Am 18. März 2017 um 14:05 schrieb Arnold Schiller <@.>:
Wenn wir nicht sprechen können, müssten wir
konsequenterweise eigentlich
schweigen.
Es sei denn wir sind Pantomime.
Tun wir aber nicht. In der Technology Review von
dieser Woche
wird sogar vorgeschlagen, Code als das neue Latein zu nehmen. Wer also
javac HelloWorld.java; java HelloWorld; nicht verstünde und
/*Kommentar*/ nicht als Kommentar quasi ein ungebildeter Mensch ist, der
nicht mitreden kann.
Diese Idee halte ich für absolut weit hergeholt. Grade was politische,
wirtschaftliche usw. Fragen angeht, kann man sehr wohl hochgebildet
sein und eine relevante Meinung haben und trotzdem nicht programmieren
können.
In der Mensch-Maschine-Schnittstelle sind wir aber in
der Zwischenzeit mit Siri
und ähnlichem Spielzeug soweit gelangt, dass was der Coder der Maschine
beigebracht hat, von der Maschine verstanden werden soll. Eine Aussage
"Hallo Google" ist die Ansprache an die Maschine, etwas zu suchen.
Amazon reagierte mit "Hallo Alexa". Die Aussage "Hallo Google"
machte
vor 30 Jahren keinen Sinn. Heutzutage in das Smartphone gesprochen, ist
es nicht nur eine Aussage sondern zugleich einen Befehl mit der
Aufforderung an die Maschine zu reagieren und auf eine Frage oder Befehl
zu warten.
Wirklich? Die Fortschritte erscheinen mir weniger beeindruckend, als
man im ersten Moment glaubt!
Nehmen wir mal Google. Dort kann man nur eine Suche starten.
Der wirklich beeindruckende Fortschritt in Sachen HID ist lange vorher
passiert: Maus und Fenstersystem statt Shell.
Das ist derzeit der Stand der Dinge. Und Spracherkennung ist auch
weniger beeindruckend, wenn man sich erinnert, dass diese Feature
schon OS/2 beherrscht hat. (Zugegeben, ich war zu jung, um das
mitzuerleben.)
Ich finde das Beispiel mit den beiden
Forschergemeinschaften die
unterschiedliche Umgangsweisen mit schwarzen Schwänen haben übrigens
vortrefflich.
Das Beispiel vielleicht, meine Ausführung ist... reden wir nich darüber.
Eine sinnlose Aneinanderreihung von Zeichenketten,
scheint keine Aussage
zu sein und Schwan ist zunächst nur eine Zeichenkette wie Uvttfobfba.
Naja, die einen Forscher haben empirisch etwas neues über Schwäne
gelernt; die andere Gruppe weiß schon alles über Schwäne, sie hat eine
abschließende Definition gefunden, doch sie lernt eine neue Tierart
kennen.
Wenn jemand 1850 über Äther spricht, dann über ein
Postulat wie vor 20 Jahren dem Higgsboson, nur erlitt das Higgsboson
nicht das Schicksal des Äthers.
Die Frage lautet, ob wir uns darüber freuen oder uns ärgern sollen.
Popper geht ja davon aus, dass das was er sagte eine
Bedeutung
hätte und focht dann mit Wittgenstein, der das so
bestritt. Beide haben meines Erachtens auf ihre Art Recht und Unrecht
zugleich. Es bleibt für mich nur ein ein ratloses "Wir wissen es nicht
besser!" zurück und machen einfach weiter wie wir können.
Der Unterschied zwischen Popper und Wittgenstein würde wohl dicke
Bücherregale füllen. Das wären allein die relevanten Werke.
Poppers Interessenschwerpunkte waren:
- Wissenschaftstheorie
- Politische Philosophie
- Und vor allen Dingen später eine Metaphysik, als es längst schon
nicht mehr in Mode war, metapysische Systeme zu entwerfen. ("Welt der
Propensitäten", "3 Welten Theorie")
Wittgenstein dagegen, so erscheint es mir heute, hat im ersten Teil
seines Lebens (vor dem 1. Weltkrieg) eine substandlose
Tatsachenmetaphysik erschaffen und hoffte damit, die wesentlichen
Probleme der Philosophie gelöst zu haben.
Danach kamen Ausflüge in Kunst, Religion und Pädagogik bis er,
wahrscheinlich unter dem Eindruck eines Vortrags von Intuitionisten
vor dem Wiener Kreis und der Entwicklung der math. Logik, wieder sein
altes Werk aufnimmt.
Er hat es dabei stellenweise nur konkretisiert und neu begründet,
teilweise auch verworfen, zumeist implizit und still.
Unter gewissen Umständen könnte man daher sogar Popper als
interessanteren Denker charakterisieren. Seine Philosophie ist
"praktischer"; Wittgenstein ist zweifellos die interessantere Person.