Am 10.12.2017 um 15:38 schrieb Claus Zimmermann
<Zimmermann.Claus(a)t-online.de>de>:
Hallo Ingo,
Nur zum ersten Absatz deiner mail: du beschreibst hier das Anliegen der modernen
Erfahrungswissenschaft, die auf Naturbeherrschung aus ist oder auch in theoretischer
Hinsicht auf zutreffende Prognosen und plausible Rekonstruktionen. Dagegen ist auch nichts
einzuwenden, ausser daß wir uns den Ast, auf dem wir sitzen, absägen könnten, wenn wir es
übertreiben. Aber wir haben es ja alle gern schön warm und bequem.
Und es wäre auch nicht zu vergessen, daß die Anwendung von Regeln einen ersten Schritt
voraussetzt, bei dem wir uns nicht nach Regeln richten, der aber keineswegs willkürlich
oder beliebig ist. So brauche ich die Erklärung oder Anwendungsregel "weisses
Pferd", um das Wort "Schimmel" anwenden zu können und z.B. Schnee, um das
Wort "weiss" zu erklären. Wie man aber dieses Wort mit dem Muster verbindet,
dafür gibt es keine Erklärung oder Regel und kann es keine geben, denn sonst könnte man
keine Regel anwenden, weil sie nie zu Ende erklärt wäre.
Mit dem anderen Wortbestandteil ist das natürlich mit den Zwischenstationen
"Vierbeiner", "Huftier" etc.etc.das Gleiche: irgendwann muss es zu
Ende erklärt sein und dann kann man entweder ohne weitere Regel etwas damit anfangen oder
nicht.
So kann man sagen, daß alle Regeln und mit ihnen die ganze schöne Technik im Regellosen
wurzeln, aber nicht in der Beliebigkeit.
Hallo Claus,
Regellosigkeit statt Beliebigkeit? Ist nicht, was ohne Regel ist, immer noch potentiell
unendlich vieldeutig? Mich stören häufig bloße Negativaussagen. In der Beliebigkeit
könnten ebenso wie in der Zufälligkeit durchaus Regeln verborgen sein. Ich denke gerade an
die Radioaktivität: ein einzelnes Atom zerfällt zufällig, aber viele Atome zerfallen gemäß
Zerfallsgesetz. Könnte es bei Menschen nicht ähnlich sein? Ein einzelner Mensch kann sich
spontan verhalten, viele Menschen aber folgen dem Herdentrieb. Nun sind allerdings Regel,
Gesetz und Trieb umgangssprachlich unterscheidbar, mathematisch lassen sich viele Menschen
hinsichtlich ihrer Massenbewegungen gleichwohl wie viele Atome behandeln. Die
Quantifizierung schafft einen neuen Rahmen, den die Sprachanalyse stets ignoriert, wie mir
scheint. Dabei lerne ich das Sprechen ja schon durch wiederholte und bestätigte
Nachahmung, ohne bewusst Regeln anzuwenden. Das Fundament der Regeln (von dem Du
schriebst) sehe ich in der Reproduzierbarkeit. Insofern führt die Physik bloß weiter, was
im Alltag schon vorsprachlich angelegt ist.
Es grüßt,
Ingo