Am 07.03.2021 um 13:38 schrieb "Dr. Dr. Thomas Fröhlich":
Lieber Karl, liebe Philweb-Teilnehmer,
wie immer, fließen Eure Überlegungen, für die ich dankbar bin in mein
Nachdenken ein,
und vice versa auch mein Dank für tiefgreifende Anregungen von Dir,
die
mich (und sicher nicht nur mich) gedanklich in ein mir bislang weniger
betrachtetes Themengebiet führen.
auch wenn ich es nicht im Text als fördernden Einfluss
kennzeichne.
Auf die von Dir, lieber Karl erwähnte Tatsachen-Definition von
Wittgenstein greife ich dabei nicht zurück, denn eine Tatsache ist ja
immer eine Feststellung, die durch jemanden getroffen wird, und es ist
in meinen Augen geschickter, auf den beide, den Interpretierenden und
das Interpretierte beinhaltenden und zusammenbringenden Prozess des
Feststellens zu schauen als auf die Tatsachen selbst.
In Bezug auf Deine Thematik scheint auch mir ein (welchem Kontext auch
immer folgend) konkreter Bezug auf Tatsachen (als beliebiges Faktum)
nachrangig zu sein. Ich bezog mich auf Wittgenstein, um ein
philosophisch-logisches Grundgerüst zur Betrachtung der Gegensätze
Wissen – Glauben zu benutzen (vermutlich intuitiv am sog.
Leiter-Argument des W. orientiert, d.h. seine Tatsachen-Definition „nach
Gebrauch“ wieder beiseite zu stellen, vor allem auch, da sie zunächst
hochgradig kontraintuitiv erscheinen:
Kontraintuitiv erscheint mir auf‘s erste jedoch auch, dass eine Tatsache
(per se?) durch jemandes getroffener Feststellung und nicht vielmehr als
ein objektiv gültiger Sachverhalt definiert sein sollte.
Auf den zweiten Blick könnte man allerdings auch davon ausgehen, dass
eine getroffene Feststellung sich implizit per Definition auf eine
absolut valide Gegebenheit bezieht; das muss jedoch einem
Interpretierenden vermittelt sein, damit dieser die besagte Feststellung
entweder als gesichertes Wissen oder andernfalls als etwas Anzunehmendes
bzw. zu Glaubendes werten kann.
Ist der von Dir beschriebene Prozess des Feststellens eines zu
Interpretierenden (Tatsache/Sachverhalt) und dem aus diesem Prozess
resultierenden Interpretierten (Faktum oder Fiktion bzw. Wissen oder zu
Glaubendes resp. Nicht-Sagbares) als eine abstrakte Methode des
Feststellens (Verifikation/Falsifikation) von Tatsachen zu verstehen?
Sollte dabei das jeweils zu Interpretierende zunächst als eine virtuell
konstruierte Tatsache (quasi als Substitut eines Faktums) betrachtetet
sein? Könnte man diese Methode auch an einer lebensweltlichen (zu
interpretrierenden) Tatsache erproben und diese dann auf beliebige
Tatsachen anwenden/ausweiten? Irgendwie bin ich mir nicht sicher, ob ich
den von Dir o.a. Prozess zutreffend deute.
In unserem bottom up Zugang gibt es auch kein absolutes Außen als für
sich seienden Grund-Gegensatz, sondern immer ein „kleines“, jeweiliges
Außen, von dem zunächst nur angenommen werden kann, dass es (noch)
nicht dem eigenen Kohärieren angehört. In diesem jeweiligen Außen
können dann weitere Kohärenzen durch beobachten, was sie zu wiederholt
tun vermögen identifiziert werden. Ein allgemeines Außen wäre der als
leer und neutral und primär bedeutungslos angenommene „Raum“, um den
es unserem Ansatz zum Interaktionsraum als semantischen Raum ja nicht
zu tun ist.
Das von mir zuletzt hier beschriebene potentiell Unendliche, als die
maximale Opposition in der Einheit (das VIELE im EINEN) hat keinen Ort
(ist also im übertragenen Sinn u-topisch), ist weder „Außen“ noch
„Innen“, nicht oben - nicht unten und insofern ist es keiner Betrachtung
gemäß bottom up oder top down zugänglich; es ist keinerlei Fixation
zugänglich. Es gibt keine Worte, kein Bild zur Beschreibung dieses
EINEN; Erst nachdem es sich von sich selbst trennt und als das EINE im
VIELEN aufscheint, wird es (in dieser jeweiligen Ganzheit) beschreibbar.
Gewissermaßen als Unendliches im Endlichen (das war hier mal ein von
Ratfrag aufgebrachtes Thema). Vielleicht mag er ja hierzu etwas
beitragen, damit dieses Thema nicht derart abstrakt metaphysisch
formuliert bleibt, wie ich es „in meiner Sprache und aus meiner Seele“
(von Joseph so gewünscht) getan habe.
Da es eigentlich keine Worte für dieses (von mir notwendigerweise in
meine Sprache zu bringende) EINE gibt, bleibt es kryptisch,
unverständlich und damit eben unzugänglich - es sei denn (horrible
dictu), man ist in der Lage es zu (er)spüren.
Kein Wort, kein Begriff also wird diesem Prinzip gerecht, außer
womöglich dieses eine: JHWH -es ist da, es existiert - nicht außen,
nicht innen, nicht oben, nicht unten – eben u-topisch.
Vielleicht sollte ich noch anmerken, dass ich keinesfalls von einem
leeren, neutralen und primär bedeutungslosen „Raum“ (den Kosmos
betreffend) ausgehe.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl
PS: soweit für den Augenblick - den weiteren Teil Deines Beitrags muss
ich erst gründlich durchlesen.