Am 20.03.23 um 10:03 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb:
Du hattest zu viele Fragen gestellt, so dass ich mich
allgemein hielt.
Über Entdeckungen, Erfindungen, Kreativität lässt sich endlos
schwadronieren. Wesentlich für sie sind die Einfälle durch
Gelegenheiten und Kognitionen. Soviel zur Inspiration, es dominiert
aber die Transpiration. Mathematische Beweise oder musikalische
Kompositionen müssen ausgeführt werden!
Von der Transpiration kann ceteris paribus abgesehen werden, von ihr
wird und kann abgesehen werden. Insbesondere wenn andere transpirieren
sollen ... und schon habe ich dich auf meine Seite gezogen. Ich meine
damit, dass du, und alle hier in Philweb sich bemühen, also Kraft
aufwenden. Das Schwadronieren bedarf anscheinend so viel Kraft wie das
Gegenteil davon, woran jedoch gezweifelt werden kann. Schon wenn jemand
sagt: "bleib bei der Sache" hat er ihn schon irgendwie aufgefordert,
sich doch etwas mehr zu bemühen und sich nicht gehen zu lassen. Aber
unter so ideal funktionierenden Personen wie bei dir, Karl, Waldemar und
der anderen ist doch ersichtlich, dass sie sich alle bemühen. Wegen
alledem kann im Gespräch davon abgesehen werden. Sonst könnte hinter
jedem Satz stehen: "Bemüh dich doch, ihn zu verstehen", statt "Amen",
oder einfach nur einem Punkt.
Die Wörter, die du oben angibst, habe ich selbst eingebracht, es geht
mir jedoch nicht um diese, und schon gar nicht, sie zu periphrasieren
oder zu paraphrasieren oder dies tun zu lassen. Ich suche ständig nach
besseren Wörtern, weil ich mit den vorhandenen unzufrieden bin. Ein
Beispiel: Ich suchte, wie und wo das Wort Konstruktion gebraucht wird,
nachdem ich lesend merkte, wie sehr es den (ich nenne sie mal:)
Evolutionsbiologen darum geht, herauszufinden, wie Tierarten sich
phylogenetisch änderten. Sie kommen nicht umhin, das Wort Rekonstruktion
zu verwenden. Dann dachte ich: Wenn eine Rekonstruktion schon versucht
wird, muss eine Konstruktion möglich sein. Wer sucht, der findet, mit
dem Wort Konstruktion soll dann sofort an Haus- und Brückenbau gedacht
werden. Oder ich finde schnell selbsternannte Experten von
Rekonstruktion, sogar rationaler Rekonstruktion. Das alles hilft mir
nicht viel. Wer nichts konstruieren kann, wie kann der rekonstruieren?
Ludwik Lejzer Zamenhof stellte seine Plansprache her. Das Wort
Konstruktion hat leider die Zweideutigkeit in sich, weil damit die
Handlung wie auch das Resultat der Handlung bezeichnet werden kann. Nach
alledem müsste ich oder jemand anders eine Definition von Konstruktion
hergeben. Und wenn dann Bausteine und Regeln und noch viele mehr für die
Konstruktion gebraucht werden, dann wäre es sinnvoll, dass derjenige,
der sich an die Rekonstruktion wagt, erst mal Konstruktion lernt. Es
kann dabei teils von der Zeit abgesehen werden, etwa wenn ein Text aus
den vorliegenden Kenntnissen entstehen oder verstanden werden soll.
Konstruktion hat in dem Sinn nichts mit Mechanizismus zu tun. In der
Folge entsteht die Frage, ob denn das möglichst vollständige Wissen zu
Mathematik, auf Papier gebracht, so eine Konstruktion ist, und weil du
dich auskennst, kannst du diese Frage beantworten. Das Projekt Bourbaki
ging schließlich in diese Richtung. In der Folge können sich viele
Fragen stellen, präziser als ohne Definition von Konstruktion. Sicher
kann auch dazu schwadroniert werden, das ist klar. So kann eine Person
als eine Art Lebensquelle angesehen werden, aus der heraus immer
dasselbe an Sätzen entsteht, aber dazu wollen "wir" uns doch nicht
verleiten lassen. Vor dem Konstruieren würde es das Ordnen und Einordnen
geben. Was gibt es noch? Eine fertige Konstruktion soll normalerweise
verlässlich sein, sie soll dem Wunsch des Planers erfüllen, sie soll ihm
keine unerwünschten Zufälle bringen.
JH