diesem Kontext jedoch Vergangenheit zu leugnen und damit die mit der notwendigen Abfolge
von „Nows“ entstehende Kausalkette, scheint mir absurd. Das sollte doch lebenspraktisch
allein schon die durch menschliches IIrrtums- und dem daraus resultierenden Fehlverhalten
entstandene Umweltproblematik (Klima etc.) verdeutlichen.
Bezüglich Barbours Leugnung von Zeit mutet sein Terminus „Jetzt“ aberwitzig an, denn was
anderes als einen Zeitbezug soll ein JETZT haben!
Seine These ist daher für mich nichts anderes, als eben ein irreales Denkgebäude mit
nahezu esoterischem Anstrich.
Beste Grüße! - Karl