Am Do., 12. März 2020 um 14:40 Uhr schrieb Ingo Tessmann via Philweb <
philweb(a)lists.philo.at>gt;:
*> Nietzsche zählte ja zu den literarischen Philosophen *
Nietzsche war auf jeden Fall eher literarisch angehaucht. Das ist
unbestreitbar. Seine Literatur bestand aber zuerst aus altgriechischen und
lateinischen Texten, darunter auch, aber nicht vorrangig, Philosophen.
Er muss aber meines Erachtens vor allen Dingen in den Bereich
"Tiefenpsychologie" und "Moralkritik" betrachtet werden.
Mit Idealsprachlicher Philosophie oder Philosophie der normalen Sprache hat
das nichts zu tun. Als ob Literatur die normale Sprache wiedergeben würde...
*Warum soll das nicht auch in der Philosophie
funktionieren?*
Naturwissenschaft hat sehr viel mit Empirik zu tun. Genau die Erfahrung
zeigt uns aber, dass die Verwendung von Mathematik noch keine gute
Philosophie macht.
Die Übernahme von mathematischen Methoden oder Logik dagegen ist wertvoll,
aber es kommt eben auf die Prämissen und die Formalisierung an.
*> Über unsere Sinnlichkeit und unser Tun hinausgedacht, geht es dabei
nicht mehr primär um Quantifizierung, sondern um die*
*> Eröffnung von „Denkräumen“, die weit über den winzigen Horizont der
Normalsprache und des Alltagserlebens hinausgehen. *
Dem guten alten Wittgenstein ging es aber darum, Denkprobleme der
Philosophie in Sprache aufzulösen, nicht irgendwelche völlig unbekannten
Denkräume zu erschließen.
Wobei Wittgenstein grade in Sachen Logik eine Offenheit zeigte, die vielen
prominenten Mathematikern bis heute fehlt. Wenn er etwa ohne Aufhebens von
alternativen Logiken spricht usw.
Seine Anmerkungen zur Negation sind, rückblickend, vielleicht trivial. Wenn
man aber darüber nachdenkt, ob der Satz vom Widerspruch unbedingt gilt,
apriori ist oder eben nicht, dann ist es sehr erhellend.
*> Einleitend heißt es darin: "Am Beginn wissenschaftlicher Philosophie in
der Habsburger-Monarchie steht ohne Zweifel der Prager*
*> Volksbildner, Philosoph, Mathematiker und Theologe Bernard Bolzano (1781
bis 1848).“*
Philosophisch interessant scheinen mir vor allen Dingen folgende Ideen zu
sein:
Ich finde den Beweis interessant, weil er möglicherweise zeigt, dass es
mindestens einen wahren Satz gibt. Allerdings ist er, meine letzte Lektüre
liegt etwas zurück, ein bisschen zu wenig formal. Um ihn zu formalisieren,
so wird mir klar, bräuchte man wahrscheinlich sogar gödelisierung, um
formal über Sätze zu quantifizieren...
Wieso soll er ein "Anti-Kant" gewesen sein? Und wieso wird Kant als eine
Art negative Figur dargestellt?
*> Karl Poppers Drei-Welten-Lehre oder Gödels „logischen Realismus“.*
Das wäre nur dann ein verdient, wenn man sich auf den Standpunkt eines
ontologischen Realismus für abstrakte Entitäten wie "Ideen" stellt.
Wenn man allerdings auf dem Standpunkt steht, dass Mathematik etwas ist,
dass sich im Geist des Mathematikers abspielt, dann sieht die Sache anders
aus. Genau das ist doch die Konsequenz, die die Übernahme von Neurologie in
die philosophischen Überlegungen hat. Dass Religion im Wesentlichen das
sei, was sich im Gehirn des Gläubigen abspielt, während er "religiös aktiv"
ist, das wird popularisiert, aber die selbe Idee gilt nicht für Mathematik
oder bloßes nachdenken?
Was ich damit sagen will, ist, dass man den Anti-Psychologismus nicht aus
einem Vorurteil heraus unterstützen sollte. Das wäre in meinen bescheidenen
Augen unaufgeklärt.
Am Mi., 11. März 2020 um 17:58 Uhr schrieb Claus Zimmermann <>:
Ehrlich gesagt interessieren mich
Kategorisierungsfragen nicht so sehr.
Ich kannte die eine Kategorie auch gar nicht, die andere nur vage.
Im Grunde hast du damit sogar recht. Aber die Unterscheidung macht eben
noch aufhebens.
Genauso wie die Unterteilung in (britische) *Empiriker* (Barkeley, Hume und
Locke als die drei Großen) und (kontinentale) *Rationalisten* (mit Leibniz
und Spinoza als die Großen).
Man kann - Achtung, Binsenweisheit - natürlich alles
aus einem Wort
herauslesen,
das man vorher hineingelegt hat. Aber es wäre doch albern, das als
grossartige Entdeckung zu verkaufen. War das nicht ungefähr Kants Kritik
an Beweisen aus Begriffen?
Im Bereich der Justiz nach kontinentalen Mustern und bei der Auslegung von
heiligen Schriften spielt das aber sehr wohl eine gewichtige Rolle.
Mord oder Totschlag, das macht schon einen Unterschied. Was ist ein
"gefährliches Werkzeug"?
Wann ist eine Beleidigung eine Beleidigung? Auch dann, wenn der angeblich
Beleidigte sich gar nicht richtig gekränkt zeigt, wie tief muss man ihn ins
Herz schauen?
Was ist mit dem Fall, dass der angeblich Beleidiger sich gar nicht bewusst
war, jemanden beleidigt zu haben? Ja, wenn er die "Beleidigung" für sich
selbst zwar als unzutreffend, aber okay betrachtet?
Die analytische Philosophie will ja keine neuen Erkenntnisse gewinnen.
Etwas anderes wäre es, zu sagen: *wenn* du das so
verstehst,
bedeutet/impliziert das..., *wenn* du es so verstehst, sagst du
damit...Dann geht es nicht um neue Erkenntnisse, sondern um die
Besinnung auf selbst gemachte Zeichenregeln
Ich habe das schon mal angesprochen. Leider weiß ich nicht wer, aber es
wurde unterschieden zwischen rekonstruktiven und "revolutionären" Ethiken.
Rekonstruiert formalisiert nur die gesellschaftlichen Regeln, die unter
Moral fallen und in einer Gesellschaft anerkannt werden. Er gründet sie
aber nicht.
Die Revolutionäre dagegen wollen gesellschaftliche Veränderung durch
heranführung an eine "bessere" Ethik. Wobei diese letzere Position
natürlich nur besonders strak ist, wenn man einen "moralischen Realismus"
vertritt, also von wahren ethischen Sätzen ausgeht.
Russell schien interessanterweise ohne diese Position ausgekommen zu sein,
jedenfalls in seinen politisch besonders aktiven Jahren. Er kämpfte für die
Einhaltung von moralischen Werten, die er selbst aber nicht für absolut
gültig betrachtete.
(Wittgenstein: In der Philosophie wird
nicht gerechnet.)
Grade Wittgenstein hat in den tractatus Formaln gezeichnet, über die ich
lange nachdenken musste. Logik gehört auch zur Mathematik, insofern man sie
mit mathematischen Methoden betreiben kann.