Am 09.11.2020 um 16:06 schrieb Ingo Tessmann:
Am 06.11.2020 um 03:15 schrieb K. Janssen via
Philweb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Wenn jedoch unumstößlich gelten sollte: "leben ist nur materie und sonst nix !“ dann
gibt es demnach nichts mehr zu erkennen, da „Materie“ (naturwissenschaftlich) hinreichend
definiert und erklärt ist (vom Phänomen der Dunklen Materie einmal abgesehen).
Hi Karl,
wie schon Newton anmerkte, ist unser Wissen nur ein Tropfen im Ozean des Unwissens.
Zu Newtons Zeiten ein Tropfen, in heutiger Zeit sicher einige
(hochinteressante) „Wissens-Tropfen“. Diesbezüglich nimmt Entropie ab :-)
Nicht nur Dunkle Materie und Dunkle Energie sind noch
unverstanden, auch das Universum außerhalb unserer momentanen theoretischen und
experimentellen Erkenntnisgrenzen ist noch ein Geheimnis.
Dennoch ist erstaunlich, welche großartige Erkenntnisfortschritte in der
Astrophysik seit Newton gemacht wurden.
Und das schönste Erlebnis ist ja die Begegnung mit
dem Geheimnisvollen, wie Einstein einmal hervorhob. Das gilt nicht nur für die äußere,
sondern auch für unsere innere Natur.
Und gerade eben auf diese „innere Natur“ wollte ich abheben, als ich
gegen Waldemars Killerargument, Leben sei nur Materie und sonst nix!,
argumentiert hatte.
Die „äußere Natur“ hingegen - dabei bleibe ich - ist hinsichtlich der
sie bildenden Materie hinreichend erforscht und erklärt.
Und nach wie vor ist die Begegnung mit der inneren Natur des Menschen
ein immer noch geheimnisumwobenes Erlebnis. Dennoch sind auch in dieser
Sicht auf den Menschen erstaunliche und signifikante Erkenntnisse zutage
gebracht worden und dieses nicht zuletzt durch Philosophie, wie auch in
den neuzeitlich hinzugekommenen spezifischen Forschungsbereichen der
Psychologie, Neurowissenschaften, Soziologie etc..
In der (inneren und äußeren) Natur gibt es also
weiterhin unendlich viel zu entdecken, im menschlichen Geist dagegen ist es allein die
Mathematik die den natürlichen Rahmen noch zu sprengen vermag. Unser Erleben und Reden
darüber ist extrem trivial und beschränkt und dreht sich seit Jahrtausenden nur im Kreis,
der sich kaum mehr aufzuspiralen scheint.
Hinsichtlich kollektiv wahrgenommener
(insbes. gesellschaftspolitischer)
Entwicklung der Menschheitsgeschichte sieht man tatsächlich kaum ein
Fortkommen. Der menschlichen Triebbehaftung geschuldet scheint sich
alles Geschehen im Kreis zu drehen (ewige Wiederkehr!). Das wäre
insoweit nichts als deprimierend, würde man nicht auch die
unzweifelhaften Fortschritte der Menschheit (immer nur wieder von
Einzelnen erwirkt; das hat alchemistischen Charakter: Edles scheidet
sich ab - es erhebt sich die Frage, wohin?)).
Bedenk nur mal den winzig kleinen Ausschnitt unseres
Empfindungsspektrums im Vergleich mit dem Ausdrucksreichtum der Natur oder unsere
Sprachbeschränkungen im Vergleich mit dem unendlichen Ausdrucksreichtum der Mathematik.
Ist das „sonst nix“ vielleicht nicht mehr als eine Epsilon-Umgebung oder eine Menge vom
Maß Null? Das, was wir mitunter darunter verstehen, scheint mir nicht mehr als eine
astronomische anthropozentrische Überheblichkeit.
Die Vermutung „astronomisch
anthropozentrischer Überheblichkeit“ möchte
ich nur insoweit teilen, als ich diese jenen Ansichten bzw. Aussagen
zuschreibe, wie ich sie zuletzt hier eingestellt habe:
„In einem Universum mit blinden physikalischen Kräften und genetischer
Verdoppelung werden manche Menschen verletzt, andere haben Glück, und
man wird darin weder Sinn und Verstand noch irgendeine Gerechtigkeit
finden. Das Universum, das wir beobachten, hat genau die Eigenschaften,
mit denen man rechnet, wenn dahinter kein Plan, keine Absicht, kein Gut
oder Böse steht, nichts außer blinder, erbarmungsloser
Gleichgültigkeit.“ (Dawkins)
Aus solcher Sicht ist die Begegnung mit Geheimnisvollem (hier also dem
Universum) wirklich kein „schönes Erlebnis“ sondern in dieser Diktion
schlichtweg anthropozentrische Überheblichkeit. Genau genommen ist es
hilflos, selbstgefälliger Ausdruck zufolge der zutiefst nicht
verstandenen inneren Natur menschlicher und darüber hinaus jeglicher
Existenz.
„Innere Natur“ kann ohnehin nicht aus pur logisch rationalem Denken
heraus verstanden und beschrieben werden, da derartige Denkmodelle das
anthropologische Spannungsverhältnis zwischen Natur und Kultur (Leben in
Differenz – wie ich es kürzlich nannte) nur unzureichend erfassen. Die
hierzu erforderliche Selbstobjektivierung resp. Selbstzentrierung (zum
Zentrum, also zur inneren Natur kommen) ist den meisten Menschen unserer
Zeit unmöglich geworden, da die üblichen Lebensumstände jegliche
Intuition, jede hinlängliche Instinktsteuerung unter sich begraben.
Insoweit wird und bleibt der Mensch ein „exzentrisches Wesen“,
entfremdet von seinem Zentrum und seiner inneren Natur.
Dessen unbeschadet gilt generell, dass der Mensch immer wieder um
Selbstzentrierung bemüht sein muss. Dieses gelingt aber nur aus einer
Art „Fremdsicht“ (wie ich zuletzt hier schrieb) und diese wiederum kann
nur aus dem „Schutzraum“ einer Kultur heraus erfolgen. Letztere jedoch
„verfrachtet“ ihn auch immer wieder in die Exzentrik unserer
Zivilisation. Das sind diese UPs and DOWNs des Lebens. So werden wir,
denke ich, gelebt von der Kultur.
"Wer - Wie - Was, Wieso -Weshalb - Warum“ war ja
mal das Motto einer Kindersendung. Nach dem Wer und Was wäre auch noch das Wie zu
bedenken; denn wie werden wir eigentlich gelebt von der Natur?
Gelebt von der Natur heißt m.E. gelebt sein von Geist und Materie. Da
gibt es hier noch beliebig Raum für Beiträge und entsprechende Diskussionen.
Mit bestem Gruß an dich und in die Runde! - Karl