Am 11.01.2021 um 23:12 schrieb Karl Janssen
<janssen.kja(a)online.de>de>:
Sehr guter Vorschlag Ingo! Habe eben Dein von Dir dankenswerterweise „verlinktes“
Dokument überflogen und denke, es hat seit 2001 nichts, aber auch wirklich nichts an
Aktualität verloren; großartige Übersicht und Zusammenstellung der Theorien!
Die „Parolen“ auf Seite 18 sind eines Forschungsprojekts hinsichtlich einer „neuen Sicht“
auf die klassische Physik würdig, wie wir diese mit den Denkmodellen Bohms aber zunächst
und vor allem auch die eines de Broglie als Anlass für einen Paradigmenwechsel erhofft
haben (Smolin hat das in dem hier -auch von Dir- zitierten Buch ebenso bedauert).
Ich habe ‘t Hoofts Buch (In search of the ultimate building blocks) noch nicht gelesen,
jedoch viele seiner „Talks“ verfolgt. Interessant und bezeichnend, dass Du Dich schon 2001
auf ihn bezogen hast.
Ach, wenn nur das ganze Thema nicht so komplex zu beschreiben wäre, was uns über dieses
Forum hier den Dialog so erschwert!
Es geht dabei wahrhaftig nicht um Gott und Geister, sondern wirklich darum, „Chaos aus
einer unterliegenden Schicht der Ordnung zu erklären“ wie Du Bohms Denkansatz einer
impliziten Ordnung bestens in dem genannten Dokument beschreibst.
Hi Karl,
mir ist gerade in den Sinn gekommen, dass ich in meiner Entwicklungsfolge der Philosophien
(ebenso wie der Physik) die Vorklassik vergessen hatte. Als Vorklassiker der Philosophie
denke ich natürlich an die Vorsokratiker. Deren zumeist dogmatischen Thesen prägen ja auch
weitgehend den Diskussionsstil hier in philweb. Und ich frage mich, ob wir in der
Philosophie wirklich wesentlich weiter gekommen sind. Die Postmoderne mit ihrem
Anti-Realismus und radikalem Konstruktivismus war nur eine Mode, aber was jetzt? Sich von
Ferraris "Manifesto of New Realism“ und der ontologischen Wende inspirieren lassen?
https://www.sunypress.edu/pdf/63103.pdf <https://www.sunypress.edu/pdf/63103.pdf>
Im philosophischen Seminar zu den Vorsokratikern hatten wir damals das Buch von Capelle
„Die Vorsokratiker“ benutzt. Dort ist z.B. zu lesen: „Durch Herakleitos und Parmenides
sind zwei Urtatsachen entdeckt worden: Der Weltprozeß vollzieht sich als ewiges Werden,
das jedes starre Sein ausschließt.- Das Denken dagegen ist an eine Urteilsform gebunden,
die das Sein zu ihrer unerläßlichen Grundlage hat.“ Darüber streiten sich Philosophen bis
heute, während Physiker Invariantentheorien formuliert haben, die Sein und Werden
mathematisch konsistent und empirisch gehaltvoll in Einklang zu bringen vermögen. Aber wer
waren die vorklassischen Physiker? Ebenfalls die Vorsokratiker sowie Aristoteles, Platon
und die Alexandriner Archimedes, Heron, Hypatia?
Sind Sein und Werden vielleicht nur quantitativ-experimentell sowie lebend-erlebend, aber
nicht qualitativ-sprachlich vereinbar? Von den seienden Symbolen der Algorithmen zur
werdenden Simulation im Computer gelangen wir mittels Programmiersprachen. Und seiende
Romane können wir uns werdend vorlesen lassen. Wissenschaft ist ja bloß hochstilisierte
Lebenspraxis. Umgangssprache und Handwerk, Mathematik und Technik basieren die Physik,
Umgangssprache und Logik die Philosophie. Nach wie vor scheint der Philosophie ein
allgemein geteiltes „Handwerkszeug“ zu fehlen, da sich Philosophien nicht in der Natur zu
bewähren haben, sondern bloß unter den Menschen verbreitet werden wollen.
Es grüßt,
Ingo