jh: „Warum ärgerst du dich über Waldemars Erklärungen, die eigentlich an mich gerichtet
waren, und über die ich mich sogar freute. Übrigens freute ich mich auch über die
Ausführungen von Ingo auf meine Fragen, die auf seine Fragen, obwohl ich die Grenzen immer
wieder sehe, bei mir, und bei anderen. Fragen und Sätze regen an, auch deine, Karl...“
Nun denn, dann wird es hier (wieder einmal von mir geschrieben) etwas länger. In einem
Forum wie eben auch philweb ist es ja gerade Sinn der Sache, auf Argumente einzugehen, um
nicht nur jeweils gegenseitigen, sondern allgemeinen Austausch von Meinungen zu haben.
Meinen geäußerten Unmut bezogen auf Waldemars immer wieder durchscheinenden Fatalismus
müsste ich ebenso nicht immer wieder zum Ausdruck bringen, wenn er endlich mal ein Stück
Lebensbejahung oder einfach nur etwas durchweg Positives hier vorbringen würde. Wie oft
soll man ihm noch bestätigen, dass die Welt, Menschen (aber auch seine verehrten Tiere)
nicht perfekt sind und es auch nicht sein können. Er selbst redet doch immer vom Werden
und Weiterwerden, was doch nichts anderes als einen fortwährenden Entwicklungsprozess
bedeutet, in diesem sich alles Leben und Sein unaufhörlich befindet.
Damit kann man selbstverständlich nicht die fatalen Negativismen dieser Lebenswelt
relativieren, von denen wir alle über beliebige Medien tagtäglich erfahren sowie auch jene
unmittelbar im jeweiligen gesellschaftlichen Umfeld. Da stellt sich die Frage, ob man sich
hier in philweb zusätzlich noch das Unglück dieser Welt vor Augen führen lassen will.
Wen sollte es wundern, wenn bei annähernd 70 Eingetragenen der Liste nicht nahezu jedes
Listenmitglied solche Mails einfach in den „Trash“ schiebt.
Dieses ständige Lamento nervt ebenso, wie der immer wieder aufflammende Disput, sobald ein
Thema in Richtung Religion, Metaphysik oder eben generell nicht-materielle Thematik geht.
Wenn in einem philosophisch orientiertem Forum natürlicherweise über Geist, Bewusstsein
u.ä. diskutiert wird, muss ein derartiges Thema doch nicht zwingend mit einem Gott oder
Religion assoziiert werden. Dennoch sollte akzeptiert werden, dass hier Argumente gebracht
werden, die von religiös geprägten Menschen (und das werde ja nicht nur ich unter 70 in
der Liste sein) in diese Richtung weisen. Von mir wird man hier zu keiner Zeit eine Art
Missionierung erfahren haben. Doch das ist alles schon irre oft von mir geschrieben
worden, übrigens auch ohne eine explizite und vor allem plausible Antwort darauf hier
vorgefunden zu haben.
Kurzum: philweb sollte (gerade in diesen Zeiten) kein „Kummerkasten“ sein und tiefergehend
auch nicht die Psychologen-Couch, um persönlich unverarbeitete Zerrissenheit (bezogen auf
Religion zeigt das Leonhard Cohen) zu therapieren.
Es geht auch nicht darum, einen „Mittelweg des Gott-Glaubens“ zu finden oder anzubieten:
Entweder man glaubt an einen Gott oder eben nicht; hier gilt tatsächlich „tertium non
datur“, da kein Mensch Wissen von einem Gott haben kann. Und dieser Glaube kann nur
zutiefst persönliche Angelegenheit sein, einerlei, ob Christen oder andere Glaubende das
Verbreitungsgebot ihrer Glaubensauffassung strikt befolgen wollen. Wer diesen Glauben
nicht in seinem Innersten hegt, sollte sich seiner Lippenbekenntnisse bewusst sein; sie
taugen nicht für eine wirkliche Beziehung zwischen Gott und Mensch, wie ebenso alle
verfassten (vor allem fundamentalistisch angelegten) Dogmen. So wird sich in modernen
Gesellschaften künftig auch nur eine Trennung von Kirche und Staat durchsetzen resp.
bewähren können. Dann können die einen ihre dümmlich-verächtlichen Erklärungen
hinsichtlich eines angenommenen resp. geglaubten Gottes, als einen der
„obersten-als-einzige haupt-erdachten“ sehen und „Jesusse“ „Halb Gespenst, halb Gott“ als
„Adaptern“ oder „Junktoren“ zwischen Mensch und Gott zum Besten geben, die anderen dessen
unbeschadet ihren persönlich gehegten Glauben leben und möglichst in einer von Meinungs-
und Glaubensfreiheit geprägten Gesellschaft für sich behalten.
Apropos Gesellschaften. Waldemar, Dein diesbezüglich zuletzt vorgelegtes Frauenbild gibt
zu denken:
wh: „(sexueller dimorphismus ist übrigens seine evolutionär ziemlich neue erfindung bei
nur sehr wenigen lebensformen bisher), während die weiber die ganzen lasten tragen, vom
austragen, übers gebären, bis hin zur aufzucht der jungen, alles allermeist
weiberaufgaben, dagegen ist "ja, die männer jagen aber das essen, und geben schutz
usw" fast nur eine müde ausrede fürs nichtstun,“
Hier solltest Du die zeitlichen Entwicklungsepochen und diesen entsprechend zugeordnete
Gesellschaftsformen beachten, wie sie etwa von Popper als zwei grundlegend verschiedene
Gesellschaftsmodelle beschrieben wurden. (Karl Popper: „die offene Gesellschaft und ihre
Feinde“)
Doch vielleicht sollte ich zunächst noch etwas näher auf Deine jüngsten Auslassungen
generell zum Wesen des Menschen eingehen, Waldemar:
Grundsätzlich denke ich, ist es schon hilfreich (eher sogar wichtig) dass der Mensch sich
seine Stellung im Geschehen der Lebenswelt immer wieder bewusst macht und sich dabei
zutreffend einordnet. Sofern er sich „als Krone der Schöpfung“ wahrzunehmen glaubt und
sich dann auch wie ein gekröntes Wesen auf dieser Erde aufspielt, wird es kritisch – für
die Umwelt, sein persönliches Umfeld, doch letztlich auch für ihn selbst.
Werden solchermaßen sicher zutreffende Fehleinschätzung resp. Selbstüberschätzung
einzelner Menschen jedoch auf auf den Menschen an sich gemünzt, ist das schlichtweg
unhaltbar. Das ist eben der Grund für meinen Widerwillen gegen Deine immer wieder
vorgenommene Verallgemeinerung der (zweifelsfrei existenten) Unzulänglichkeiten und auch
des verbrecherischen Tuns Einzelner wie auch bestimmter Cliquen in den verschiedensten
Gesellschaftsformen.
Die Lebenswirklichkeit erweist sich als sehr unterschiedlich und Du erwähnst dies ja,
indem Du einerseits auf das Dilemma der sozialen Ungleichheit, der Unterdrückung sowie
beliebig anderer Missstände hinweist und entsprechend brandmarkst, andererseits die davon
betroffenen Menschen in Deine fatalistische Generalabrechnung bezogen auf die Menschheit
generell mit einschließt. Konkret mutet das widersprüchlich an, wenn Du eben einerseits in
Fabriken schuftenden Menschen gleiche Löhne wie den Leitenden zahlen willst, andererseits
diese in prekären Verhältnissen lebenden und nicht selten (vornehmlich in sog.
Drittländern) elend vegetierenden Menschen in Deine verallgemeinerte, vernichtende Kritik
am Menschen pauschal mit einschließt.
Selbstverständlich gibt es von Grund auf schlechte Menschen in den verschiedensten
Facetten; der Löwenanteil der Menschheit entspricht jedoch definitiv nicht diesem Muster!
Und wenn Du auch zu denen zählen willst, die glauben, mit Frauen in Führungspositionen (in
Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft generell) wäre es um die Welt zu
wesentlichen Teilen besser bestellt, würde ich Dir ein sehr langes Leben (und Dich als
Hammel im Matriarchat) wünschen, um diesbezüglich eine sehr sichere Ernüchterung erfahren
zu können: Es geht eben nicht um Geschlechterrollen, sondern schlichtweg um Menschen und
deren spezifische Fähigkeit resp. Kompetenz zur Führung.
Demnach ist Deine Zuweisung der Geschlechterrollen in den Gesellschaften undifferenziert,
zumal mich Dein gezeichnetes Frauenbild schlichtweg nur irritiert.
Grundsätzlich beschreibt es die geschlechtsbezogene Rollenverteilung von frühen
geschlossenen Gesellschaften, wie bereits angeführt. Sie haben ihren Ursprung in den
nativen Stammesgruppen und bilden sich heute zumeist in ideologisch angelegten
Staatsgebilden wie dem Kommunismus, Sozialismus oder sog. Gottesstaaten, etc. wie auch in
kleineren Kollektiven als religiöse Sekten u.ä. ab.
Deine vorgenommene geschlechtsbezogene Rollenverteilung bezieht sich auf jene nativer
Stämme, wo die klar stärkere Physis der Männer diese eben als Jäger prädestinierte und
Frauen das Heimwesen (Unterstände, Hütten, Zelte, etc.) pflegten und für die Betreuung der
Kinder, Zubereitung von Nahrung verantwortlich waren. Diese Zuordnung hat sich weit bis in
die Zeit der Industrialisierung gehalten, wo Männer mit einer unzweifelhaft kräftiger
ausgebildeten Physis als Frauen (im Ruhrgebiet etwa - in den Kohleschächten) schufteten
und natürlich dann die Frauen das Heimwesen pflegten, zudem sie als Mütter ohnehin die
best denkbarsten Vertrauenspersonen für ihre Kinder waren. Mit „Heimchen am Herd“ hatte
das entsprechend wenig zu tun, denn es war eine zeitgemäß durchaus sinnvolle
Rollenverteilung, die sich heute nahezu (in einer völlig veränderten Arbeitswelt
unabhängig von „sexuellem Dimorphismus“) gänzlich verloren hat.
Alles Gezeter und Geschwätz um diese gesellschaftlich zu jeweiliger Epoche vorherrschende,
lebenspraktisch sinnvoll und zweckorientiert angelegte Rollenverteilung ist in der Tat nur
Geschwafel.
Erstaunlich in diesem Zusammenhang die generell erkennbare Diskrepanz bezüglich
geschlossener Gesellschaftsmodelle, wie diese sich vor allem im Kommunismus, Sozialismus
und klerikal-ideologisch ausgerichteten Kollektiven zeigt: Protagonisten, überzeugte
Anhänger sowie alle Arten Mitläufer streben die bestmögliche, ideale Gesellschaft an und
sind bislang doch immer (wie kürzlich schon angeführt) mit ihrem Gesellschaftsmodell an
der Lebenswirklichkeit gescheitert; auf dem Weg dahin werden von Regime-Verantwortlichen
und sonstige „als Bettler auf's Pferd gesetzte“ Gestalten alle nur erdenkbaren
Einschränkungen von persönlicher Freiheit, Schikanen, etc. erdacht und angewendet.
Dennoch bin ich überzeugt, dass derartige Gesellschaftssysteme, seien sie religiös
fundamental oder sonstig autokratisch angelegt, in kommenden Menschengenerationen
verschwinden werden und sich damit weltumspannend offene Gesellschaften etablieren werden
und dieses definitiv unabhängig von Geschlechterrollen, die es in hergebrachter Form nicht
mehr geben wird. Warten wir es ab – unglücklich nur, dass man sich in künftigen Leben
nicht mehr an selbst durchlebte Epochen erinnern kann; Man wird sich dann einer weltweit
angelegten „Akasha-Chronik“ (informationstechnisch gesehen als Josephs geschätzte
Wikipedia ausgeführt) bedienen müssen und wird ggf. wieder da und dort ein ungläubiges
Staunen und Lamentieren wahrnehmen, unter welch fatalen Bedingungen frühere Generationen
zu leben hatten.
Wie ebenso schon des öfteren von mir angeführt, könnte sich nach einem „General-Reset“
aller Gesellschaften dieser Welt ein irgendwo (auf der Arche Noah) gestrandeter Rest an
Menschlein entschließen, eine Weltregierung à la UNO zu gründen, die dann nicht mehr als
von Veto-Staaten manipulierter „Schwätzer-Verein“ fungiert, sondern eine echte
weltumspannende Regierung darstellt, die jeden - wo auch immer - aufkommenden
autokratischen Machtanspruch im Keim erstickt. „Träumen ist erlaubt“ heisst es und man
könnte sagen, Träume könnten sogar in Erfüllung gehen, wenn sie letztlich nicht der harten
Lebensrealität zum Opfer fallen.
Im Sinne Poppers muss davon ausgegangen werden, dass Menschen künftiger Generationen
weiterhin fallibel sein werden, zudem es in Lebensräumen wie dieser Welt nie die jeweilige
Ideallösung (zum Leidwesen der Ideologen und Träumer) geben kann. Es bleibt
notwendigerweise bei Optimierungsbemühungen, die vor allem durch unterschiedliche
Ansichten, Denkmodelle und Herangehensweisen sowie dementsprechendem Austausch (durchaus
im Disput) zwischen Menschen vorangebracht werden.
Dabei sollte immer bedacht werden, dass es totale Optimierung (wonach per definitionem
kein einziges Stellschräubchen mehr zu verändern ist) für „Werden-Systeme“ (Schma
Waldemar!) nicht geben kann. Christen schreiben diesen absolut optimierten Zustand einer
Göttlichkeit zu, alle anderen haben sich noch lange mit allen möglichen Thesen und
Theorien bezüglich einer angestrebten TOE herumzuschlagen. Jedem das Seine.
Bester Gruß in die Runde! - Karl