Am 21.11.2020 um 09:44 schrieb Rat Frag via Philweb
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Das Beispiel China zeigt dagegen, dass Religionen
überflüssig sind für die Zivilisierung der Kulturen.
China könnte man als ein Beispiel für einen Trend zur Technokratie
sehen. Weg vom alten Maoismus, hin zu einer Kollektivherrschaft, deren
Legitimation sich aus dem Allgemenwohl, nicht unbedingt von Zustimmung
speist.
Hi Rat Frag,
die Manipulationsalgorithmen der Amerikaner unterscheiden sich nicht wesentlich von denen
der Chinesen, allerdings mit dem Unterschied, dass man sich ihnen freiwillig unterwirft
und nicht dazu gezwungen wird. Ein besseres Vorbild für eine weitgehend religionsfreie
Zivilisation ist Taiwan, wobei der Buddhismus aus Indien kam und Daoismus wie
Konfuzianismus keine Religionen sind. Andererseits gilt leider "die normative Kraft
des Faktischen“, gegen die jeder Aufklärer anzukämpfen hat. Die überwältigende Last der
vieltausendjährigen Geschichte lässt sich kaum mehr überwinden und so machen wir immer
weiter wie bisher und freuen uns darauf, uns nach der Pandemie erneut austoben zu können.
Wobei es in unseren Landen noch nicht einmal möglich ist, auf Autobahnen eine allgemeine
Geschwindigkeitsbegrenzung oder zu Silvester das Böllerverbot durchzusetzen.
Geschwindigkeitsrausch und Geisterglaube ist schwer beizukommen. hierzulande.
In Übrigen könnte man dein Argument angreifen. Es gibt
in China sehr
wohl gewisse religiöse Phänomene zu beobachten.
Ausnahmen bestätigen die Regel. Du scheinst - wie die meisten Menschen - dazu zu neigen,
immer wieder mit Ausnahmen gegen die Regel argumentieren zu wollen; was bei
Wahrscheinlichkeitsverteilungen allerdings sinnlos ist. Nur in den Formalwissenschaften
werden Allsätze durch Gegenbeispiele widerlegt. Hat sich das unter Philosophen noch nicht
herumgesprochen?
Die
"goldene Regel“ reicht für das Zusammenleben anfangs schon aus.
Tun sie eben aus verschiedenen Gründen nicht.
Ich schrieb anfangs, später reichten sie nicht mehr, in der Tat. Aber war das notwendig
oder bloß kontingent?
Aber wie wäre
die Menschheitsentwicklung verlaufen, wenn sich statt des Patriarchats das Matriarchat
verbreitet hätte? Hätten damit
auch Wissenschaften und Künste jegliche Irrlehren verdrängt? Die vermännlicht im
Patriarchat lebenden Frauen taugen natürlich nicht
als Gegenargument, denn bekanntlich gibt es kein richtiges Leben im falschen.
Weiter der matriarchalen Utopie nachsinnend grüßt,
Gegenfrage: Wie kommst du darauf, dass Frauen bessere Menschen sind als Männer?
Männer verüben mehr Kriegsgreuel und dominieren den Terrorismus, sind gewalttätiger,
Vergewaltigen häufiger und misshandeln mehr Kinder schwer. Natürlich wirst Du Ausnahmen
von den Regeln finden, auch wenn beispielsweise 98% der für Kapitalverbrechen in der BRD
einsitzenden Verbrecher Männer sind, gibt es eben 2% Frauen unter ihnen und - die
Verbrecher unter den Männern sind auch nur eine Minderheit. Aber stell Dir mal vor, die
Frauen hätten das Sagen (oder es gäbe überhaupt keine Männer mehr).
Aufschlussreich ist die Geschlechter-Verteilung der zu Freiheitsstrafen insgesamt
Verurteilten in Deutschland:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/158317/umfrage/gefangene-und…
<https://de.statista.com/statistik/daten/studie/158317/umfrage/gefangene-und-verwahrte-in-deutschland-nach-art-des-vollzugs/>
Also rund 40.000 zu 2500, d.h. der Frauenanteil unter den Gefängnisinsassen liegt bei etwa
6%! Ist das nicht bemerkenswert?
Erstens hat sich das Patriarchat nicht weltweit
durchgesetzt. Die
Anthropologen kennen einige menschliche Gesellschaften, die man dem
sog. Matriarchat zurechnet. Vom Forschergeist begeistert könnte man da
einfach empirische Forschung betreiben oder gleich nachsehen, was
andere schon zu diesem Thema publiziert haben.
Es gibt in der Tat noch einige übrig gebliebene und bis heute tolerierte „Matriarchate“,
wie z.B. die Mosuo in China:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mosuo <https://de.wikipedia.org/wiki/Mosuo>
Die paar friedfertigen Frauen widersprechen doch nicht der kriegerischen Vorherrschaft des
Patriarchats weltweit. Es gibt auch noch die seit 1968 existierende Hippie-Kolonie
Auroville in Indien. Auch eine extrem seltene Ausnahme alternativer Lebensweise, die nicht
der Regel widerspricht. Wobei es sich aber weder um ein Matriarchat handelt noch die
Kolonie religionsfrei ist.
Kann schon sein, dass die Ergebnisse der Studie falsch
sind und/oder
irgendwie durch das "Patriarchat" manipuliert. Dabei spiegeln sich
allerdings nur deine persönlichen Werturteile ("Religion schlecht")
wider. Für jemanden, der Religion als was positives ansieht, könnte
das sogar ein pro-feministisches Resultat sein.
Drittens unterschätzt du meines Erachtens immer noch, dass Irrlehren
häufig eben auf missverstandenen und/oder veralteten
wissenschaftlichen Theorien basieren. Auch verdrängt deine
Argumentation, dass auch im Namen der Wissenschaft einige Menschen
leiden mussten.
Dass Frauen unter dem Druck der Männer zu vielerlei Willfährigkeiten und Schandtaten
bereit sind, spricht nicht gegen die Frauen, sondern gegen die Männer. Intellektuelle
Frauen allerdings, dürften im Durchschnitt nicht religiöser als Männer sein, vor allem
wenn man an die MINT-Frauen denkt.
Dass ich Religionen im Gegensatz zu den MINT-Wissenschaften als Verblödung, Schwachsinn,
Wahn oder Irrlehre bezeichne ist kein moralisches Werturteil, sondern orientiert sich an
der intellektuellen Redlichkeit, der Wahrheitsliebe, dem Freiheitsstreben und der
Friedfertigkeit in den Wissenschaften.
Was im Namen der Wissenschaft gemacht wird, kann man nicht der Wissenschaft vorwerfen.
Andererseits bestätigen ja Ausnahmen nur die Regel. Und was Ideologen als Wissenschaft
bezeichnen, ist natürlich keine, wie bspw. der „wissenschaftliche" Sozialismus, die
faschistische „Rassenforschung“, Scientology …
Wäre es nicht zumindest einmal ein Experiment wert, in einem Land allein den Frauen die
Macht zu übertragen? Leider wird es nie dazu kommen, da ja schon alles Land von Männern
aufgeteilt worden ist. Ich werde also weiter träumen und mich der SciFi überlassen müssen.
Es grüßt,
Ingo