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Am 29.04.2022 um 18:56 schrieb Ingo Tessmann
<tessmann(a)tu-harburg.de>de>:
Am 29.04.2022 um 18:03 schrieb Karl Janssen
<janssen.kja(a)online.de>de>:
Dieses eben genau nicht! Wie kommst Du nur darauf? Allenfalls ist diese
Fehlinterpretation für mich erklärlich, dass Du mir gegenüber (im Zweifel) immer
metaphysische Denkmuster „ankreidest“ und ich es obendrein offensichtlich nicht vermag,
meine Vorstellungen von „Gott und der Welt“ verständlich zu formulieren. Nun sehe ich
nochmal kurz auf das von mir diesbezüglich zuletzt Geschriebene zurück - ich schrieb (auf
Barbours Leugnung von Zeit „The End of Time“ abhebend):
Seitens der Physik erscheint es mir verwegen (wenn nicht absurd), Zeit als entsprechende
Größe (wenngleich - im Mikrokosmos- nicht fundamental) zu leugnen. Man wird mit Fug und
Recht das Vorhandensein von Materie resp. Energie und damit von der Gültigkeit deren
Äquivalenz ausgehen können (e =mc^2).
...
Es bleibt dabei für mich dabei: entweder habe ich
nichts von all dem begriffen, was hier über Energie/Materie und deren fortwährende
Änderung pro beliebigem Zeitabschnitt (Entropie) geschrieben wird oder Ich liege nicht
falsch, wenn ich Barbours Postulat von der Nichtexistenz einer Zeit eher im Bereich von
Esoterik (seine Vorstellung von Allverbundenheit), bestenfalls nich als Metaphysik
ansiedle.
Hi Karl,
ich habe Dich offensichtlich missverstanden und Du hast Barbour nicht verstanden bzw.
nicht hinreichend weit gelesen;
Die Anmutung, Julian Barbour nicht verstanden zu haben, kommt jener in die Nähe, er würde
Zeit - an sich - als nicht existent ansehen. Diese Annahme wird als seine These
(populär)wissenschaftlich verbreitet und er selbst trägt mit dem Titel seines Buches „The
End of Time“ zu diesem Missverständnis bei.
Davon abgesehen, dass J. Barbour mir sehr sympathisch ist, seine „Talks“ und Beiträge zu
Podiumsdiskussionen von außerordentlicher fachlicher wie menschlicher Kompetenz zeugen,
kommen manche seiner „Statements“ (vermutlich seinem ausgeprägten britischem Wesen
geschuldet - ähnlich dem von Penrose, wie ich meine), mit einer deutlichen Attitüde von
gewitztem Humor und einem gewissen Hang zu Überzeichnungen (damit schwierige
Zusammenhänge heraushebend) herüber.
Ein weiteres Problem ist, dass derartig plakative Äusserungen wie eben „The End of Time“
oder auch beispielsweise Carlo Rovellis „Time does not exist“ vornehmlich vom
Wissenschaftsjournalismus entsprechend plakativ publiziert werden. Mit dem Ergebnis, dass
nicht wenige Leute sich dann diese Aussagen unhinterfragt zueigen machen, andere sich
verwundert der entsprechenden Thematik zuwenden und versuchen, sich ein eigenes Bild zu
machen.
Denn genau auf diese jeweiligen Bilder und demnach unterschiedliche Interpretationen und
Sichtweisen kommt es bei derartigen Betrachtungen an.
Rovelli gilt als Idealist, sein Physikerkollege Smolin als ausgemachter Realist. Beide
sind befreundet, haben aber - besagten Zeitbegriff anbelangend - grundsätzlich
unterschiedliche Denkansätze und Auffassungen; beide liegen richtig, auf eben
unterschiedlichen Perspektiven gründend.
Julian Barbours These sehe ich in der Nähe von Rovellis Ansicht; während dieser der Zeit
Im Mikrokosmos keine fundamentale Bedeutung zuschreibt (wenngleich man ja Zeit durchaus
als Taktmass von Halbwertszeiten resp. der Angabe deren Dauer nutzt), geht Barbour von
jeweiliger Zeitentwicklung (Beginn eines individuellen Zeitpfeils) ab einem Nullpunkt als
Zustand von „Timelesness“ dem „Januspunkt“ aus. Damit gibt es (im Gegensatz zu Lee Smolins
Ansicht) für Babour keine globale Zeitgrösse und kommt mit seinem „Bekenntnis“ dem des
Kirchenvater Augustinus nahe:
„Wenn man die Zeit packen möchte, entgleitet sie einem immer wieder“ (Julian Barbour)
So weit für den Augenblick, ich denke, wir sind noch lange nicht am Ende dieser Diskussion
(selbst wenn wir diese hier abbrechen wollten)
Beste Grüße! - Karl
PS: Barbours „Januspunkt“ ist von herausragender Bedeutung bei der Betrachtung Entropie im
Universum. Barbour sieht darin Ursprung und mit dem Zuwachs von Ordnung als Antrieb für
den Zeitenlauf. Das scheint dem 2. HS der Thermodynamik zu widersprechen (welch provokante
Annahme wiederum!). Das unterstreicht er wohl mit dem großspurig anmutendem Untertitel
seines Buches „The End of Time“.