Es wird mir zunehmend schwerer, lieber Waldemar, einen schlüssigen
Zusammenhang aus Deinen jüngsten Beiträgen hier zu entwickeln; so
erscheint es mir sinnvoller, daraus diverse Passagen hier zu bündeln und
geschlossen zu beantworten:
Um meine Abneigung gegen die seit einiger Zeit von den USA
herübergeschwappte Genderdiskussion zu begründen, habe ich
(gewissermaßen als Gegenentwurf) auf das heute realiter deutlich
veränderte Rollenspiel im Verhältnis der Geschlechter hingewiesen, aber
auch auf den stattfindenden Geschlechterkampf, der m.E. vornehmlich
durch Menschen befördert wird, die sich der ureigensten Bedeutung des
Polaritätsprinzips nicht bewusst sind. Daher bin ich sicher, schrieb
ich, dass jede Frau, die über hinreichende Bildung, menschliche wie
fachliche Kompetenz und wirkliche Weiblichkeit (als genuinem Ausdruck
von psychischer Stärke und Integrität) verfügt, sich dieser lächerlichen
"Gendermanie" entziehen wird.
Das entspricht definitiv meiner Alltagserfahrung im Gesellschaftsleben
(isbes. auch meiner Erfahrung bei ehrenamtlicher Tätigkeit), was darauf
hindeutet, dass es sich bei den treibenden Protagonist*innen der
Genderisierung eigentlich um eine sozio-ideologisch geprägte,
pseudo-intellektuelle Minderheit handelt, deren provokative Thesen nur
allzu gerne von Leit- und sonstigen sog. sozialen Medien aufgegriffen
werden; zudem gesellen sich Männer, die sich im „Fishing for
Compliments“ gefallen und damit diese übertriebene Gleichmacherei ohne
Not beflügeln.
Natürlich stehe ich nicht für ein Ungleichgewicht zwischen den
Geschlechtern (im patriarchalischen Sinn – oder platt ausgedrückt – in
Machogehabe), deshalb habe ich ja als Sinnbild für ausgewogene Polarität
das YIN-YANG-Symbol gewählt, als eine m.E. überzeugende Darstellung von
Komplementarität des männlichen und weiblichen Prinzips.
Und dazu meinte Ingo T. richtigerweise:
/it: „In den europäischen und indischen Zivilisationen haben wesentlich
die von Männern als Herrschaftsinstrumente erfundenen „Hochreligionen“
die Frauen unterdrückt. Leider hat es die im I Ging beschriebene
Yin-Yang-Polarität für die Frauen in China nicht besser gemacht.“/
Dennoch muss man doch sehen können, dass mit diesem YIN-YANG-Symbol das
solchermaßen idealisierte Komplementärprinzip ausgedrückt wird,
gewissermaßen als zu erreichendes Ziel der Menschheitsentwicklung.
Letztere lässt bislang zweifelsohne beliebige Defizite erkennen. Diese
Erkenntnis sollte jedoch nicht bewirken, dass man an der Welt
verzweifelt und sich daraus resultierend Feindbilder schafft (in Deinem
Fall, Waldemar, hauptsächlich die Religionen), die man undifferenziert
in radikalem wie misanthropischen Duktus bekämpft. Darauf komme ich w.u.
zurück.
Zunächst noch mal zum Symbol der Komplementarität und seiner
innewohnenden Polarität: Der die beiden sich ergänzenden Prinzipien
umschließende Kreis verdeutlicht deren unverbrüchliche Gemeinsamkeit.
Und doch bleiben „schwarz“ und „weiß“ in sich autonom. Und in Bezug auf
die Rollenverteilung der Geschlechter zeigt sich, welche Stärke in
diesem sich gegenseitigen Ergänzen für das Zusammensein von Frau und
Mann liegt. Anders hingegen, wenn „schwarz und weiß“ im Ungleichgewicht
(einerlei welcher Seite) ist. Das entspricht im übertragenen
(technischen) Sinn dem fehlenden Spannungsgefälle einer entladenen
Batterie (eben ohne ausgeprägte Polarität) mit dem Ergebnis fehlender
Energie.
Wenn man diese Zusammenhänge nicht erkennen kann oder will, könnte eine
Antwort darauf so aussehen:
/Wh: „es ist -leider- nur so, dass übliche tiere (und menschtiere) keine
batterien sind, und auch das yin/yang nur extremale symbolisiert, die
größtenteils nicht lebenswirklich sind ...“/
Mit meinem „Batterievergleich“ will ich lediglich auf das
unausweichliche Faktum hinweisen, wonach ohne Spannungsgefälle (also ein
deutliches Plus-Minus) keine Energie fließen kann. Übertragen auf die
menschliche Lebenswelt heißt das: Leben ist nur in der Differenz möglich
– so eben auch Zusammenleben von Menschen, sei es in Zweisamkeit oder in
pluraler Gesellschaftsform.
Und man sieht dieses ja geradewegs an unserem derzeit hier geführtem
Disput, der uns (sollten wir nicht vor lauter Unmut die Geduld
verlieren) einigen Denk- und Argumentationsaufwand abfordert und dennoch
letztlich jeden von uns ein Stück weiterbringen sollte auf dem Weg der
idealen Kommunikation. Letztere hatte ich (mit Bezug auf Apel und
Peirce) kürzlich hier angeführt und bzgl. meiner als Idealziel benannten
Letztbegründung eine herbe Abfuhr von Dir bekommen.
/
//Wh: „jede kommunikation endet immer mit irgendeiner art von
abbruchbedingung, sonst würde sie zum unendlichen regress (münchhausen
trilemma usw), und sei diese abbruchbedingung "wir wissen es NOCH
nicht", insofern sind "letztbegründete forschungsergebnisse" unmöglich“./
Mit letztbegründeten Forschungsergebnissen wollte ich etwas ganz anderes
ausdrücken, als es gemäß Deiner Interpretation von Dir verstanden wurde;
nämlich (um ein Beispiel zu nennen):
Wenn es eines Tages durch weltweit interdisziplinäre Forschung (also in
meinem Verständnis eine ideale Forschergemeinschaft) gelingt,
Quantenphysik und ART zu vereinen, wird man tatsächlich ein schlüssiges
letztbegründetes Quantenmodell entwickelt haben, welches als künftige
gesichterte Lehrmeinung gelten und Bestand haben wird. Ich bin
überzeugt, dass dies eines Tages geschehen wird; man hat (wie Du ja
ohnehin auch weißt) mit den Forschungsarbeiten zur Quantengravitation -
mit eben dieser - einen möglichen „Kandidaten“ für eine sog. Theory of
Everything.
Der Anspruch faktischer Letztbegründung als Ideal alltagsüblicher
Diskursführung ist m.E. utopisch und somit nicht hinreichend zu
verwirklichen. In nicht idealer Art hingegen ist Letztbegründung gängige
Praxis in Diskussionen, insoweit die jeweils eigene Meinung in der
Diktion allgemein gültiger Argumentation in einer Sprachform vorgebracht
wird, die jeglicher Konsensfindung abträglich ist.
Unter diesem Gesichtspunkt wird Deine o.a. Aussage verständlich, dass
jede Kommunikation mit einer Art von Abbruchbedingung endet bzw. enden
muss; insbesondere durch eine Art Basta-Mentalität, in der argumentative
Schlusspunkte gesetzt werden (das ist so – Punkt!) oder gleichermaßen
sich ein Riss in der Argumentationskette bildet, der auf (wenngleich
ggf. auch nur vom Gegenpart angenommener) Inkonsistenz der Behauptungen
beruht.
/Wh: „die alten sagten dazu: man kann garnicht wirklich kommunzieren
(alle kommunikation ist "weak"), die wirklich wichtigen dinge muss man
alle selbst erleben und durchleben, um sie wirklich begreifen/ mit dem
geist ergreifen/ zu können, kommunikation kann bestenfalls nur dazu
hinleiten, es jeweils selbst zu erleben, und selbst diese hinleitende
kommunikation klingt lächerlich bis blödsinnig für denjenigen, der sie
nicht als nur hinleitend versteht …"/
Dem ist nicht zu widersprechen, wenn man den Wert eigenen Erlebens in
Betracht zieht.
/wh: "(zb im rahmen der alchemie wurde das argument oft verwendet) […]
da alchemie mir als DAS modell für magische weltbilder diente (und
dient), weil es "kulturell" schön separierbar ist, fiel mir obiges
fast-dauerargument besonders auf, und ich halte es bis heute für sowas
wie richtig/gültig die größte alchemie-website, an der ich die ehre
hatte zu anfang
mitzuarbeiten:www.alchemiewebsite.com […]"/
Ich hatte das tatsächlich falsch verstanden, weil ich Deine ehrenvolle
Mitarbeit dort als Identifikation mit eben dieser Alchemie angenommen habe.
/wh:“ich habe doch geschrieben, dass ich die alchemie als fast perfektes
modell für magisch-animistische welterklärungen hergenommen habe, weil
sie ua ein fast "geschlossenes wahnsystem" darstellt,//
//und, auch "die alchemie" ist eine ideologie, weil sie natürlich von
wahrheiten ausgeht, an denen "im system selbst" nicht gerüttelt werden
darf, sonst zerbräche das gesamte konstrukt […] von heute,
naturwissenschaftlich betrachtet, ist "alchemie" natürlich kompletter
unsinn, insbesondere und gerade auch ihre axiome !, aber
kulturhistorisch höchst aufschlussreich, denn das war insgesamt war weit
mehr, als nur "chemie für deppen" !“/
Soweit so gut. Du hattest dort mitgearbeitet, um eigene Erfahrung mit
dort praktiziertem „kompletten Unsinn“ zu gewinnen. Gleichermaßen
gestehst Du jedoch den Alchemisten zu, kulturhistorisch höchst
aufschlussreich Chemie zu betreiben, die weit mehr ist, als nur „Chemie
für Deppen“.
Ich musste das wiederholt lesen, um nicht auch diese Aussage falsch zu
interpretieren.
/wh: „religionen, alle, sind magisch-animistische ideologien, weil sie
allesamt auf angeblich absoluten wahrheiten beruhen (wie auch immer die
in verschiedenen religionen aussehen mögen), es gibt aber keinerlei
absoluten wahrheiten, womit alle (auch) religiösen ideologien (neben
den säkularen), die just allesamt darauf basieren, erratisch sind =
unsinn = quatsch = heiße luft = erzählungen für dumme, die nicht richtig
und/oder nicht selbst denken ...“/
Wo soll man hier nun unterscheiden, welche „magisch-animistischer
Ideologie“ sich eignet, deren „schwache“ also unzureichende
kommunikative Vermittlung durch eigene Erfahrung zu erleben:
Wenn Religion und Alchemie gleichermaßen mit ihren Dogmen oder Axiomen
magisch-animistischer Unsinn, aber kulturhistorisch höchst
aufschlussreich und insgesamt weit mehr als „Opium fürs Volk“ (Marx) und
„Chemie für Deppen“ (wh) ist, dann sollte man auch jenen das Recht
zugestehen, die sich über Religion per eigener Erfahrung (Mitarbeit) von
deren Sinn und Unsinn ein Bild machen wollen.
/
//Wh: „und dann ich als religions-phobiker ? nee nee, ich bin kein
phobiker,/
*/ich würde diese ganzen apostel des /*/*grauens im gegenteil töten,
nach der devise "mach kaputt, was dich kaputt macht"*,//
//(deshalb zb meine hohe sympathie für die FARC = fuerzas armadas
revolucionarias de colombia)/
Hast Du kürzlich im Koran gelesen?
/Wh_ „religion ist ein veritables verbrechen gegen jede menschlichkeit
und gegen die menschen !////viel schlimmer als offener krieg ist der
durch schöne, liebreizende sprüche maskierte religiöse krieg //
//[…] aus purem anstand, und um meine selbstachtung zu behalten, bis ich
feind jeder religion und religiösitäten, insbesondere auch erzfeind der
catholica und ihrer unmengen von abspaltungen, zb evangelen usw usw.“/
Eine etwas seltsame Rechtfertigung, meinst Du nicht auch? Aus purem
Anstand mache ich mich zum Erzfeind, der das Töten seiner Feinde zur
Maxime erhebt!??
Du bist also kein Religionsphobiker schreibst Du. Wenn ich mich recht
erinnere (bitte korrigiere mich, wenn ich falsch liege), hattest Du hier
vor vielen Jahren auf Deine ursprünglich jüdische Religionsprägung
hingewiesen. Sollte das zutreffen, würde ich Deine mittlerweile
entwickelte Abscheu gegen jegliche Religion insoweit begründet sehen,
als Du Dich aus tiefer Enttäuschung über kriminelle klerikale
„Würdenträger“ sowie deren Handlanger von Deinen ursprünglich
religiösen Wurzeln gelöst und damit Deinen spirituellen Bezug verloren
hast (ob Du Dir das eingestehst oder nicht). Tiefenpsychologisch
bewertet, hast Du damit an - im Unterbewussten verankerten - Halt
verloren und Dir damit ein latent innewohnendes Trauma geschaffen,
welches Deine Religionsphobie, Deinen Konflikt mit der Theodizee (dieser
Gott muss ein Satan sein) und Deinen misanthropischen Duktus begründen
könnte, wie m.E. ebenso Deine als Ersatzfunktion angelegte
Mitleidsethik, die mich (sehr ehrenhaft für Dich) an Schopenhauer denken
lässt:
*„Grenzenloses Mitleid mit allen lebenden Wesen ist der festeste und
sicherste Bürge für sittliches Wohlverhalten [...] Mitleid selbst aber
ist eine unleugbare Tatsache des menschlichen Bewusstseins, ist diesem
wesentlich eigen, beruht nicht auf Begriffen, Religionen, Dogmen,
Mythen, Erziehung und Bildung, sondern ist ursprünglich und unmittelbar,
liegt in der menschlichen Natur selbst.[...]*
*Unglück ist die Bedingung des Mitleids!*
*[...] Um keinen Hass und keine Verachtung gegen einen Menschen
aufkommen zu lassen, ist der Standpunkt des Mitleids der allein
geeignete. Das Mitleid ist das rechte Gegengift des Zorns*.“
*(Schopenhauer)*
/Wh: „jede form von religion ist für mich ein reales, wirklich
stattfindendes verbrechen am geist, ein angriff gegen die guten sitten
geistiger selbstdetermination = geistiger autonomie, letztlich eine
psychische vergewaltigung der menschen im sinne psychischer
kannibalismus (von den realen verbrechen einmal ganz abgesehen, die ich
ua in südamerika mitverfolgen konnte […] "/
Wie schon gesagt, habe ich absolutes Verständnis für Deine Erschütterung
hinsichtlich der von Dir in Südamerika gemachten Erfahrungen. Wenn
Schopenhauer sagt, Unglück sei die Bedingung des Mitleids, sollte man
aber auch so unverstellt auf das unvermeidliche Unglück dieser Welt
sehen, um zu erkennen, dass nicht nur Religion allein oder Gott
(Theodizee) dafür verantwortlich gemacht werden können.
*Die Welt im Ganzen ist Himmel UND Hölle zugleich, ebenso wie Du
schreibst: "Es gibt Gott UND es gibt ihn nicht".*
*Definitiv hingegen kann ich kein Verständnis für Deine hasserfüllten,
bedrohlichen Ausfälle gegenüber Religion aufbringen, womit Du Dich
bezüglich Deiner Ausdrucksweise auf die gleiche Stufe derer stellst, die
Du kritisierst und verachtest!*
/Wh: „ich würde diese ganzen apostel des grauens im gegenteil töten,
nach der devise "mach kaputt, was dich kaputt macht"/
/ ... und es braucht keinen "dekalog" und andere hehre sprüche en masse,
es braucht nur einen einzigen funken menschlichen anstandes, ein
winziges maß an empathie, was ich einem tier nicht antun würde, auch nur
einem einzigen menschen nicht anzutun [..]//
// ..und das heißt übersetzt: tiefe verachtung für religion, und, wann
auch immer möglich, entschlossener kampf dagegen,wo immer ihr sie
antrefft, schlagt sie am besten tot, denn sie haben ebenfalls keinerlei
mitleid ! es gibt keine "gute religion" gegen "schlechte" - jede
religion ist ein verbrechen am geist und an den menschen direkt ...“/
Was soll ich dazu sagen!? Du kannst mit dem Totschlagen bei mir
anfangen! *Grauenhaft!*
... und das heißt übersetzt: Solchermaßen hasserfüllt gegen Religion
hast Du Dir den Luzifer mit dem Beelzebub ausgetrieben.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl