Am Di., 2. Juni 2020 um 17:56 Uhr schrieb Ingo Tessmann
<tessmann(a)tu-harburg.de>de>:
Gehen wir methodisch konstruktiv vom (Tat- und
Sprach-) Handeln aus, dann sollte sich
das Mundwerk am Handwerk orientieren, um verständlich zu bleiben.
Die Unschuldsvermutung auf das Handwerk übertragen, wie sollte das gehen?
Geht der Handwerker solange davon aus, dass etwas nicht stimmt, bis er
nachguckt? Ich denke doch eher nicht, im Gegenteil, jeder Handwerker
wird klugerweise potenzielle Gefahren voraussehen.
Keinen Beweis für etwas vorliegen zu haben, widerlegt die Theorie nicht.
Und ob sich ein Mensch damit infiziert hat, beweist
mindestens ein positiver Test.
Die Tests beweisen zum Teil etwas anderes, wie das Vorliegen von
gewissen Antikörpern, das Vorliegen von Viren-Erbgut-Resten oder
dergleichen mehr.
Es ist wichtig, sich das zu vergegenwärtigen.
Und solange den Infizierten keine Verstöße gegen die
Quarantäne nachgewiesen werden
können, gelten sie als unschuldig.
Das ist ein Beispiel aus dem rechtlichen Bereich.
Ein Mathematiker oder ein Astronom würde wohl kaum so argumentieren:
"Solange kein Beweis vorliegt, ist das Gegenteil richtig, bzw. gibt es
das Ding auch nicht". Sonst würde wir niemals Exo-Planeten suchen,
weil die Abwesenheit von Beweisen ja bestätigen würde, dass da keine
Exoplaneten sind.
Erst dann gibt es im Prinzip (und tatsächlich etwa
seit der Steinzeit) Schuldige und Artefakte.
Ich verstehe, worauf du hinauswillst. Wenn ich dir hier zustimmen
würde, würde fast automatisch eine Art Konstruktivismus folgen.
Der Fall scheint mir aber durchaus nicht so trivial. Die Annahme, dass
etwas der Fall sei, weil das Gegenteil zu Widersprüchen führt, würde
vor Gericht bei Indizienprozessen durchaus angewandt werden können.
Die Indizien müssten nur da sein.
Ähnlich ist es bei der Auslegung von Gesetzen. Auslegung A ist falsch,
weil die Konsequenzen daraus anderen fixen Auslegungen
(Gerichtsbeschluss) widerspricht.
Und bis zu deren Bestimmung gilt die
Nichtexistenzannahme, z.B. für die bisher
nur berechneten KK-Teilchen oder Micro Black Holes.
Eigentlich nicht. Das gehört eher in den Bereich "Nicht entschiedene
Fragen der Wissenschaft". Ich selbst glaube zwar nicht an
Mirko-Black-Holes, aber das liegt daran, dass ich die Theorie nicht
kenne. Ich glaube auch nicht daran, dass es sie nicht gibt.
Zwischen beiden gibt es allerdings eine grundsätzliche
Asymmetrie, denn die Nichtexistenz ist unendlich vieldeutig. Deshalb lassen die meth.
Konstruktivsten keine Widerspruchsbeweise zu, wenn es um Unendlichkeit geht. Affirmation
und doppelte Negation sind in der konstruktiven Logik nicht äquivalent.
Ja, aber ein Intuitionist, ich glaube Genzen (bei der Einführung in
das System des Natürlichen Schließens), hat die Negation einmal
schlechterdings so definiert, dass "Non-A gdw. A => 0", wobei 0 hier
für ein umgedrehtes T steht, also für etwas schlicht absurdes.
Mir ist erst viel später klar geworden, welche Bedeutung das
schlechthin Absurde für die intuitionistische Logik eigentlich hat.
Für den Intuitionisten scheint es also so zu sein, dass "Es ist wahr,
dass die Aussage A nicht zutrifft" gleich ist zu "Es ist wahr, dass
die Aussage A zu einer offensichtlich falschen Konsequenz führt".
Ich habe einmal Aussagen zur Komplementärmengenbildung von
Intuitionisten gelesen. Diese schienen mir durchaus überraschend.