Nun kommt hier – in Anlehnung an Gödels Unvollständigkeitstheorem und seinem Gottesbeweis
- einiges zusammen und ich möchte versuchen, dieses verbindend, darauf einzugehen:
Wenn Ingo von einem Nihilisten schreibt. liegt es nahe, ihm dieses Charakteristikum
zuzuschreiben, gibt er sich hier doch - und sieht sich sicher auch selbst - als kritischer
Geist gegenüber Ideologien insbes. natürlich vs. Religion und damit auch jeglicher
Gottesvorstellung. Nihilismus an sich geht jedoch weit über die ihm zueigene Negation von
Religion hinaus, bezieht sich auf alle Gesellschaftsmuster in positivistischer Attitüde,
die ich in dieser Weite eher bei Waldemar, als bei Ingo sehe. Gleichwohl kann er sich
nicht einer Spitze enthalten, wonach er Gödel als „christlichen Axiomatizist“ bezeichnet
und diesen damit tendenziös klassifiziert und im gleichen Schwung auch Gläubige, wonach -
mit Bezug auf Gödels „besessener Arbeit zum Beweis der Kontinuumshypothese“- , diese das
Aktual-Unendliche als geradezu „göttlich“ annehmen. Warum auch nicht, könnte man hier
fragen und so sollte es nicht wundern, wenn Ratfrag dieses als „werturteilsgeleitete
Spekulation“ sieht, dem ich nur zustimmen kann, ebenso natürlich seinem Hinweis, wonach
die Kontinuumshypothese nicht mit den Mitteln üblicher Axiomatik der Mengenlehre (ZF resp.
ZFC) bewiesen werden kann.
Meine Frage bei all dieser Thematik ist, was hat es mit diesem Gott auf sich, dass sich
darauf bezogen immer wieder auf's Neue Diskussionen, Dispute, Kriege um dieses
Phänomen entfachen. Warum will man partout dessen Existenz beweisen, warum geschieht in
dessen Namen Heil und Unheil in dieser Welt?
Eine Muslima hat es seinerzeit so ausgedrückt: Im Namen des Allah (Gott) geschieht Unheil,
das in seinem Bewusstsein nie geschehen würde (sinngemäß). Damit ist alles gesagt! In der
Bewusstwerdung und nicht im Namen eines Gottes würde menschliches Denken und Handeln
gänzlich anders ausfallen.
Damit kommt Josephs Einwand ins Spiel, dass er sich weder als Vertreter des Wissens, noch
des Glaubens sieht und sich vornehmlich dem Hypostasieren (einer Gottesvorstellung)
widersetzt. In letzterem liegt genau das Problem der Religion(en) insbes. der
christlichen, insoweit sie das Bilderverbot des Dekalogs missachten.
Diese Vergegenständlichung ist zwar verständlich, da sie sich historisch nahezu zwingend
entwickelt hat, sie müsste mit heutigem Wissen aus Natur- und Geisteswissenschaft jedoch
ein Ende finden. Im Unvermögen der Theologie, sich von ursprünglich animistischen Welt-
und Gottesvorstellungen zu trennen, liegt der eigentliche Grund der von ihr betrauerten
Kirchenflucht. Der Mehrheit junger Menschen kann man nicht mehr mit der Metaphorik
biblischer Sprache kommen und Kindern könnte man ebenso ein anderes Narrativ (welches
Modewort!) anbieten, mit dem man ihnen ins junge Herz legt, dass sie nicht nur Kinder
ihrer Eltern, sondern auch „Geistes-Kinder“ (damit im christlichen Sinne Gotteskinder)
sind und dieses ein Leben lang bleiben (sofern sie sich dieses nur immer wieder
vergegenwärtigen).
Doch nochmal zu Beweisen, resp. zur Beweispflicht. Zu letzterer gibt es schlicht keine
Abrede, dort, wo es im wahrsten Wortsinne etwas zu beweisen gilt, sei es in der
Wissenschaft, im Gesellschaftsleben oder aber auch im ganz persönlichen Umfeld. Doch auch
hier bleibt die Frage: lässt sich, kann oder muss man ALLES beweisen?
Mit Gödels Unvollständigkeitstheorem kam auch dessen Gottesbeweis in die Diskussion, wobei
ich in Abrede stellte, dass es diesen überhaupt geben kann. Es waren ja bekanntlich die
Jubelschreie von Gottesgläubigen nicht zu überhören, als Forschende der FU Berlin sowie TU
Wien die Gültigkeit von Gödels diesbezüglicher Argumentationskette computergestützt
nachweisen konnten.
So würde ich nochmal darauf eingehen wollen und seine Beweisskizze hier anführen (nach
Dana Scott):
Annahme 1: Entweder eine Eigenschaft oder ihre Negation ist positiv.
Annahme 2: Eine Eigenschaft, die notwendigerweise durch eine positive Eigenschaft
impliziert wird, ist positiv.
Theorem 1: Positive Eigenschaften kommen möglicherweise einer existenten Entität zu.
Definition 1: Eine gottähnliche Entität besitzt alle positiven Eigenschaften.
Annahme 3: Die Eigenschaft, gottähnlich zu sein, ist positiv.
Schlussfolgerung: Möglicherweise existiert Gott.
Annahme 4: Positive Eigenschaften sind notwendigerweise positiv.
Definition 2: Eine Eigenschaft ist Essenz einer Entität, falls sie der Entität zukommt und
notwendigerweise alle Eigenschaften der Entität impliziert.
Theorem 2: Gottähnlich zu sein ist eine Essenz von jeder gottähnlichen Entität.
Definition 3: Eine Entität existiert genau dann notwendigerweise, wenn all ihre Essenzen
notwendigerweise in einer existenten Entität realisiert sind.
Annahme 5: Notwendigerweise zu existieren ist eine positive Eigenschaft.
Theorem 3: Gott existiert notwendigerweise.
Für meine Begriffe wird mit diesem „mathematisierten“ Gottesbeweis die Existenz Gottes
nicht nachgewiesen, denn es handelt sich um eine ontologische, an die die philosophische
Tradition anknüpfende Beweisführung. Es handelt sich bei dieser logischen Argumentation,
die auf empirischen Grundannahmen (als Axiome) aufgebaut ist und daraus die Existenz
Gottes ableitet, um einen Beweis, der lediglich auf abstrakte Begriffe und damit auf deren
(wiederum) zu beweisende Stichhaltigkeit reduziert ist.
So bleibe ich dabei: Ein Gott kann nicht bewiesen, sondern ausschließlich nur geglaubt
(oder auch gespürt) werden. Und überdies: würde es einen stichhaltigen Beweis für die
Existenz (eines) Gottes geben, würde die Menschheit ein grundsätzlich anderes Leben führen
und alle wie auch immer gearteten Spekulationen oder erbärmlichen Kalküle (Pascalsche
Wette) würden aus diesem Jammertal verschwinden. Aber auch dieses Jammertal würde
verschwinden und das ist ganz offensichtlich nicht in (eines) Gottes Sinn!
So ist naheliegend, dass auf Beweise fixierte Nihilisten grundsätzlich keinen Zugang zu
irgendeiner – wie auch immer gearteten - Gottesvorstellung haben können. Das wusste auch
der gläubige Wassili Basarow, als er seinem Sohn den Beweis eines Satzes abverlangte. Und
Turgenew wusste es allemal; es lohnt sich, ihn zu lesen und wenn man mit „Erste Liebe“
anfängt, hat man einen sehr guten Anfang zu dem es nie zu spät ist – Schule hin oder her,
will sagen: ob dort heute noch die Klassiker der Literatur „durchgekaut“ werden, wird ein
Blick in die Lehrpläne zeigen. Vielleicht ist ja doch eine hier in philweb teilnehmende
Person, die das beantworten kann.
Bester Gruß! - Karl
PS: Für Joseph noch: Wir hatten hier auch über Zeit geschrieben, was ist Zeit überhaupt –
das ist längst noch nicht erschöpfend geklärt. Eines ist für mich jedoch geklärt: Deine
Texte auf „Weltordnung“ zu lesen benötigt Zeit, diese zu verinnerlichen, verlangt noch
viel mehr Zeit; wer sie aufbringt, wird Deine Argumentation hier um einiges besser
verinnerlichen können. Wer sie nicht aufbringt, für den gilt: „this talk is not for you“.
Dein Hinweis auf den Wikip-Eintrag zur Linguistischen Wende jedenfalls zeigt auf, wie sehr
Sprache an sich das Denken des Menschen prägt und natürlich vice versa. Dennoch bleibt
mein Bezug zur Sprachkritik sehr kärglich.