Lieber Karl, lieber Waldemar,
ich darf zum Thema Bewusstsein (und später zu unserer Definition von Information) zunächst
kurz einwerfen, was unser Mitautor Arbogast Schmitt hierzu denkt. Er findet das Konstrukt
„Bewusstsein“ erkenntnistheoretisch wenig hilfreich. Alles auf die vermeintlich klare und
bereits aus sich heraus, vom „Gegenstand“ her unterschiedene „Wahrnehmung“ zu verkürzen,
und diese als vermeintlich korrekt abbildendes Naturphänomen unhinterfragt zur Grundlage
der „Erkenntnis“ zu machen, sei verkehrt. (Descartes: perceptio clara et distincta.
Cogito, ergo sum -> Wahrnehumung und Erkennen als Beweis des eigenen Etwas-Seins…).
https://brill.com/view/book/edcoll/9789004501881/BP000014.xml?language=de
<https://brill.com/view/book/edcoll/9789004501881/BP000014.xml?language=de>
Rezension zu: Arbogast Schmitt, Denken ist Unterscheiden. Eine Kritik an der Gleichsetzung
von Denken und Bewusstsein (Studien zu Literatur und Erkenntnis, Band 18), Heidelberg
2020, 239 Seiten
"Die Präferenz, die Wahrnehmung gegenüber dem Denken als konstitutiv für die
Gegenstandserkenntnis zu betrachten, gilt aber schon Aristoteles als defizitär. Von
Parmenides bis Aristoteles findet man dagegen kritische Reflexionen des Denkens auf sich
selbst, auf „die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit das Denken überhaupt etwas
erkennen kann.“(16) In ihren Reflexionen arbeiten Platon und Aristoteles he-raus: Wer
etwas zu erkennen sucht, sucht auch genau ein bestimmtes Etwas zu erkennen.[…] Erkennen
meint also: etwas möglichst genau und von dem her, was es zu einem Etwas macht, zu
erkennen.(17) Denken ist für Aristoteles ein „Unterscheiden“. Es ist die Voraussetzung des
Denkens überhaupt „weil man etwas als für sich unterscheiden muss, bevor man es zu anderem
in irgendein Verhältnis setzen kann.“(17) Bei allem Wahr-genommenen weiß man erst dann,
mit welchem Gegenstand man es zu tun hat, wenn man „an den jeweiligen Materien und deren
Form erfasst, welche besonderen Möglichkeiten oder Vermögen sie verwirklichen.“(18)"
—> Das bloße Aufscheinen in der Wahrnehmung / im Bewusstsein (das bloße „einen
Gegenstand Repräsentieren“) ist erkenntniskritisch nicht genug. Man muss das, dem
unterstellt wird, in der Verwirklichung (dem Anschein, der Wahrnehmung) ein
unterscheidbares Etwas zu sein, erst in der Beobachtung, im Experiment, in der Erprobung
auf den Grund gehen, und darüber in Erfahrung bringen, was der Erscheinung und ihrer
Beständigkeit und Wiederholbarkeit auch in der Wahrnehmung als Beständigkeits-Lieferndes
zu Grunde liegt (die zu Grunde liegenden Möglichkeiten oder Vermögen, lateinisch die
potentia, die als Akt verwirklicht wird).
„Wahrnehmung" erfolgt als Vollziehen, in actu, sie setzt kein gesonderes
Wahrnehmungsorgan voraus. Denken ist Unterscheiden, und Unterscheiden kann auch ohne
Denken, ebenfalls als integraler Teil des „bloßen“ Vollzugs, in actu erfolgen. Messung
erfolgt ebenfalls im Vollziehen, der Vorgang selbst dem Abgleich mit anderem Vorgehen, und
dem erfolgenden Einarbeiten in das eigene eweitere Vorgehen.: Messung und damit als
jeweilige Auslösung eines von Information gesteuerten Wechselwirkungsprozesses …
Somit geschieht as aufeinander einwirkende, sich aneinander abarbeitende Interagieren ohne
gesondertes, in eigener Instanz verwirklichtes Wahrnehmen, ohne Bewusstsein, und ohne
Denken.
Das Wundersame ist dann nicht ein unterstelltes Bewusstsein, sondern, dass es ein im
Vermögen, - in der jeweiligen zu Grunde liegenden Potenz liegendes - unterscheidbares,
identifizierbares Etwas-Sein als Kohärieren überhaupt gibt. Das „Wunder“ des
Zusammenhängens, des Strukturiertseins überhaupt.
Die Schritte, die vom bloß vermuteten „naiven“ Wahrnehmen zur Verifikation der
Ausgangshypothese führen hat wiederum unserer weiterer Mit-Autor FF. Bevier in seiner
Arbeit als 7-Schritt-Evaluation dargelegt. Sie wird im Wikipedia-Beitrag zum Begriff der
Information als „nicht anerkannte Definition“ zitiert:
Aus Wiki Information
https://de.wikipedia.org/wiki/Information
<https://de.wikipedia.org/wiki/Information>
Modelle[Bearbeiten
<https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Information&veaction=edit§ion=13>
| Quelltext bearbeiten
<https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Information&action=edit§ion=13>]
Das Wesentliche an Information ist die Eigenschaft, Veränderungen im empfangenden System
hervorzurufen. Da es bislang keine anerkannte einheitliche Theorie der „Information“ gibt,
sondern lediglich unterschiedliche Modelle, steht eine eindeutige Definition des Begriffs
„Information“ noch nicht zur Verfügung, wenngleich auch eine nicht anerkannte
Definition[12] <https://de.wikipedia.org/wiki/Information#cite_note-12> bereits zur
formalen Beschreibung des Experimentiervorgangs führen konnte.[13]
<https://de.wikipedia.org/wiki/Information#cite_note-13>
13: 7-Schritt-Evaluierung (via Index am Ende des PDF; 3,4 MB)
<http://www.infomath.bussole.de/Texte/Xpublic0_2012.pdf> Bevier FF, bussole
InformationsVerlag, 1999/2012
20: Bussole.de <http://bussole.de/>: Die Definition der Information und die Folgen
<http://www.bussole.de/html/DefInf.htm>
Aus Zitat 13 =
http://www.infomath.bussole.de/Texte/Xpublic0_2012.pdf
<http://www.infomath.bussole.de/Texte/Xpublic0_2012.pdf>
Ich hatte ihn so lange mit Fragen gelöchert, bis er diese Ergänzung seines Modells
entwickelt hat. Seine Danksagung darin (Die mengentheoretische Beschreibung von
Informationserfassungsprozessen wie Experimenten (7-Schritt- Evaluierung) oder der Fläche
wäre ohne die Unterstützung von Herrn Dr. Dr. Thomas Fröhlich niemals niedergeschrieben
oder ausformuliert worden.) überschätzt meinen Beitrag dazu - es war einfach eine gute
Zusammenarbeit, und ich bin umgekehrt ihm, FF Bevier außerordentlich dankbar für seine
Geduld mit mir physikalischem Laien.
Liebe Grüße und sorry für die Überlänge!
Thomas
Am 17.06.2022 um 03:20 schrieb K. Janssen
<janssen.kja(a)online.de <mailto:janssen.kja@online.de>>:
Am 16.06.2022 um 05:31 schrieb waldemar_hammel:
lieber karl,
es ist mir schon klar, dass du aufgrund der dir eigenen "übernatürlicho-philie"
statt explizit auf "gott" implizit zu diesem gelangen willst, indem du
"geist" mit einem universellen vor-bewusstsein (UVB) assoziierst.
ich würde deshalb vorschlagen, irgendeinen nachweis/beweis/argumente für ein UVB oder UB,
oder wenigstens wege zum nachweis vorzubringen, oder die sache (occams razor)
fallenzulassen.
aber wenn, dann bitte kein kreationistischer argumentations-ansatz ...
zudem kann man, ein UVB/UB voraussetzend, quasi die ganze welt damit "covern",
"envelopisieren", in dieses gedankenkonstrukt hineinpacken als
"universalargument" = für alles gültig
Du sprichst hier völlig zutreffend das Grundproblem unseres Diskurses an: Es ist
gleichermaßen wie bei meinem Gedanken-/Meinungsaustauschs mit Ingo die grundsätzlich
unterschiedliche Auffassung von „Gott und Welt“, also schlichtweg diesen sich im Kern
entgegenstehenden Weltsichten (positivistisch vs idealistisch) geschuldet, dass wir bei
der Erörterung von weltanschaulich geprägten Themen nie zu einem Konsens kommen werden.
Nun, das muss ja auch nicht sein und daher stellt sich die Frage, ob man angesichts dieser
fundamentalen Gegensätze überhaupt weltanschaulich geprägte Themen hier diskutieren
sollte, denn es läuft – wie von Ingo stets heftig kritisiert – auf die immer gleiche
Argumentation und damit auf leidige Wiederholungen hinaus.
Trotzdem bin ich der Meinung, dass es lohnenswert ist, sich derartigen Themen immer
wieder auf‘s Neue zu nähern, weil sich bezüglich eigener fixierter Ansichten immer auch
die Möglichkeit auftut, diese neu zu überdenken und ggf. zu korrigieren. Jedes
Gegenargument zur eigenen Position (je provozierender - bei gebotener Fairness - desto
mehr) ist potentiell dazu geeignet.
Ein Thema zwischen uns haben wir allerdings aus gutem Grund abgehakt: Die Frage nach
einem Gott. Ganz offensichtlich zwecklos, Dir zum wievielten Male erklären zu wollen, dass
ich einem anthropomorphen Gottesbild längst „entwachsen“ bin, demnach wahrlich weder
explizit noch implizit (wie Du es annimmst) diesem Bild entsprechend zu einem Gott
gelangen will. Allerdings habe ich Dir solches Ansinnen zugeschrieben und ich bleibe
dabei, dass sich hinter Deiner positivistisch-wissenschaftlichen Fassade ein ganz
persönlicher Gottesbezug verbirgt, den Du hier als den klassisch jüdischen beschrieben
hast. Zudem bist auch Du Idealist, nur sind Deine Ideale nicht unmittelbar mit meinen
vergleichbar. Du scheinst eher an ethischen Idealen orientiert zu sein, die sich
vornehmlich an Handlungsmaximen von Vernunft und gesellschaftlicher Verantwortung
ausrichten, was Deiner zur Schau getragenen Misanthropie entgegen zu stehen scheint, doch
diese ist ebenso Fassade.
Natürlich sind genannte Ideale auch meine, doch darüber hinaus (eben in
"übernatürlicho-philie" hinein reichend) stehe ich dem philosophischen
Denkansatz nahe, der sich aus dem griechischen „idea“ als Urbild ableitet und daher rührt
selbstredend auch meine Präferenz für v. Weizsäckers „Ure“. Warum sollten diese nicht als
"Informations-Atome" aufgefasst werden können? Dieses zu einer Zeit (1960er
Jahre), als C.F. von Weizsäcker seine diesbezüglichen Vorstellung in „Die Einheit der
Natur“ zusammenfasste, was notwendigerweise (wie bereits angeführt, vornehmlich in einer
positivistisch orientierten Wissenschaftswelt) vergleichsweise spekulativen Charakter
hatte und demnach besonders heftig aus der Skeptiker-Szene heraus bis heute (in meist
selbstgefällig arroganter Weise) angegriffen wird. C.F. von Weizsäckers Denkansätze also
generell als „Kategorienfehler“ oder gar als „Unsinn“ und großspurige Attitüde abzutun,
könnte sich letztlich – die benannte Attitüde betreffend - als auf Dich, Waldemar, gemünzt
verkehren.
Jahrzehnte nach C.F. v. Weizsäcker zeigen nun experimentell bestätigte Erkenntnisse, dass
Information sehr wohl ein wesentlicher Grundbaustein der Welt ist; Wohlgemerkt ein
Grundbaustein und nicht notwendigerweise Grundgröße der Natur schlechthin. Mit Zeilingers
Arbeiten zur Quanten-Teleportation wurde gezeigt, dass Information mit QM in Verbindung
gebracht werden kann.
Es mag verwundern, angesichts der bislang vorherrschenden Ansicht, im Gegensatz zur
Information eines klassisch physikalischen Systems jene eines Quantensystems (QS) in
Superposition nicht kopieren zu können („no-cloning theorem“), dass mit Zeilingers
Experiment die Herstellung einer exakten Kopie eines QS gelungen ist. Dabei kommt das (von
Hardcore-Materialisten verständlicherweise - im Einklang mit Einstein - als Spuk
angesehene) Phänomen der Verschränkung von Quanten (im a. Experiment Photonen) zum
Einsatz. Es wurde dabei das originale QS spezifisch eigenschafts- und somit
informationslos „als Ganzes“ übertragen, was man sich im übertragenen Sinn als Transport
von Eigenschaftensummen in einem Container vorstellen kann. Damit ist das „no-cloning
theorem“ nicht verletzt, denn es handelt sich nicht um einen Kopierprozess „bit by bit“
resp. als übertragene Folge von Qbits, sondern um eine geschlossen vollständige
Informationsübertragung.
Alleine schon dieses Experiment zeigt, dass Quantenphysik sehr wohl mit Information in
Verbindung steht (und vice versa), genauer mit Zeilingers Worten ausgedrückt:
„ Es stellt sich letztlich heraus, dass Information ein wesentlicher Grundbaustein der
Welt ist. Wir müssen uns wohl von dem naiven Realismus, nach dem die Welt an sich
existiert, ohne unser Zutun und unabhängig von unserer Beobachtung, irgendwann
verabschieden.“
Das heißt nichts anderes, als dass Bewusstsein resp. Bewusstwerdung (im Kopenhagener Sinn
der QM) als Beobachtung/Messung und damit als jeweilige Auslösung eines von Information
gesteuerten Wechselwirkungsprozesses zu sehen ist, der - bezogen auf den qualitativ
prozessualen Zustand (Eigenschaftensumme einer in der physikalischen Realität (Makrowelt)
vorliegende Gegebenheit – auf diese einwirkt. Information als Träger und Getragenes. Somit
ist (informationstragendes) Bewusstsein wirkende Realität.
Daraus wird man (sofern man nicht durch pur materielle Sichtweise daran gehindert ist)
ersehen können, dass Information ein komplexes, an Bewusstsein gebundenes, prozesshaftes
Objekt von Wechselwirkungen (selbstredend gleichermaßen in Makro- und Mikrowelt) ist.
Soweit für den Augenblick!
Bester Gruß! - Karl
PS: Deine nachfolgend angeführte Argumentation wurde bereits von Thomas aufgegriffen und
entsprechend beantwortet.
Erstaunlich für mich, dass ein Physiker (aber
eben auch Philosoph) wie R.v. Weizsäcker mit seiner Ur-Hypothese überhaupt im
positivistisch dominierten Wissenschaftsbereich hinlänglich akzeptiert wurde.
Ich war jedenfalls angetan (nicht nur) von seinem Informationsbegriff, wonach er -
bezogen auf die Quantenmechanik - von logisch kleinsten Objekten (Ure) ausging, diese als
„Informations-Atome“ definierte und damit Materie und Energie (Einsteins E=mc^2 ) als
Manifestationen von Information ansah. Damit komme ich nochmal auf Wheeler und sein
Postulat von den „Ja-Nein-Entscheidungen“ der Natur zurück: Ur-Alternativen stellen den
Informationsgehalt möglicher Ja/Nein-Entscheidungen dar und damit ein bit (Quantenbit)
quantentheoretisch potentieller Information.
der haken daran ist, dass natura garnicht ja/nein entscheidet = indem aus jeder
wechselwirkung "ein feuerwerk" von potentiellem, von möglichkeiten resultiert,
aus denen dann erst eine folgende ww eine
der möglichkeiten herauspickt und damit verwirklicht
als zahlenbeispiel wäre das etwa: 2+3 = {1,2,3,4,5,6,7,8}, und erst eine nachfolgende ww
pickt daraus "5 mit effee nach 2,5" als zu realisierendes heraus, blödsinn?, nö,
zb scheimpilze "rechnen" so
(von mir "thermodynamisches rechnen" = "wechselwirkungs-rechnen"
genannt)
und noch was: qm in irgendeiner weise mit dem "informations"begriff
zusammendenken/vermischen zu wollen, dürfte ein sog "kategorienfehler" sein =
hat garnichts miteinander zu tun
* auch ich habe mich seinerzeit auf weizsäckers "ure" gestürzt in der erwartung
"erleuchtungen" zu finden, habe das ganze aber sehr schnell als unsinn zur seite
gelegt, "schnellschuss", und "informations-
atome" = da wollte jemand granz schlau sein, weizsäcker als neuer demokrit oder
ähnlich.
Nun liesse sich hier sofort weiter sinnieren:
natürlich gehe ich mit Hameroff/Penrose davon aus, dass Informationsverarbeitung im Gehirn
nach quantenmechanischen Prinzipien abläuft. Doch dazu ggf. später.
das ist doch eine binsenweisheit, weil niemand bestreitet, dass alles in natura an der
basis = untere ebene, nach qm-prinzipien abläuft, das erklärt aber nicht, was ebenen
darüber abläuft, neurone, synapsen,
usw = wie kommt man von quantität zu qualität ? (und vice versa) => shannon/weaver
syntaktische, quantitative info-theorie, bis heute keine semantische = qualitative in
sicht, die wir brauchten, um wechselwirkungen
"informationell" zu modellieren
wh.
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