Unter einer Konsequenz würde ich einen Sachverhalt verstehen, der durch einen anderen
ausgelöst wird und über ihn hinausgeht. Man kann von der Konsequenz auf das, was sie
ausgelöst hat, nicht deduktiv, sondern nur wie Sherlock Holmes induktiv schliessen.
Bei der Implikation handelt es sich um ein Verhältnis zwischen Aussagen, bei der die eine
die andere als Unterfall enthält bis hin zum Extremfall, daß beide übereinstimmen.
Jetzt stellen wir durch Beobachtung fest, daß ein Unterfall einer Aussage nicht zutrifft.
Müssen wir dann nicht nur diesen Unterfall von der Aussage subtrahieren und schon stimmt
sie wieder? (Bis zur nächsten Falsifizierung.) Es könnte allerdings sein, daß die vorher
allgemeine Theorie dann ihre Allgemeinheit verliert und zu einer Aufzählung von Aussagen
wird, in denen man kein Muster erkennt und die man deshalb nicht als Theorie, sondern
allenfalls als empirische Vorstufe dazu, als Materialsammlung bezeichnen möchte.
Das Muster ist keine Einzeltatsache und so wie diese einfach zur Kenntnis zu nehmen,
sondern eine Regel (nicht rein formal, sondern materiell gehaltvoll, durch Beobachtung
widerlegbar), zu der alle Tatsachen passen müssen. Man starrt vielleicht auf die
Materialsammlung, bevor einem aufgeht, worauf sich alles reimen könnte?
Fragt sich und das hochverehrte Auditorium ein formallogisch eher unterbelichteter
Zeitgenosse, der vielleicht missverstanden hat, worum es dir ging.
Am 15. Apr. 2021, 18:56, um 18:56, Rat Frag via Philweb <philweb(a)lists.philo.at>
schrieb:
[Philweb]
Hallo Liste,
ich wollte noch einen Gedanken zu meinen bisherigen Gedanken
hinzufügen:
Nehmen wir einmal an, wir haben eine wissenschaftliche Theorie A.
Diese Theorie wird von den Experten des jeweiligen Fachgebietes
tatsächlich geglaubt und hat eine Reihe von befriedigenden Gründen für
sich.
Diese Theorie wird von einem Philosophen (Wissenschaftstheoretiker,
Logiker) als eine Menge von Aussagen analysiert:
A = {a_1, a_2, a_3 ... a_n} = a_1 ^ a_2 ^ a_3 ... ^ a_n
Jetzt lässt sich aus A logisch korrekt eine Konsequenz B herleiten
(bewusst so formuliert). Also: A -> B. Neue Beobachtungen ermöglichen
aber die Aussage ~B.
Nun folgt nach klassischer Logik aus:
A -> B und
~B dann:
~A.
Das liegt an "A -> B = ~B -> ~A". Das lässt sich in Wahrheitstabellen
oder als Venn-Diagramm gezeichnet sehr schön nachvollziehen, auch wenn
es außerhalb der klassishen Logik Einschränkungen gibt.
~A (Nicht A) bedeutet jetzt natürlich nicht, dass jede einzelne
Aussage a aus A falsch ist, sondern sie bedeutet eigentlich, dass
mindestens eine Aussage aus A falsch ist:
~(a_1 ^ a_2 ^ a_3 ... ^ a_n), was das selbe bedeutet wie: ~a_1 v ~ a_2
v ~ a_3 ... v ~ a_n
Mal abgesehen von der Frage, ob das Herleiten der Konsequenz einem
Ableiten im logischen Sinne ähnelt und ob nicht auch ~B falsch sein
kann. Wir gehen hier davon aus, dass ~B wirklich die minimalste
korrekte Beschreibung ist und die Herleitung logisch ist.... Mal
abgesehen davon, stellt sich die Frage, welche der vielen Aussagen von
A ist denn nun das faule Ei im Nest?
Rein logisch wird das gar nicht festgelegt.
Unbedingt notwendig ist nur, dass mindestens eine Aussage aus A falsch
ist. Idealerweise sollte A dabei so verändert werden, dass B nicht
mehr herleitbar ist.
Die Frage ist aber, was umfasst A eigentlich alles?
A könnte theoretisch alles umfassen: Von den logischen Grundregeln
aufbauend, über solche Prinzipien wie Ockhams Rasiermesser, den
ceteris paribus bis hin zu einigen Beschreibungen konkreter
Beobachtungen und den eigentlichen logischen Kernstücken der Theorie.
Ja, auch die logischen Regeln könnten Annahmen in diesem Sinne sein,
man brauch dann nur eine rein technische Regel, wie man diese für
Ableitungen einsetzt, eventuell auch nur einen Modus Ponens.
Drei Beispiele aus der Praxis, um das Ganze anschaulicher zu machen:
1.) In den Volkswirtschaften hat man bis in die 1980er Jahre eine
bestimmte Beobachtung gemacht und daraus eine Theorie abgeleitet. Nun
beobachtet man andere Dnge und denkt, die Theorie sei widerlegt. Jetzt
könnte ein Sozialwissenschaftler spielend darauf verweisen, dass sich
seit den 1980ern schon irgendwas geändert hat, so dass die ceteris
paribus-Bedingung nicht mehr erfüllt ist. Ergo wird die Theorie nicht
widerlegt, die Realität hat sich wirklich verändert. Eine Annahme, die
bei menschlichen Gesellschaften im Gegensatz zur Astronomie nicht
absurd erscheint.
2.) Man könnte den Geltungsbereich der Theorie ja einfach entsprechend
Einschränken, so dass B nicht mehr ableitbar ist und die Theorie
trotzdem stimmt. Newtonsche Mechanik stimmt, gilt nur eben nur
innerhalb gewisser Grenzen.
3.) Denkbar wäre auch, dass man solange an den logischen Regeln
rumspielt, bis diese B nicht mehr hergeben oder mit ~B kein Problem
mehr besteht. Im Grunde ist das ein Vorwand weiter oben. Die
Philosophie Hegels oder die Intuitionisten scheinen diesen Weg
beschritten zu haben.
Der Punkt ist aber, dass B im Grunde auch eine Aussage a aus A sein
könnte, weil ja gilt "a -> a". Das heißt, man kann effektiv den obigen
Problem nicht entkommen, indem man jedes a durchtestet.
Wenn es logisch nicht festgelegt ist, welche Aussage man negieren
muss, dann braucht man noch ein weiteres Kriterium.
(Wobei a hier für Aussagen steht, "^" für die Konjunktion und "v" das
Oder (Disjunktion) im logischen Sinn, "->" für die Implikation,
"~"
für die Negation und B für eine Konsequenz. "=" bedeutet die
Aquivalenz.)
Was sagt uns in dieser Situation also, wie wir die Theorie A umbauen
müssen?
Vielleicht ist hier die Aussagen von der Intuition korrekt, die man
sonst so häufig bemüht findet: Der geniale Kopf erahnt richtig, welche
Aussage von A man zurückweisen muss. So wie Darwin ja letztlich recht
hatte gegenüber der These von Lamarck und dann doch wieder unrecht,
wegen der Epigenetik. Darwin hatte sozusagen die richtige Idee was die
natürliche Selektion anging, irrte aber in anderen Punkten oder kannte
gewisse Beobachtungen wie die DNS nicht. Einen ähnlichen Fall finden
wir bei Einstein und der Äthertheorie.
Man kann auch nicht einfach sagen, "Versuch und Irrtum", weil man ja
bei jedem B wieder die Möglichkeit hätte, die Theorie zu modifizieren.
Es könnte Fälle geben, in denen wir unendlich viele Möglichkeiten
hätten, die Theorie zu modifizieren, so dass ein durchtesten praktisch
ausgeschlossen ist.
Hat angesichts dessen die Inuition doch einen Wert?
Gruß an die Runde.
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