Am 20.12.21 um 12:09 schrieb Ingo Tessmann
einiges, ich fange aber an dem an, was er am Ende geschrieben hat:
bleiben wir im Philweb. Aber was sind Worte mehr als
das, was wir in sie hineinlegen?
Damit bringst du die Sache auf den Punkt. Du weiß vielleicht schon, dass ich misstrauisch
gegenüber "Worten", die Bedeutung hiervon ist fast gleich wie die von Begriffen.
Also ich bleibe bei Wörtern. Und in der Tat: Beim Denken werden die Wörter sozusagen
gefüttert, aufgebaut, oder so wie du schreibst, die Personen legen etwas hinein. Damit
triffst du die Sache, den Nagel auf den Kopf. Und ich könnte dir genau die Stellen zeigen,
an denen du etwas in diese hineinlegst, und was du hineinlegst. Versuche bitte jetzt nicht
zu denken: "Der nimmt das wortwörtlich." Gerade die Verfahrensweise, nach der
schnell das unter den Tisch gekehrt wird, was der andere sagt, kenne ich genau, und ich
könnte dir genau schreiben, wo du es bei anderen bemerkst, in deinem Text, und das tust du
richtig so. Jetzt hole ich die Beispiele in deinem Schreiben.
als Fortschritt anerkenne ich der Natur gemäß mehr
Vielfalt statt Einfalt. Die geradezu phantastische Vielfalt der Materie- und Lebensformen
in der Natur hat ja dazu geführt, dass es uns überhaupt gibt.
(Hineinlegen)
Schon das sehe ich als Fortschritt im natürlichen
Fortschreiten an.
(Hineinlegen)
Gegenüber der natürlichen Vielfalt herrscht unter den
Kulturen allerdings deprimierende Einfalt.
Es müsste genauer gesagt werden wo diese liegt, sonst ist das zu
allgemein, das versuchst du ja:
Um es konkret zu machen: Wenn es zwischen Kleinfamilie
und Kinderheim eine dritte Möglichkeit des verrechtlichen Zusammenlebens in der
Verantwortungsgemeinschaft geben sollte, wäre das hinsichtlich der Förderung von Vielfalt
ein Fortschritt.
Du gehst von einem Ideal aus, ok. "Verrechtliches
Zusammenleben", das
ist es ja gerade, das schon so nicht funktioniert, weil es verrechtlicht
ist, das habe ich geschrieben, und brauche es nicht zu wiederholen. Das
ständige Hoffen und Verlangen, an die Politik gerichtet, geht über den
Umweg neuer Verrechtlichungen, die du ganz genau beschreibst. Und es
geht an die Politiker persönlich, die überwiegend tun, was ihnen
vorgelegt wird.
Niemand würde dazu gezwungen werden und die vielen
freien Lebensweisen davon unberührt bleiben.
Den Rahmen, die Rahmen verursachen
Verhaltensweisen. Ein ganz einfaches
Beispiel für einen Rahmen: Steuervorteile für die
Land-Stadt-Arbeiten-Fahrer. Von wegen unberührt und frei.
Gehörst Du vielleicht zu dehnen, vor denen schon
Einstein sich fürchtete? „Halte Dich von negativen Menschen fern. Sie haben ein Problem
für jede Lösung.“
Einstein hat an viele Probleme nicht einmal gedacht. Er hätte doch
einmal sagen können: "Halte dich fern von Menschen, die dir sagen:
'Atom, wie ist es denn mit der Atombombe? Wie ist es mit der
Erdzerstörung?'" Einstein war zwar ein Pazifist, nur bereute er seinen
dir sicher bekannten Brief. War der Brief die Lösung eines "negativen
Menschen", und wenn ja, wer war das? Offensichtlich waren mehrere
beteiligt, nicht nur Physiker. Da war oft das System: "Für ein Problem
eine Lösung." Woher weißt du, ob und dass du kein negativer Mensch sein
kannst? Ist das kein Schubladendenken: Hier die negativen, da die
positiven? Einstein hätte schon genauer sein können, aber ihm fehlte
einiges. Seine Schallplatte und seine Briefe an Freud zeigen auf ein
einfaches Denken hin, was in anderen Bereichen nicht genügend zu
schätzen ist, letzteres hast du dir bekanntlich auf die Fahne
geschrieben. Einstein hat daraus keine Religion hergestellt, aber was
das Thema anbelangt war er auch nicht deutlich. Für ein System der Art
Weltanschauung oder Religion bedarf es weiterer Zufälle, die hat es für
Einstein nicht gegeben. Aber zu Einstein könnte noch viel geschrieben
werden. Er dachte zwar ganzheitlich, aber die Einzelheiten außerhalb
seiner Spezialisierung konnte er nicht bearbeiten. Da liegen seine
Widersprüchlichkeiten.
Andererseits, der zitierte Satz ist in einem ganz allgemeineren Rahmen
korrekt. Und zwar kommt nach fast jedem Satz des A ein Satz des B als
Gegensatz, so dass der Satz des A annuliert wird, oder ein Zusatz, der
nichts mit dem Satz des A zu tun hat, usw. So gesehen hätte A besser
geschwiegen. (allgemein du weißt ja: ignoratio elenchi).
Juristen hatten selten Probleme damit, Adenauer
seinerzeit zu unterstützen, aber schon Brandts Vorhaben wurden von ihnen hintertrieben und
so wird es auch Scholz ergehen. Wahrscheinlich wird es eh nichts mit der rechtlichen
Beförderung weiterer Lebensweisen.
Hintertreibungen gibt es von allen Seiten. Ob es
so wichtig ist, zu
sagen, von wo sie in der Summe hier oder da herkommen, das kann zwar
festgestellt werden, aber der genaue Hinweis auf die Fehler, die
Mogeleien, usw. kann nur an diesen selbst ansetzten, "konkret", so wie
du darf ich das Wort nutzen.
Das Wort Fortschritt ist in der Politik oft eine
Floskel. Wenn nicht, braucht zumindest nicht gesagt zu werden, was denn im Einzelnen
geändert werden soll. Zudem passt das Wort Fortschritt von vornherein nicht auf das
Reduzieren des Rahmens. Beim Judizieren (*) liegen enorme Schwierigkeiten vor, die höheren
und niederen Gesetze im Einzelfall korrekt auszulegen und anzuwenden, es entstehen dabei
Üblichkeiten in Verfahren, die mit dem, was mit dem Wort Fortschritt gedacht werden soll,
bei weitem nicht geändert werden können. Auch ein "Jurweb" würde vermutlich
schnell zum Streit führen. zu vor: Wenn ich das Wort Rechtsinstitut höre, wird mir schon
schwindlig. Wie ist es mit der bekannten Trennung von Bereichen: Sorgerecht, Umgangsrecht
in verschiedene Verfahren, wobei der eine Richter nicht weiß was im anderen Verfahren
"verhandelt" wird. Das führt zu Doppelarbeit und das Ganze geht aus den Augen.
Die Trennung nach Descartes kann zu etwas führen, aber wenn sie schlecht gemacht ist,
nicht. Darauf noch "den Fortschritt" auf das alte Vehikel zu setzen, das ist wie
die Auto-Industrie, bis ein anderer kam, und den Verbrenner einfach überholte. Siehe den
Seiltänzer bei Nietzsche.
Gerade weil das Wort Fortschritt häufig bloße Floskel ist, kommt es darauf, es zumindest
hin und wieder konkret zu verwenden,
Eben nicht. Ich habe die Frage, das Problem gestern in einem ganz
anderen Zusammenhang bedacht. Bin ich ein negativer Mensch, wenn ich die
Differenzierung versuche? Es gibt viele Arten Fortschritt. Und damit
hast du recht, und gerade deswegen ist das Wort fragwürdig.
z.B. hinsichtlich der Förderung von Vielfalt,
natürlich nicht nur im Familienrecht,
Ich habe zwar nur einige Probleme "konkret" im "Familienrecht"
genannt,
es ist doch egal ob ich sie Sachen, Tatsachen, Unmöglichkeiten oder
sonstwie nenne, ich habe sie "konkret" genannt, und nicht mit einem
Wort, etwa "Anti-Fortschritt".
sondern auch bspw. in der Landwirtschaft: Warum
überlässt man es den Faschisten und Anthroposophen ihre völkische und spinnerte
Siedlungspolitik zu betreiben und schafft keinen klaren rechtlichen Rahmen zur Förderung
ökologischen Landbaus auf naturwissenschaftlicher Grundlage zur Förderung biologischer
Vielfalt statt ideologischer oder industrieller Einfalt? Das Recht ist dabei stets nur
Hilfsmittel und nicht Selbstzweck.
Richtig, dorthin gehört die Sache! Wie du diese Leute nennst, davon sehe
ich mal ab, aber ich verstehe den Grundgedanken, dem ich zustimme.
Fortschritt ist ein genuines Thema auch der
Philosophie spätestens seit der Aufklärung. Wenn Du kein Sozio-, Polit- oder Jurweb daraus
machen wirst,
Ob das stimmt? Und wenn, dann muss es unter die Lupe genommen werden. Du
hast ja immer Literatur zur Hand, ich freue mich, wenn du sie zitierst.
Vielen Dank für's Lesen, ich denke sogar, und vertraue dir sogar, dass
du bis hierher gelesen hast, auch wenn du nichts dazu schreibst. Es ist
ja nicht so, dass das Schreiben allgemein wie ein Pingpong-Spiel gehen
muss. Ständig nur Bestätigung, Pro und Kontra, da sind wir uns einig,
hilft nicht viel. Dann bleiben wir uns doch lieber fern, gemäß Spruch
des Einstein, ohne dabei Schubladen zu machen. Es sei denn es sind
punktförmige Sachen, die so nicht gehen. Da erlaube ich mir das
Schreiben, und ich hoffe, gemäß Niemann/Popper, auf Fehler hingewiesen
zu werden.
Ach ich habe noch vergessen: Wenn etwas in eine Schublade hinein gelegt
wird, kann sie auch wieder herausgeholt werden, auch wenn es Wörter sind.
JH