Am 27.04.2022 um 01:21 schrieb Karl Janssen
<janssen.kja(a)online.de>de>:
Nun ja, Julian Barbours These von der Nichtexistenz der Zeit (The End of Time) geht im
Gegensatz zu Rovellis „Time does not exist“ tatsächlich soweit, ZEIT lediglich als
Illusion zu werten. Wenn er damit bisher ungelöste Probleme in der Physik umgehen will,
schafft er m.E. ein gravierend neues Problem! Nämlich vordergründig Existenz und
Gesetzmäßigkeit der Raumzeit ausser Kraft zu setzen.
Hi Karl,
auf den vielfältigen Wegen zur Quantengravitation ist die Zeit doch schon seit der
Wheeler-De-Witt-Gleichung von 1967 abhanden gekommen. Das Schema aus Carlos historischem
Überblick wirst Du wohl noch erinnern:
https://arxiv.org/pdf/gr-qc/0006061.pdf <https://arxiv.org/pdf/gr-qc/0006061.pdf>
Grundsätzlich sollten wir physikalische Theorien nicht anhand von Sachbüchern diskutieren,
auch wenn sie vom Urheber selbst stammen. Seriöser erscheint mir folgende Einführung
Barbours: "SHAPE DYNAMICS. An Introduction“:
https://arxiv.org/pdf/1105.0183.pdf <https://arxiv.org/pdf/1105.0183.pdf>
Gleichwohl lohnt ein philosophisch motivierter Blick in die Arbeit von Jeremy zur
Beantwortung der Frage: The End of Time?
https://arxiv.org/pdf/gr-qc/0103055.pdf <https://arxiv.org/pdf/gr-qc/0103055.pdf>
Nein, dieser These von Barbour kann ich wirklich
nichts abgewinnen, was aber nicht heissen kann, dass ich damit richtig liege.
Mir schien die Shape Theory genau richtig, um einmal wieder an die antike Formenlehre
anzuknüpfen. Du hattest ja ausdrücklich etwas zur Form geschrieben, Dich allerdings nur
beispielhaft auf die Lichtkegel in der RT bezogen. Deine folgenden Statements klingen
geradezu dogmatisch in mir nach:
Eines ist natürlich klar: Zeit kann nicht isoliert von
Raumzeit, also als eigene fundamentale physikalische Grösse gedacht bzw. beschrieben
werden.
Zur Beschreibung und sehr anschaulicher resp. eingängiger Darstellung von Zeit bieten
sich doch wirklich Minkowski-Diagramme und eben die Lorentz-Geometrie an.
Damit zäumst Du das Pferd von hinten auf, denn Einstein selbst war ja der
Auffassung, dass Wissenschaft lediglich hochstilisierter Alltag sei. Den Ansatz arbeitete
Lorenzen aus und folgerte, dass die Raumzeittransformationen lediglich dazu dienten,
unsere irdischen Laborbedingungen kompatibel mit den kosmischen Verhältnissen zu
gestalten. Ein dem alltäglichen Umgang mit den Dingen des Alltags genügender Ansatz ist
ein relationaler, den ich natürlich in Überstrukturen einbetten kann. Die erhalten aber
nur für den Strukturrealisten substanzielle Bedeutung. Den im Wandel registrierbaren
Unterschieden kann ein Zeitmaß zugeordnet und mit Uhren gezählt werden und ähnlich lassen
sich Längenmaße ja auf Abstände zwischen Dingen beziehen. Warum muss es so etwas wie Zeit
und Raum an sich geben?
Auf Selbstbezüglichkeiten durch Beobachter oder Computer bspw. stützt sich Smolin in
"Challenges to the arguments for the elimination of time“:
https://arxiv.org/pdf/gr-qc/0104097.pdf <https://arxiv.org/pdf/gr-qc/0104097.pdf>
Durch subjektivistische Interpretationen der Quantentheorie kommt natürlich wieder die
Zeitbezogenheit in die objektivistische Gravitationstheorie. Damit ließe sich die
Kosmologie zwanglos an die Medizin anschließen, wie es bereits Paracelsus vorschwebte und
Thomas es gerade wieder mit so etwas wie „Einformung“ umschrieben hat. Aber was ist bei
Dir, Karl, genauer mit „Form“ und bei Dir, Thomas, mit „Einformung“ gemeint? Ohne
verfeinerte Strukturierung, wie sie bspw. Barbour in seiner Shape Theory bzw. Formenlehre
vornimmt, bleiben es doch vage Andeutungen.
Ein anderes Formbeispiel wäre die Erdkugel mit ihrer sphärischen Oberflächengeometrie. Und
wie Raumzeit und Energie-Impuls im Universum könnten auf ihr Geographie-Historie und
Macht-Werte in der Menschheit miteinander zusammenhängen. Darüber sind aber — soweit ich
weiß — noch keine integrierenden Untersuchungen veröffentlicht worden. Lediglich vielerlei
Einzelstudien haben sich angesammelt, bspw. über den Einfluss des Klimas oder der
Bodenschätze auf die Kulturen und Zivilisationen.
IT