Am 21.09.2020 um 03:19 schrieb waldemar_hammel via Philweb:
dürrs "wirk" und "passier" sind
nur ungeschickte ausdrucksweisen für
"wechselwirkung" und die tatsache,
dass alles in dieser welt verläufe sind = prozesse, "es passiert", und
zwar fortwährend neues, und dabei gibt es keinerlei stillstand, keinen
moment des "seins" und "so-seins",
Die Frage „wer bin ich“ hat bei uns hier ganz offensichtlich und sehr
erfreulich eine sehr muntere Korrespondenz ausgelöst, was den Schluss
zulässt, dass wir uns doch auf besondere Weise angesprochen fühlen, wenn
es um unser ICH geht. Und einmal mehr wird deutlich, wie sehr die hier
doch recht unterschiedlichen Sichtweisen vermutlich ebenso auf
Fixierungen zurückzuführen sind, wie Ingo T. es am Beispiel von Kindern
(vor allem eben – aus seiner Sicht – infolge überkommener
Erziehungsmodelle) begründet sieht. Diese Modelle jedoch per
Rundumschlag abzuschaffen, stehe ich eher zurückhaltend gegenüber (nicht
zuletzt deshalb, weil aus mir berichteter konkreter Praxiserfahrung in
KiTas Testläufe z.B. mit geschlechterneutraler Ansprache und Spielpraxis
(Spielzeugnutzung - Puppen vs Autos etc.) schlichtweg als lediglich
sozio-ideologische Experimentierfelder erscheinen. Wir hatten hier vor
Zeiten über Behaviorismus (der sich insbesondere auf Empirie und
Experiment stützt) geschrieben und hatten weitgehend Konsens über dessen
kritische Auslegung, die letztlich zum Verschwinden dieser technoiden
Sozial- und Kulturtechniken (welch nette Zuschreibung, der ich mich zu
gerne anschließe!) erzielt. Eine durch operative/intrumentelle
Konditionierung bewirkte Nichtbeachtung des „Innenlebens“ eines Kindes
(z.B. die Desillusion der inspirativen Annahme, die Puppe oder der
Teddybär sei beseelt), würde geradewegs einer technoiden Manipulation
gleichkommen und eben genau dem natürlichen Prinzips des „Lebewesen aus
der Natur erwachsenen“ entgegenwirken. Wie schön es doch ist, als
Elternpart die durch Konditionierung unverstellte Arg- und Sorglosigkeit
kleiner Kinder zu erleben. Die unvermeidlichen Desillusionierungen (und
sei es nur der als Nikolaus enttarnte Großvater) kommen früh genug!
Nebenbei: Ich erinnere mich an Pflichtlektüre zur
Entwicklungspsychologie und war damals (ohne eigene Erfahrung als
Elternteil) überzeugt: Die Autorin muss kinderlos sein.
it: "Systeme sind menschengemacht, Lebewesen erwachsen der Natur.",
wh: äh, hm....
ich bezeichne "systeme" gemäß der systemtheorie und der kybernetik,
insofern ist ALLES system, das irgendwie abgrenzbar ist und
funktionalitäten aufweist,die für es selbst relevant sind,
danach kann ich einen wassertropfen als system sehen, einen computer,
eine teilchenwolke, aber auch einen menschen, ein tier,
die gesamte ökosphäre usw usw, unterschieden in "natürliche,
menschgemachte, tote, lebendige usw systeme",
Es mag die Definition eines „Systems“ unterschiedliche Ausprägungen
haben, dass jedoch eine aus funktionalen Elementen zusammengesetzte
Einheit sowohl natürlich als eben auch von Menschen zusammengefügt sein
und damit systemtheoretisch beschrieben werden kann, sollte schon
konsensfähig sein.
Wh: der punkt bei alledem ist doch: ich bestehe nur aus stoffen, und
irgendwie kommt auch mein "geist" aus diesen stoffen, woher soll er denn
sonst kommen?
Das genau ist eben die Frage! Was nun Stoffe anbelangt, hatten wir das
hier zuletzt erörtert. Die Meinungen hierzu gehen auseinander (wie
üblich und auch der tatsächlichen Ergründung dienlich).
Um nochmal Dürr zu zitieren oder (soweit nicht akzeptiert) noch einmal
mit Bezug auf Tegmark „consciousness is not matter, it is the state of
matter“ und wenn er sagt: „consciousness is the way information feels
when processed in certain complex ways“, drückt er das ebenso flapsig
aus, wie man das auch von Dürr kannte.
Es geht also um Information und deren Verarbeitung (im Gehirn/ZNS) und
damit um die Feststellung: „consciousness as a mathematical pattern“.
Ich möchte Tegmarks Ideen/Thesen etc. nicht blind ergeben zusprechen;
seine unkonventionelle und auch mitreißende Art, wie er eben diese
vertritt, verköpert m.E. den neuen Stil wissenschaftlicher Arbeit.
Übrigens liest sich auch sein Buch „Our Mathematical Universe“ sehr
eingängig und es lohnt wirklich, seinen TED-Talk einmal anzusehen (und
wenn es nur dazu dient, sich mit derartig revolutionären Ideen
auseinanderzusetzen):
https://www.youtube.com/watch?v=GzCvlFRISIM
wh: ich glaube nicht, dass materie und geist antinomien sind, auch
nicht, dass materie im hintergrund von einem universalen geist
beeinflusst oder gelenkt wird,oder dass mein geist an einem universalen
geist hängt oder mit solchem kommunziert,ich glaube allerdings sehr
wohl, dass "materie" so materiell garnicht ist, wie allgemein geglaubt,
materie und energie sind im gegenteil nur zwei seiten von demselben,dass
noch viel mehr seiten haben könnte ...
Diese Deine Überzeugung bzw. Argumentation kann ich durchaus verstehen,
zeigt sie mir doch (erstaunlicherweise), dass Du Dich (aus welchen
Gründen immer) einer vertiefenden, wirklich weiterführenden
Beschäftigung mit diesem Thema verschließt. Womöglich intuitiv, da Du
stets und vehement Deiner Ablehnung von (stumpfer) Metaphysik Ausdruck
verleihen willst:
Wh: ich glaube einfach, dass die welt, so wie sie ist und _abläuft_,
komplett ist ! sie bedarf keiner zusätze, geister, götter …
...was eigentlich Deiner üblichen Proklamation vom stetigen Werden per
WW entgegensteht, oder?
Wh: dürrs "wirk" und "passier" sind nur ungeschickte ausdrucksweisen
für
"wechselwirkung" und die tatsache, dass alles in dieser welt verläufe
sind = prozesse, "es passiert", und zwar fortwährend neues, und dabei
gibt es keinerlei stillstand, keinen moment des "seins" und
"so-seins",
…ungeschickt würde ich Dürrs Ausdrucksweise nicht nennen wollen; er
wollte sich damit eher herausfordernd von üblich wissenschaftlichen und
bisweilen nebelhaften Formulierungen absetzen.
Zugegeben, und wir wissen es alle hier: unser Thema ist komplex und
wahrhaftig nicht einfach in ein paar Statements abzuhandeln. Um mir die
Mühe zu ersparen, eine recht eingängige Erklärung hierzu (ich denke in
Anlehnung an Paul Davis) zu übersetzen, stelle ich diese hier ein, da
sie meinem diesbezüglichen Verständnis nahe kommt (ich hatte ja
diesbezüglich vor einiger Zeit hier von Phasenübergängen geschrieben):
„Life not only dissipates energy, it seems also to store and increase
information. As the complexity of life increases, its capacity to store
information increases. Energy and information are related….
Consciousness is the encoding of information in near real-time - just as
life itself is the encoding of information in evolutionary time.
Consciousness may also be a phase transition during which mind gains a
qualitatively different level of control over the matter it is
instantiated in from that of genetic and other regulatory information.
This to me suggests that consciousness is an almost inevitable outcome
of the evolution of living organisms”.
Zu letztem Satz würde ich sagen, dass evolutionär im Laufe der
Ontogenese die Voraussetzung (Gehirnentwicklung) dafür geschaffen wurde,
Bewusstsein zu entwickeln und dieses "informationstechnisch" zu
verarbeiten. Bewusstsein an sich ist somit nicht per se stofflicher
Bestandteil des Körpers, sondern ist m.E. einer anderen "ontologischen
Kategorie" zuzuordnen.
Ach und noch zu Deinem Kappes, Kartoffeln usf., aus dem wir Menschen
(solchermaßen gefüttert) einzig existieren sollen.
Ja, das sind selbstredend essentielle Nähr-STOFFE zum Lebenserhalt und
dennoch eine zutiefst armselige Reduktion auf eben nur Stoff!
Es sind Moleküle, Atome, Elementarteilchen, auf deren Typus es bzgl.
Geist-Körper-Beziehung nicht ankommt, sondern auf deren strukturelle
Anordnung bzw. Formung:
„Anima unica forma corporis“. Damit überwindet Thomas von Aquin den
Dualismus des Dir nicht geliebten Platon.
Zu Geist und Bewusstsein kommen wir hier sicher noch einige Male
zusammen, denn ich glaube nicht, dass man im "Bewusstsein" darüber, den
wirklichen Kern getroffen zu haben das Thema abschließend behandeln könnte.
Soweit für den Augenblick!
Mit bestem Gruß an Dich und in die Runde! - Karl