Am 23. Mai 2025 09:09:05 MESZ schrieb "Ingo Tessmann über PhilWeb"
<philweb(a)lists.philo.at>at>:
Am 22.05.2025 um 17:21 schrieb Claus Zimmermann
über PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
in beiden
Fällen handelt es sich um Satzwahrheit, egal ob es sich um einen Erfahrungs- oder einen
formalen Satz handelt. Ein Satz ist wahr, wenn er bewiesen wurde. Das kann durch Erfahrung
oder Ableitung erfolgen.
ok, so kann man sich ausdrücken, wenn man nicht vergisst,
dass man dann sehr verschiedenes unter einem Begriff zusammenfasst. (Die beiden
"Stämme des Wissens", wie Kant sagte, wenn ich nich richtig erinnere)
Moin Claus,
ich gehe nicht statisch von Wissen aus, sondern folge konstruktiv seinem
Herstellungsprozess; wie in der Wissenschaft, die Wissen schafft. Darauf bezogen, können
dann bspw. Wissensstämme unterschieden werden, gleichsam als Verzweigungen des einen
Stammes, der dem Alltag erwächst. Aber Kant war transzendentaler Idealist und knüpfte an
die philosophische Tradition an, nicht primär an den Alltag.
"Stämme der Erkenntnis" - Sinnlichkeit und Verstand - lautet das Zitat. Das soll
auch im Alltag vorkommen. "Anknüpfen" bedeutet ja nicht, nur über Bücher zu
schreiben und der Tradition nichts hinzuzufügen.
Das Zitat war ungenau und ich dachte auch nicht an das Resultat eines abgeschlossenen
Prozesses.
> Der Ausdruck „Regen“ ist ein invarianter
Abstraktor, der bezüglich äquivalenter Situationen, in denen es regnet, abstrahiert wird.
Dir sche „Erfahrung“ ein Zauberwort zu sein. Dagegen steht die These von der
Theoriebeladenheit der Erfahrung — oder wie Goethe sich ausdrückte: „Das Höchste wäre, zu
begreifen, daß alles Faktische schon Theorie ist.“ Aus den „Grundlagen einer
pragmatistischen Wissenschaftsphilosophie“ hat Tina Massing „Die Logik der Erfahrung“
herauszuarbeiten versucht:
Vielleicht stehe ich da auf dem Schlauch. Sagte Uli
Gneiting nicht sowas wie "schon die einfachste Erfahrung metapysiziert"?
Vielleicht dachte er dabei an Hegels "sinnliche Gewissheit" als erster Erfahrung
eines Neugeborenen, bei der von selbst, wenn man "darüber reflektiert", Subjekt
und Objekt "herausfallen". Meiner Meinung nach setzt das aber die
Körpererfahrung voraus als, wie mir scheint, unverzichtbare Voraussetzung, einen
Unterschied zwischen sich und der Welt zu machen. Die dann später gebildeten
Personalpronomina sind nicht metaphysisch, sondern diesseitig.
Ich denke dabei ebenfalls an den Körper und nicht an die Metaphysik. Das
Gedächtnis entsteht schon sehr früh, aber die Erinnerung daran reicht nur bis ins Alter
von etwa drei Jahren zurück. Dann sind Kinder längst heraus aus der Symbiose und haben
ihre Innenwelt von der Außenwelt abgegrenzt und nennen es später Subjekt/Objekt-Trennung.
Du denkst anscheinend an die pysiologische, nicht an eine logische Voraussetzung der
Unterscheidung. Wie wird unterschieden? Nicht dadurch, dass sich der eigene Körper so sehr
von allen anderen Gegenständen unterscheidet, dass man um eine Unterscheidung erst
praktisch und dann sprachlich gar nicht herumkommt?
Später kann man dann denken: wenn *ich* Bauchi habe, tut es anderen nicht weh. Und noch
später vielleicht annehmen, sich prinzipiell nur im eigenen Innenleben auszukennen und
über eine Aussenwelt nur spekulieren zu können.
Da Erfahrung nicht nur theorie-, sondern auch
subjektbeladen ist, halte ich für empirisch ja nur die Quantitäten. Je nach Wasserdichte
und Zeitmaß reicht die Spanne von Nebel über Nieselregen, Dauerregen, Regenschauer und
Starkregen bis zum Extremregen oder Wolkenbruch.
Die Qualitäten bzw. der Sinn
dafür wie der Farbsinn sind angeboren oder vielleicht auch im Lauf der Entwicklung
zugeflogen und können nicht gelehrt, sondern nur ausgebildet werden, oder? Sie sind das
Erfahrungsmaterial mit wechselnder (quantitativer) Intensität und Anordnung.
Und wie sind die Sinnesmodalitäten entstanden? Basis aller Sinnesempfindungen sind
Bewegungen, wobei mitschwingende Ladungen bereits optische und mechanische Schwingungen
koppeln. Zu sehen und zu fühlen ist das bspw. in der Kopplung von Wärmestrahlung und
-leitung beim Schmieden. In den Projektionszentren kommen die Sinneseindrücke in gleicher
Weise an und werden in gleicher Weise weiter verarbeitet. Das zeigt sich auch in den
Synästhesien, wenn bspw. mit Tönen auch Farben gesehen werden. Zudem integriert das
Bewusstsein alle Sinneseindrücke im Anschauungsraum des Erlebens. Diese
Integrationsleistung ist mathematisch nachvollziehbar und knüpft an die Bewegungsvielfalft
in den Sinnesdaten an, aus denen immer wieder invariante Muster entstehen, die eine
Orientierung in der dynamischen Sinnesfülle ermöglichen.
Das mögen die pysiologischen und mathematisch beschreibbaren Voraussetzungen sein, die die
Frage betreffen, wie es erfahrungsgemäss zustande kommt, aber nicht die, worum es sich
handelt oder was erfahrungsunabhängig vorauszusetzen ist. Sagst du ja auch. ("Wie
sind die Sinnesmodalitäten entstanden?") Die ganze Pysiologie ist
erfahrungsunabhängig nicht vorauszusetzen. Dass eine Erklärung nicht die Erfahrung
ersetzen kann schon.
> Ohne Befolgung technischer Regeln, ist keine
„Wolkenimpfung“ sinnvoll. Und die technischen Regeln folgen sowohl Erfahrungen als auch
formalen Regeln.
Man stellt sich aber nicht vor die Wolken wie der Lehrer vor die
Klasse.
Aber kann nicht auch der Pilot so unterrichtet worden sein?
Ich hoffe doch.
Claus
Ich meine
mit Satzwahrheit Satzbeweisbarkeit. In der Mathematik sind Beweise nur formal, in den
Realwissenschaften zudem experimentell zu führen.
Da scheinen sich unsere
Ansichten weniger zu unterscheiden als die Ausdrucksweise.
Wir scheinen wechselseitig in den Unterscheidungen und dem Zusammendenken
voneinander abzuweichen. Ich beginne methodisch mit Regelhaftigkeit und Beweisbarkeit,
sehe mich eher im Fluss als an den Ufern. Wissen haben wir nicht einfach, es ist der
Phylo- und Ontogenese folgend aus der Vielfalt der Ideen und Sinnesdaten erst durch Worte
und Zahlen herstellend nachzuvollziehen.
Was
Formalisten mit dem Aktualunendlichen meinen, geht implizit aus dem Formalismus hervor.
Konstruktivsten begnügen sich mit dem potentiell
Unendlichen, das ohne Axiome konstruierbar ist.
Dann könnte ich mir vorstellen,
dass dieser Formalismus mitsamt dadurch definiertem oder axiomatisch vorausgesetztem
Aktualunendlichen nicht dem der Umgangssprache entspricht, so wie der von Gödel bewiesene
Gott, wie hier gesagt wurde, auch nicht der der Religionen ist.
So sehe ich das auch; denn die Umgangssprache bleibt schlicht auf den Alltag
beschränkt. Das einzusehen, könnte umgekehrt dazu beitragen, keinen Ideologien mehr
einfach unreflektiert gläubig folgen zu müssen.
IT