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Am 21.04.2020 um 18:13 schrieb Ingo Tessmann
<tessmann(a)tu-harburg.de>de>:
Am 21.04.2020 um 02:54 schrieb K. Janssen via
Philweb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Doch ja, es bleibt dabei natürlich die Frage: über was sollte/wollte man
philosophieren? Antworten darauf können wir hier in Philweb hoffentlich
noch einige Zeit erörtern und ggf. auch finden.
Hi Karl,
das Leben in der Krise ist eigentlich Grund genug für das Philosophieren darüber. Während
die Ökologen jahrzehntelang eine nachhaltige Lebensweise einforderten, ist sie schlagartig
möglich geworden. Denn zeigt sich nicht gerade, was wirklich wichtig ist im Leben? Die
Gesundheit! Meine Oma pflegte zu sagen: „Jeder Wunsch wird klein, neben dem gesund zu
sein.“ Und darüber hinaus? Behausung, Ernährung, Trinkwasser und Strom. Nachhaltigern und
Eremiten reicht das zum Wohlsein. Und wer denkt da nicht an den in diesem Jahr gefeierten
Hölderlin, der sein halbes Leben im Turm verbrachte. Ich habe mir gerade einmal wieder
seinen Hyperion vorlesen lassen. Für Eremiten und Romantiker ist das Alleinsein ja
erstrebenswert und weit entfernt von beklagenswerter Einsamkeit. Um 1800 herum war das
Eremitentum ein vielfach bedachtes Thema, für den Tatmenschen aber wurde Oblomow im Zuge
der Industrialisierung zu einer Parodie der Selbstgenügsamkeit. Den Roman werde ich mir
wohl ebenfalls erneut vorlesen lassen. Und was liest Du zur Erbauung und Erheiterung?
Das Haus ist voller Bücher, ein Irrsinn! Und trotzdem brauche ich diesen, wie der Junkie
seinen Joint. Zur Erbauung könnte ich tatsächlich Hyperion lesen, es dem Heidegger
nachtun, der sich in seinen letzten Jahren darin vertiefte. Doch für mich braucht es dazu
eine bestimmte Lebensphase, nicht immer also kann ich mich damit abgeben.
Oblomow hatte ich vor einigen Jahren gelesen und war davon sehr angetan.
Derzeit lese ich zur Erbauung wenig, ebenso zur Erheiterung; viel mehr hingegen zur
Erhellung. Wie vor meiner Erkrankung hier schon geschrieben, habe ich Smolin und Rovelli
gelesen sowie zuletzt Tegmarks „Unser mathematisches Universum“. Interessant dabei (immer
wieder), welch unterschiedliche Nuancierungen bei den Übersetzungen aus der
Originalfassung zutage treten. Da gibt es noch eine Menge Fragen an Dich zu diesen Themen.
Zur genüsslichen Erbauung schaue ich u.a. gerne Susskinds Vorlesungen (Stanford) an und
auch mit Vorliebe die Physik- und Mathe-Tutorials von DrPhysicsA (auf Youtube zu finden -
da ich ungern online im Netz hänge, habe ich die Streams auf dem Server, von dem aus ich
das Zeug nach Belieben zum bequemen Lesen/Betrachten auf einen TV-Screen übertrage; so
hat das TV-Teil seinen Einsatz, da FS für mich kein Thema, eher Zeitverschwendung und
schon gar keine Erbauung ist.). Ansonsten liegen in allen Winkeln Bücher rum, in die ich
mich, je nach Bedarf und Lust, mehr oder weniger vertiefe. Meine Frau hat es
glücklicherweise aufgegeben, mich zur ständigen Wiedereinordnung dieser „Staubfänger“ in
die Regale zu bewegen:-)
Aber nun doch noch eine kleine Geschichte zu Büchern. Vor Jahrzehnten besuchte mich ein
Freund (der als junger Arzt schon genug mit Fachliteratur zu kämpfen hatte) zu Hause und
beschämte mich mit der Frage, was ich mit all den Büchern wolle, die er in allen Ecken zu
sehen bekam; man würde damit bestenfalls zum wandelnden Lexikon degenerieren. Eine Antwort
darauf hatte ich nicht parat; sie fiel mir ein paar Tage später ein: es ist die pure Lust,
in Resonanz mit den Gedanken diverser Autoren/Verfasser zu treten - immer dann, wenn man
dazu in geeigneter Stimmung ist, zu jeder Tages- oder Nachtzeit. Für mich meistens
letztere: tagsüber die nötigsten Arbeiten verrichten , nachts genüsslich in Büchern
stöbern und in Gedanken schwelgen. Zudem Bücher einem „zufliegen“ - immer zur rechten Zeit
und einerlei, ob aus dem Regal oder neu erworben. Irrsinn eben! Wie Eulen nach Athen
tragen, was aber nicht heißt, dass ich mich weise wähnte.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl