Am 25.05.2024 um 09:01 schrieb Dr. Dr. Thomas Fröhlich
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… die Biologie, und „die Wissenschaft“ allgemein liefern keine Anhaltspunkte zur Frage
der Legitimierung der Tötung menschlichen Lebens. Für mich ist es eine Frage des
menschlichen Mitfühlens, des Mitgefühls, das sich auf den Einzelnen und zugleich auf alle
Beteiligten erstreckt, also auch auf die Familie als Ganze. Das ist immer konkret, auf
jeweilige Menschen und ihre Situation bezogen, nicht abstrakt, nicht absolut und nicht
apodiktisch. Vor diesem Hintergrund würde ich das lebende Leben stärker gewichten als das
Leben eines jenseits der Mutter nicht lebensfähigen Lebens.
Moin Thomas,
warum das Pauschalieren? Mangelnde Differenzierung begünstigt Fundamentalismus. Anstatt
von „lebendem Leben“ würde ich genauer von „embryonalem oder fetalem Leben“ schreiben.
In den USA ist die Gesetzgebung jetzt in die Hände der
Bürger der verschiedenen Bundesstaaten gelegt worden, wobei zuvor landesweit bei
Lebensgefahr für die Mutter die Straffreiheit auch für Abtreibungen nach der 24.
Schwangerschaftswoche galt. Diese Straffreiheit ist jetzt im Staat New York für Tötung des
Ungeborenen bis zur Geburt ausgedehnt worden, "wenn die Gesundheit der Mutter
gefährdet oder der Fötus nicht lebensfähig" ist.
Gesetzgebung ist ein demokratischer Prozess, alle Macht geht vom Volke aus, und das
Ringen um Entscheidungen gehört zur Demokratie. Ich hätte als US-Bürger die bisherige
Regelung auch für meinen Bundesstaat unterstützt, und aus verschiedenen Gründen (Vagheit
des Gefährdungsbegriffs und des Begriffs der Lebensfähigkeit) gegen die Regelung gestimmt,
die jetzt im Staat New York gilt.
Trotz der Vagheit des Gefährdungs- und Lebensfähigkeitsbegriffs hielte ich es für
angemessen gleichsam stets im Zweifel für die Mutter zu plädieren. Denn entwickeltes
mütterliches Leben, wie es erst postpubertär erreicht wird, ist erhaltungswürdiger als
vorgeburtliches menschliches Leben. Dabei frage ich mich, woher eigentlich die
Überbewertung des ungeborenen menschlichen Lebens herrührt? Für mich stellt sie sich als
Folge der Repro-Maskulinität dar, d.h. in dem historisch gewachsenen Bestreben von
einflussreichen Männerbünden, die Reproduktionskontrolle über die Frauen zu erhalten. Um
das zu verschleiern, muss bis heute eine allgemeine Lebensideologie herhalten. Aber wie
siehst Du das?
IT