Am 10.02.2024 um 03:54 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Doch eigentlich wollte ich hier nicht zum wiederholten Male auf Information im o.
benannten Kontext eingehen, sondern auf Deine Gegenüberstellung von
sprachlich-rhetorischem vs mathematisch-experimentellem Zugang zur Welt. In diesem
Zusammenhang dann auch auf Josephs vorgenommene Klassifizierung gemäß W. Stegmüllers vier
Phasen des Verstehens. Somit das Vermögen betreffend, eine in interaktiver Kommunikation
ausgetauschte Information in zutreffender Weise so zu interpretieren und mit zureichender
Inferenz gedanklich zu verarbeiten, dass eine gemeinsame Verständigung gelingen kann.
Das ist wahrhaftig leichter gesagt als getan und insbes. in der Alltagspraxis kaum zu
realisieren. Glücklicherweise ist in letzterer eine hinreichende Form sprachlichen
Austauschs, eben die Alltagssprache eingeführt und für den üblichen Lebensbereich
tauglich.
Bei unseren Diskussionen hier sieht das dann schon wirklich anders aus und damit zeigt
Joseph zurecht die benannten Phasen des Verstehens auf.
Diesem Modell folgend, meint Joseph, dass Dir mein Denken ein Rätsel sei, was ich
natürlich nicht annehme. Vielmehr trennen uns grundsätzlich unterschiedliche Weltsichten,
um nicht zu sagen Ideologien. Das macht die Sache aber interessant und man solle sich
diesbezüglich mal vorstellen, wie eine Diskussion zwischen uns lohnend sein könnte, wenn
wir jeweils gleicher Meinung und Weltsicht wären. Benannte Phase 4 sollten wir allerdings
in jedem Falle zu vermeiden suchen :-))
Moin Karl,
ich verstand Josephs Mail so, dass er meinen Unverstand nicht auf Dich, sondern auf sich
bezog. Uns sehe ich um Niveau 2 schwanken. Dabei muss ich gerade daran danken, ob Kant
Gaußens Existenzbeweis der nichteuklidischen Geometrie hätte folgen können oder ob Kant
und Feyerabend sich unter Niveau 4 hätten verstehen können.
Auch bei Dir überwiegt der weit verbreitete Sprachaberglaube, der Glaube daran, dass mit
Sprache außensprachliche Dinge erzeugt werden könnten. Sprache erwächst und reproduziert
unsere symbolische Lebenswelt und bleibt dem Weltall gegenüber stets innenbezogen. Und
innerhalb der Lebenswelten ist sie stets intersubjektiv, wobei die
Bedeutungsüberschneidungen marginal sind. Unmittelbar zugänglich und vorherrschend sind
mir nur meine Gefühle und Sinnesempfindungen.
Den weitestgehenden Außenbezug stellt lediglich die Mathematik her. Die konsequente
Trennung von qualitativer Innenwelt und quantitativer Außenwelt habe ich noch nicht zu
Ende gedacht, obwohl sie mir so naheliegend erscheint und von vielen bereits diskutiert
worden sein dürfte. Bisher sind mir in dem Zusammenhang aber nur Otto Rössler, der
zwischen Endo- und Exophysik unterscheidet, sowie Karl Svozil in „Randomness and
Undecidability“ bekannt geworden.
Nach Rössler erkennt man, „daß die Welt immer nur definiert ist auf der Schnittstelle
zwischen dem Beobachter und dem Rest der Welt. Da diese Schnittstelle per definitionem
unzugänglich ist, scheint es für uns keine Lösung zu geben. Wir können aus unserer
eigenen Welt nicht heraustreten, um die Rolle eines Super-Beobachters anzunehmen. Also
können wir die Welt nicht verstehen. Unerwarteterweise gibt es ein kleines mögliches
Schlupfloch: Es können "Modellwelten" aufgestellt werden, die einen expliziten
(mikroskopisch beschriebenen) internen Beobachter enthalten.“
Letztlich ist es die „Innensicht", die wir stets nur haben können und die uns auf
eine Selbstbezüglichkeit einschränkt, sei es auf das Bewusstsein im Selbsterleben unseres
Gehirns oder auf die Biosphäre als Lebensaüßerung der Erde in der Milchstraße. Svozil
schreibt ergänzend: “The recognition of the importance of intrinsic perception, of a ‘view
from within’, might be considered as a key observation towards a better understanding of
undecidability and complementarity.”
Mit beiden Autoren komme ich auf Dein Steckenpferd Information zurück. Und natürlich
spielten die Hippies im Beleben und Verbreiten der Infomrations- und Quantentheorie eine
wesentliche Rolle. Siehe dazu die Bücher von David Kaiser; How the Hippies Saved Physics;
und Henry P. Stapp; MIND, MATTER AND QUANTUM MECHANICS:
https://www.hippiessavedphysics.com/ <https://www.hippiessavedphysics.com/>
https://archive.org/details/henry-stapp-mind-matter-and-quantum-mechanics
<https://archive.org/details/henry-stapp-mind-matter-and-quantum-mechanics>
Die Gegenkultur hatte ja auch Paul Feyerabend inspiriert während seiner Zeit in Berkeley.
Kant ist für die Philosophie was Newton für die Physik ist. Feyerabend scheint in der
Philosophie kaum mehr eine Rolle zu spielen. Ebenso ist Stapp mit den anderen aus der
"Fundamental Fysiks Group“ Außenseiter geblieben. Ich erinnere mich noch vage an das
Bootstrap-Konzept im Kontext der „nuklearen Demokratie", das Geoffrey Chew (ähnlich
wie David Bohm seine Mechanik) gleichsam als physikalischen Widerstand zu den
McCarthy-Anhörungen seinerzeit formuliert hatte. Siehe dazu: "The Bootstrap Principle
and the Uniqueness of the World":
http://www.basarab-nicolescu.ciret-transdisciplinarity.org/Nicolescu_CHK_24…
<http://www.basarab-nicolescu.ciret-transdisciplinarity.org/Nicolescu_CHK_24.pdf>
Und: "Nuclear Democracy. Political Engagement, Pedagogical Reform, and Particle
Physics in Postwar America. By David Kaiser:
https://web.mit.edu/dikaiser/www/Kaiser.NucDem.pdf
<https://web.mit.edu/dikaiser/www/Kaiser.NucDem.pdf>
Was es über „Mensch und Welt“ nicht noch alles zu bedenken gibt. Aber vorerst breche ich
ab.
IT