On Fri, 22 Oct 2021 19:48:05 +0200
Joseph Hipp via Philweb <philweb(a)lists.philo.at> wrote:
[Philweb]
Am 22.10.21 um 18:27 schrieb Claus Zimmermann via Philweb:
[Philweb]
Am 22.10.2021 um 04:30 schrieb Joseph Hipp via Philweb:
[Philweb]
Am 22.10.21 um 01:33 schrieb Claus Zimmermann via Philweb:
Wir unterscheiden bei einfachen Handlungen nur
ausnahmsweise
zwischen Wollen und Tun (meines Wissens ist das zuerst Wittgenstein
aufgefallen).
Hat Wittgenstein nun mit dem Wort "Wollen" ein neues Lemma eingeführt
oder ein neues Vermögen? Wenn das erstere, dann hatte er keinen
Erfolg damit. Wenn das zweite, dann genügt es nicht, wenn du oder ich
verstehe, was Wittgenstein damit meinte. Siehe zuerst
https://de.wikipedia.org/wiki/Wille_(Begriffskl%C3%A4rung) Fange mit
Volition an, dann fahre weiter mit den anderen. Entschuldige bitte,
wenn du meinst, ich würde das so von oben herab schreiben.
W. hat hier nichts eingeführt. Es geht nur darum, wie man das Wort
verwendet.
Einverstanden.
Das hat man ja mal gelernt, mit einiger
Unschärfe, die es von genau
definierten Ausdrücken unterscheidet, und man kann es sich im
Nachhinein bewusst machen, um sich selbst nicht misszuverstehen.
Einverstanden.
Es geht hier nicht um Geheimwissen,
Überbetrachter oder sowas, sondern
um die Erinnerung an allgemein Bekanntes, das man nur vielleicht
durcheinanderbringt.
Einverstanden.
Deshalb, nimm es mir bitte nicht übel, brauche
ich keine
Wikipedia-Begriffserklärung. Das kann ich und jeder andere selbst.
Einverstanden.
>
>
>>> Wenn jemand gefesselt ist, kann er ohne Erfolg versuchen, die
>>> Fesseln zu sprengen und sich zu bewegen.
>>
>> Diese Situationsbeschreibung kann nur vom Betrachter ausgehen. Der
>> Gefesselte kann zwar Qualia haben, die vielem entsprechen, etwa den
>> Fesseln, der Befreiung, des Versuchens, und doch hat er dann keinen
>> Zugang zu der Gesamtsituation, die nur der Betrachter hat.
>>
>
Joseph, ich bitte dich, man kann doch wohl unproblematisch feststellen, daß man oder
jemand gefesselt ist und nicht tun kann, was man/er will. Wie du siehst, bestehe ich
nicht auf der ersten Person. Darauf kommt es hier m.E. nicht an.
Es ging nur um eine Situation, in der wir ausnahmsweise bei einfachen Handlungen zwischen
tun und wollen unterscheiden.In diesem Fall könnte es sich ja auch um ein Spiel handeln,
bei dem man freiwillig mitmacht. Wir würden dann zwischen echt und gespielt unterscheiden
im Gegensatz zum Normalfall, in dem wir nicht verstehen, was es heissen soll, daß jemand
wollte, aber nicht konnte.
Allerdings kann eine Handlungsneigung einen Schritt vor der Handlung stehenbleiben oder,
besser gesagt, so eine Situationsbeschreibung ist nicht unverständlich. Wo der eine
"Handlungsneigung" sagt, sagt der andere vielleicht"wollen". Die
Regeln sind wie so oft in der Umgangssprache nicht ganz eindeutig, (Eine
"Entscheidung" müsste sich aber doch durch Taten oder Versuche ausdrücken.)
Abhilfe: man verständigt sich über den Wortgebrauch. Ich habe mit wollen nicht nur eine
Neigung gemeint. (Ich glaube, das ist keine besonders eigenwillige Ausdrucksweise.)
Kann man im Libet-Experiment überhaupt von Handlungsneigung oder -abneigung reden? Es
spricht nichts dafür oder dagegen, zu einem bestimmten Zeitpunkt die Hand zu heben oder es
zu lassen - kein Trieb, keine Empfindung, keine dauernde oder plötzliche Gefahr, keine
Überzeugung, kein Plan. Man tut es einfach so unter den Bedingungen des Experiments, die
sich vielleicht auf die Gehirnaktivitäten auswirken. Warum hätte man sonst die Hand heben
und das Gehirn die Aktion in die Wege leiten sollen?
Mir scheint das Experiment nur zu zeigen, daß vor der Handbewegung eine bestimmte
Gehirnaktivität stattfindet. Ich würde vermuten, daß die Gehirnaktivitäten außerhalb der
Laborsituation nicht ganz unabhängig von handlungsrelevanten Umständen wie den genannten
sind.
Grüsse, Claus
Dieser Jemand
könnte auch ich sein.
Du bist halt eben sympathisch, im Positiven gedacht. Der
Arme ist
gefesselt, und kann sich nicht (er)lösen. Du hast das Problem nicht,
könntest es auch haben, wenn jemand dich fesseln würde, oder eine schöne
Kreatur. Das alles ist gut gedacht, aber auch die anderen denken gut,
die nur eine bestimmte Situation beschreiben. Und diese Situation ist
historisch gegeben. Das BP wurde mit viel Mühen bei einer
Versuchsanordnung schon so wie ich gelesen habe, und mit viel Mühe, das
Rauschen herauszurechnen, schon 1965, nicht von Libet, herausgefunden,
so viel ich gelesen habe. Und dabei wurden Reaktionen der Art Reflex
nicht berücksichtigt, und auch Behinderungen beim Handeln nicht. Und es
wurde der Ablauf "Wille und Handlung" beschrieben, nicht der Wille
allein, oder das Wollen allein, wenn ich dieses Wort nehme. Wenn du also
die anderen Situationen bedenken willst, sind sie in anderen Kapiteln
als diesem zu lesen. Entschuldige bitte, wenn ich das in meiner Vor-Mail
nicht schrieb.
Ich kann mich selbst betrachten (ohne
irgendwelche philosophischen
Implikationen gesagt), mich in dieser Situation vorfinden und sie so
beschreiben.
Ein Münchhausen konnte sich selbst sogar aus dem Wasser ziehen.
Wenn wir
hören, jemand hätte so eine einfache Handlung ausführen
wollen, es sei ihm aber nicht gelungen, fragen wir nach den Umständen.
Hier würde ein Überbetrachter denken: Was weiß der Betrachter mehr
als die Person, wenn ich dich richtig verstehe.
--
Nimm das doch einfach wörtlich.
Das habe ich bis zu dem Zeitpunkt gerade bis vor dem Satz vorhin.
Wenn wir hören "ich wollte den Arm heben,
konnte es aber nicht" - wie
reagieren wir dann? Wir fragen doch wohl: Wieso denn nicht? Was war
denn los?
Wenn wir nun finden, daß wir, von Ausnahmesituationen abgesehen, hier
nicht zwischen wollen und tun unterscheiden oder gar nicht von wollen
reden, müssen wir uns vielleicht von der hartnäckigen
Zwangsvorstellung verabschieden, daß einer Handlung, die man nicht als
ungewollt bezeichnen würde, nicht unbedingt ein Willensakt oder eine
Entscheidung zugrundeliegen muss (oder eine Volition, wie es bei
Wikipedia so schön heisst) und daß sie trotzdem von einem Reflex -
Arzt klopft mit dem Hämmerchen aufs Knie - unterschieden und der
Person, wie man sagt, zugerechnet werden kann.
Vielleicht tust du dich ja mit dem Wort "zurechnen" schwer. Man sagt
das etwa statt: tu doch nicht so, als ob du damit nichts zu tun hättest!
Ich hoffe, daß das nicht auch unverständlich ist.
Das mag noch so gut geschrieben sein, es wäre dazu eine ganz andere
Versuchsanordnung erforderlich. Siehe oben. Und obwohl auch ich das
Konstrukt "Willensakt" oder auch mit anderen Wörtern gesagt, also mit
darauf folgender (erfolgreichen) und gewünschten Handlung in Frage
stelle, gehe ich dann doch mit der Versuchsanordnung, und lasse diese
Bedenken im Hintergrund offen, und kann später zurück an die
zweifelhafte Erklärung.
Du siehst vorhin, wie ich mit den bei mir
üblichen Wörtern vorgehe.
Jedes Mal jedoch, wenn neue Wörter und Sätze mir zukommen, muss ich
diese in meinen Sprachgebrauch übersetzen, und wenn es zu viele sind,
bin ich überfordert. Deinen Satz, der folgt, verstehe ich nicht ganz,
entschuldige, vielleicht bin ich schon damit überfordert.
Ich versuche, mich umgangssprachlich und nicht fachsprachlich
auszudrücken oder mir eine neue Terminologie auszudenken. Das
erscheint mir angemessen, wenn es um die Bewusstmachung von allgemein
Bekanntem geht.
Das ist in Ordnung.
Wird uns
dann gesagt, die seien ganz normal gewesen, verstehen wir
das nicht. "Wollen" bedeutet hier nur in bestimmten
Ausnahmesituationen etwas, wenn wir unterscheiden möchten, wie
jemand auf sie reagiert.
---
Wenn wir hier also meist gar nicht von wollen
oder entscheiden
reden, welchen Sinn hat dann die Frage an den Versuchskandidaten,
wann er sich entschieden habe, den Finger zu heben? Man sieht ja,
wann er es tut.
Dieser Satz ist für mich höchst interessant, aber ich kann nicht bei
mir ansetzen, um ihn anders zu sagen. Es gibt mindestens zwei
Vorgänge in der Versuchsperson, das geben die Versuchsleiter ja auch
zu. Und zwar den Vorgang des Bekanntgebens des Entscheidungsmoments,
und den des Entscheidens selbst. Und ich suche, die entsprechenden
Probleme zu bedenken, zu verstehen, oder einfach nur zu denken.
Hierbei versuche ich jedoch an der Versuchsanordnungs-Sprache zu
bleiben, ohne etwas von mir oder von irgend welchen anderen Bereichen
hinzu zu fügen. Dem entsprechen Prinzipien der Hermeneutik. In diesem
Fall verweise ich jedoch an den gut geschriebenen Text, den ich schon
angegeben habe:
https://www.zhb.uni-luebeck.de/epubs/ediss2097.pdf, es ist vermutlich
unerlässlich, auf die Sprache der Versuchsanordnung einzugehen.
Zu meiner Ansicht über den "Entscheidungsmoment" bei einfachen
Handlungen wie dem Heben eines Fingers s.o.
"Man sieht ja, wann er es tut", dieser Satz ist voll in Ordnung, bravo,
es bringt Probleme mit sich, wenn man ihn zusätzlich fragt, wann er es
tat, denn für seine Antwort braucht es Zeit, also für diese zweite
Aufgabe, dies zu sagen. Und dabei liegst du richtig. Ich nehme an, dass
die Zeit irgendwie herausgerechnet wird, wenn die Versuchsleiter korrekt
vorgehen, aber ob sie es können, das ist auch meine offene Frage, die
ich beantwortet haben will, entweder indem ich dich frage, die Sache
lerne, oder aber Fragen an die Versuchsleiter stelle.
>> Man könnte immer noch zeigen, daß bestimmte "Erregungspotentiale",
>> die vielleicht, wie man durch Befragung des Kandidaten herausfindet,
>> denn man sieht es den Potentialen nicht an, mit Lust und Unlust
>> korrespondieren, erfahrungsgemäß vor der Fingerbewegung
>> festzustellen sind.
>> Wäre das eine Widerlegung der Willensfreiheit? Daß unsere Handlungen
>> einiges mit Lust und Unlust zu tun haben und daß fast alles
>> erzwungen werden kann, wussten wir schon vorher. Undenkbar sind
>> Gegenbeispiele aber nicht und es gibt sie sogar tatsächlich, was für
>> die Geltung des Arguments aber nicht entscheidend ist. Allerdings
>> könnte man sich auch Gehirnstimulationen vorstellen (und es gibt sie
>> vermutlich auch tatsächlich), gegen die wir nichts tun können. Das
>> wäre dann ein ähnlicher Fall faktischer Unfreiheit wie der der
>> Fesselung oder des Einsperrens. Aber es sollte doch um prinzipielle
>> Unfreiheit gehen.
> Das mag alles gut gedacht sein, aber es berücksichtigt die Sprache
> der Versuchsanordnung nicht.
>> Das sollte doch mit dem Libet-Experiment gezeigt werden.
> Ob das stimmt, weiß ich nicht. Siehe die Geschichte in der Pdf an,
> dann siehst du, dass es erst einmal darum geht, wie der Aufbau der BP
> zustande kommt. Worum es mir geht, habe ich genau in der Mail von
> gestern geschrieben: "Dann interpetiere bitte du, Waldmar, oder
> jemand anders die Grafik des BP, dh. stelle die korrekte
> Beschreibung, das korrekte Wort an die jeweilige Position der
> Zeitlinie, denn darum geht es. Hierbei ist es nicht wichtig, ob diese
> Grafik mit dem Namen BP bezeichnet wird oder nicht."
>> Ähnliche Bedenken könnte man anmelden, wenn von prinzipieller, statt
>> von faktischer Freiheit die Rede ist. Soll mir doch mal jemand
>> beweisen, daß er rechts statt links hätte abbiegen können oder
>> umgekehrt. Was sollte man sich hier unter einem Beweis oder einer
>> Widerlegung vorstellen? Und verstehen wir, was behauptet wird, oder
>> sind es nur leere Worte, wenn wir nicht wissen, wie es bewiesen oder
>> widerlegt wird?
>> Frei sind wir m.E. in dem Sinn, daß wir bis zu einem gewissen Grad
>> und mehr als andere Tiere unsere eigenen Drehbücher schreiben können.
>> Und hier, bei der Verfolgung von Zielen in mehreren
>> Handlungsschritten unterscheiden wir auch immer zwischen Absicht und
>> Erfolg, weil so viel dazwischen kommen kann.
>
> Wie vor (Das mag ...). Übrigens bin ich selbst noch nicht über die
> pdf-Seite 14 hinaus gekommen. Einerseits ist es mir nicht so wichtig,
> andererseits ist hier ein wirkliches Problem, das vielleicht korrekt
> gelöst werden kann, sonst bleibe ich in deinem Beispiel gefesselt.
>
Wieder vielen Dank, Claus
Joseph Hipp
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