Am 05.11.2021 um 14:04 schrieb K. Janssen:
Wenn Menschen „wirkliche Wirklichkeit“ in ihrer schicksalhaft
determinierten Konsequenz erkennen könnten resp. müssten, wäre kein
Leben in der uns gegebenen Art möglich. Welche Mutter könnte auch nur
einen Moment weiterleben, wenn sie prädiktiv Kenntnis vom Tod ihres
Kindes durch einen Unfall hätte. Somit ist es eine weise Fügung der
„Natur“, dass Menschen über kein absolutes Wissen verfügen und damit
die „wirkliche Wirklichkeit“ nicht wahrnehmen können.
Die dem Menschen nicht ermöglichte Sicht auf „die wirkliche
Wirklichkeit“ ist demnach kein Grund, dieses als Malum in se zu bedauern.
(1) "schicksal" entzaubert (ich habs schön öfter beschrieben), ist ein
pseudo:
immer, wenn mindestens 2 ablaufebenen der wirklichkeit zusammen
verkoppelt sind, sodass eine ebene abläufe der anderen mitbestimmt, und
wir eine ebene der zwei nicht einblicken können,
geschieht auf derjenigen ebene, die wir einsehen/erleben nicht nur aber
auch scheinbar völlig überraschendes = "schicksal", weil wir eben die
zweite, auf die erste ebene rückkoppelnde ebene,
nicht einsehen können
beispiel:
ebene 1 = mir fällt ein ziegel auf den kopf, tot, nur scheinbar
"schicksal" (im üblichen sinn)
ebene 2, mit ebene 1 verkoppelt, aber für mich nicht einsehbar: der
ziegel muss sich vorher auf dem dach eine halbe ewigkeit lang gelockert,
verschoben, usw haben, ehe er fallen konnte,
also bestand mein vermeintliches "schicksal" in wahrheit daraus, das ich
die abläufe auf ebene zwei nicht mitbekam, die dann ablauf ebene 1 = der
ziegel fällt, erst ermöglicht hat
(2) dein argument mit der mutter ist unsinnig, weil die unmöglichkeit,
"wirkliche wirklichkeit" erkennen zu können, nichts damit zu schaffen
hat, ob eine mutter präkognitiv in die zukunft schauen
kann, oder nicht (sie kann natürlich nicht, auch nicht, wenn sie
wirkliche wirklichkeit erkennen könnte, weil (jetzt kommt wieder der
planckstaub-hammel) die zeitraumkomponente als
eigenschaft in den wechselwirkenden eigenschaftensummen mir drinsteckt =
diese welt völlig ereignisoffen abläuft = deshalb gibt es keine
möglichkeit, auch nur 1 mikro-mikro-mikrosekunde
in "die zukunft" zu schauen/ ausser, wenn es um gepfadete ww's geht,
aber auch dann kann man nur immer ganze spektrale ensembels von
zukünftigen möglichkeiten voraussehen,
nie ein einzelnes event)
Beispielhaft zur Autopoiese: Es steht doch außer Frage, dass
diesbezügliche Arbeiten von Varela, Maturana et al. wertvolle Beiträge
zur Theorie autopoietischer Systeme waren und überdies in ihren
grundlegenden Aussagen unbestreitbar zutreffend sind.
Kritisch dabei ist eher, dass diese Thesen besonders von den
Sozialwissenschaften in der Art eines dogmatisch-neurobiologischen
Gesellschaftsspiels rezipiert wurden und vornehmlich von Protagonisten
des NewAge der 1970er Jahr als vermeintlich epochaler
Paradigmenwechsel aufgesogen und zur (Ersatz-)Religion erhoben wurde;
diese solchermaßen glorifizierten Denkmuster halten sich bis heute
persistent in Kreisen von Esoterikern und Naturaposteln, wie leider
auch in diversen realitätsfernen akademischen Elfenbeitürmen. Das gilt
dann auch für die daraus abgeleiteten Annahmen des Konstruktivismus,
wie das (längst nicht nur) von H.J. Niemann ausgeführt wurde.
Es war v.Foerster selbst, der die boulevardesken Auslegungen seiner
(bisweilen ebenso auch durch ihn selbst hemdsärmelig interpretierten)
Thesen in der ihm typischen Art kommentierte. Dazu möchte ich
tatsächlich einige Sätze aus den berühmt gewordenen Interviews, die
A. Müller mit ihm geführt hat, zitieren:
/Heinz von Foerter (HvF): „Ich bin Anti-Ist. Ja, das ist mein Ismus.
Wann immer jemand sagt, Heinz, wie hältst du es mit dem
Konstruktivismus, da sage ich, ich möchte mit dem nichts zu tun haben.
Ich habe keine Ahnung, was Konstruktivismus ist.
AM: Nur deine Artikel stehen in den Textbüchern des Konstruktivismus.
HvF: Ja, ja, genau. Ich habe versucht, meine Ideen vorzutragen, aber
nicht unbedingt als Konstruktivist. Man kann über Objekte sprechen,
man kann über Meinungen sprechen, über Beobachtungen, über dieses
und jenes sprechen, aber den Ismus, den möchte ich vermeiden. Und
diese Haltung, solche buzzwords oder catchwords zu vermeiden, liegt in
folgender Vorsicht. Sobald ein solches Schlagwort auftaucht, weiß
jeder, wovon geredet wird. Man braucht also nicht mehr zuzuhören, weil
jeder schon weiß, das ist ein Konstruktivist. Wenn ich vermeide, ein
Konstruktivist genannt zu werden, dann müssen die Leute fragen, ja,
was sind sie dann? Dann können wir einmal darüber reden, jetzt hört
vielleicht einer zu! Aber wenn ich sage, das ist ein Konstruktivist,
können wir uns ja alle schlafen legen und sagen, das weiß ich ja
sowieso schon, was der redet: Die Welt ist erfunden, es ist alles
nicht vorhanden, es gibt keine Realität, und diesen Blödsinn, den
brauchen wir ja nicht mehr anzuhören, denn das haben wir ja schon
fünfhundertmal von anderen Idioten gehört“ ./
Von Foerster wendet sich offenkundig gegen die vielfältigen
(ideologisch gefärbten) Vereinnahmungen von durchaus berechtigten,
bezüglich des Konstruktivismus diskutierten Fragen, [ ... ]
ich sagte und sage doch dasselbe:
(1) die überstürzte und deshalb auch weitgehend falsche/unrichtige bis
absurde vereinnahmung der RK durch sozialwissenschaften (beispiel:
luhmann) und aber auch viele andere ist eine wahre crux,
die sehr viel kaputtgemacht hat
(2) und gerade auch ich bin ein feind aller "...ismen", schon rein
sprachlich, weil das so gut wie immer sofort in ideologien ausartet,
deshalb auch finde ich den begriff "RK" in todo sehr unglücklich
gewählt, denn (a) ...ismus, und (b) erscheint mir das wort "radikal"
darin so unmotiviert, wie es andererseits leute verschreckt, denn ich
wüßte nicht was daran radikal im wortsinn sein sollte
Somit relativiert resp. reduziert sich HvF's Aussage über Wahrheit
(als die Erfindung von Lügnern), auf eine ihm offensichtliche
innewohnende Aversion vs. Ideologien.
ja, und grund: es gab und gibt in diesem bereich (geistig, kulturell)
kaum je schädlicheres, geist- und mensch- verderbenderes, als das
prinzip "ideologie", und trotzdem schießen sie
immer wieder auf wie pilze im wald, alte, neue, mikroideologien, usw =
die leute "besaufen" sich daran, genau wie an alkohol, und fast keine
ist zu billig, als dass sie nicht anhänger fände
Eine (durchaus amüsante) Überleitung von HvF‘s eigener Zuschreibung
als Anti-Ist auf Deine, Waldemar, typenpsychologisch angelegte
Entwicklungskette wäre demnach:
Ideal-Ist –> Kommun-Ist –> Sozial-Ist –> Konstruktiv-Ist –>
Nihil-Ist –> Anti-Ist;
Immerhin also bist Du nicht „Leere“ sondern B-Ist.
deine einschätzung zu mir stimmt durchaus bis "sozialist",
"konstruktivist" ist aber eine andere ebene, nihilist bin ich garnicht,
und anti bin ich nur, wenn mir halt
etwas "nicht schmeckt", wie zb descartes, oder platon, oder heidegger
(den ich immer als unappetitlichen älteren herrn fantasiere, der sich in
parks und der nähe von
kinderspielplätzen herumtreibt = so wurde julius streicher, der hrsg und
chefschreiber des "stürmer", in nürnberg beschrieben),
und anti-ist nö, ich bin selbstreferenter aber nie-selbstidentischer
händler in sachen planckstaub, und muss als solcher "sein"
du, karl, bist von mir aus gesehen ein irgendwie unverbesserlicher
idealist im besten fast "old fashioned style", und das schätze ich an
dir auch,
dir zuzuhören kommt mir oft, im guten sinn, "nostalgisch" vor = "es
erinnert mich, ahnt mich"
du bist irgendwie so, scheint mir, wie ich wäre, wenn mir das schnöde
leben nicht dazwischengekommen wäre, deshalb hast du meine sympathie ...
wh.
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