Hallo Waldemar,
Wie kommst du hier auf die Universalien? Davon hatte ich doch gar nichts gesagt.
Aber gut, meine Meinung dazu ist in diesem Zusammenhang etwa, daß Aussagesätze nur lernen
kann, wer schon vergleichbare natürliche Zeichen beherrscht, wie es offenbar auch bei
nichtmenschlichen tricksenden Tieren der Fall ist, wenn sie anderen z. B. ein bestimmtes
(nicht zutreffendes) Bild einer Situation suggerieren wollen. (Um kurz abzuschweifen: der
Satz "Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners" bedeutet meiner Meinung nach
nicht, daß sie selbst die größte Lüge ist, sondern daß beides wie immer bei
entweder-oder-Unterscheidungen nur im Doppelpack zu haben ist.)
Wenn man nun "Vorverständnis" durch "Ideenteilhabe" ersetzt, ist man
vielleicht gar nicht mehr so weit von der Ideenlehre entfernt.
Mit dem Satz "Der Apfel ist rot" oder "... schmeckt süß" wird ihm gar
nichts "aninterpretiert". Ich weiß dann nur, wie der Apfel schmeckt oder
aussieht, wenn die Sätze wahr sind. Es wird quasi ein Bild in die Luft gemalt (bei
"ist rot" könnte man tatsächlich auch ein Bild verwenden) und behauptet: so
siehts aus! Weitergehende Behauptungen und Implikationen sind damit nicht verbunden. Daran
ist nichts falsches oder richtiges, es ist nur eine Informationsübertragungstechnik.
Es kann mir z. B. bei einer Kaufentscheidung helfen, wenn eine vertrauenswürdige Person
mir die Ware, die ich mir gerade selbst nicht ansehen kann, auf diese Weise beschreibt.
Grüsse, Claus
Waldemar Hammel via Philweb <philweb(a)lists.philo.at> schrieb:
hallo claus,
Am 26.10.2016 um 14:06 schrieb Claus Zimmermann
<Zimmermann.Claus(a)t-online.de>de>:
wenn du meine Ausführungen falsch findest, gehst du in der Praxis von dem aus, was du
theoretisch bestreitest.
stimmt doch nicht (obwohl ich verstehe, wie DU es meinst), denn mein satz "claus
liegt falsch mit ..." bezieht sich auf deinen satz "von der wahrheit".
(dein satz x kann falsch sein, aber es gibt nicht platonisches "falschsein an
sich")
recht hast du mit der folgerung,
Nein, das ist kein rhetorischer Trick, sondern
zeigt, wie fundamental diese Kategorien in der Sprache sind.
dass im alltags gebrauch der sprache am laufenden band "platonisch" gesprachelt
wird, was aber deshalb auch ebenso oft zu vermeintlich unauflösbaren problemen führt.
bekannte beispiele: "geist und materie", die tugend, die gerechtigkeit, das
gute, der tod.
"diese kartoffel ist alt" macht sprachlich sinn, denn die eigenschaft
"alt" ist kartoffel x zugeordnet, die suche aber nach dem (platonisch)
"alter an sich" führt ins leere (führt in sog hypersemiosen).
das problem mit den vermeintlichen "eigen-schaften" ist aber noch viel größer,
indem konventionell benutzte sprache die wirklichen verhältnisse/ bezüge auf den kopf
stellt.
wir sagen zb:
"der apfel hier hat die und die eigenschaften"
real aber bestehen sog "dinge" nur aus den ihnen aninterpretierten ....schaften,
sog "dinge" sind örtlich und zeitlich konzentrierte summen von
"....schaften"
sprachlich richtig müsste es heissen:
falls die "...schaften" xyz räumlich und zeitlich in summe zusammentreffen,
nenne ich diese "...schaften"-summe "apfel" und behaupte, dass die
"...schaften"-summe einem (sprachlich erfundenen) objekt "apfel" als
EIGENschaften zukommen.
was ich "apfel" nenne, ist ein sprach-generiertes quasi-platonisches abstraktum,
resultierend aus falsch benutzter sprache, die in umkehrung zu den wirklich vorliegenden
verhältnissen inverses denken und inverses erleben erzeugt, als gäbe es "ein objekt
mit eigenschaften", statt einer "...schaften"-summe, die ich nachträglich
sprachlich als objekt x zusammenfasse.
das (anthropo) sprachkonstrukt "apfel" dient natürlich der sprach-ökonomie, weil
ich so nicht immer ständig explizit die "...schaften"-summe aufzählen muss, wenn
ich, zb im supermarkt beim einkauf, referieren und adressieren will.
ich fasse eine zeitlich und örtlich auftretende "...schaften"-summe zu einem
sprachlich erzeugten (quasi-platonischen) objekt "apfel" zusammen, und nenne die
"...schaften" dann (nachträglich) "EIGENschaften des apfels".
das kann man so machen, und funktioniert in der praxis im groben gut, nur darf ich den
zugrunde liegenden mechanismus des entstehens solcher konstrukte nicht aus den augen
verlieren, sonst komme ich in kritischen, in sensiblen, fällen in teufels küche.
zb physik:
"ein elektron hat die eigen-schaften xyz ..."
nein, es ist umgekehrt:
wenn ich "...schaften" xyz räumlich und zeitlich vereint vorfinde, nenne ich das
pseudo platonisch "elektron".
diese "entstehung eines elektrons" zu beachten ist wichtig, denn es gibt fälle,
da läuft mir die "...schaften"-summe vor meinen augen wieder auseinander, zb
heisenbergs unschärfe.
das pseudo-platonisch generierte "elektron" mitsamt den vermeintlichen
EIGENschaften wird dabei "unscharf", nicht aber die (in diesem fall)
"...schaften-summeN (plural)".
auf ebene der "...schaften"-summe(n) ist heisenbergs berühmte unschärfe
lediglich ein "so what?" effekt.
man kann und soll wahrscheinlich auch nicht die gut eingeschliffenen gewohnheiten der
alltags sprachbenutzungen verändern, aber man sollte sich stets ihrer keineswegs trivialen
hintergründe bewusst bleiben und in problematischen fällen (zb "geist und/versus
materie") in diese katakomben hinabsteigen.
ich grüße Dich, lieber claus,
und hoffentlich auf nicht-schiaparelli art auch die runde,
wh.
_______________________________________________
Philweb mailing list
Philweb(a)lists.philo.at
http://lists.philo.at/listinfo/philweb