Am Mo., 19. Aug. 2019 um 14:33 Uhr schrieb Claus Zimmermann:
Ein Einwand gegen übertriebene Schweigsamkeit wäre die
Möglichkeit der
"allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden".
Ich weiß, dass es einen Aufsatz oder ein literarisches Werk über die
allmähliche Verfestigung der Gedanken beim Reden gibt.
Allerdings, gemäß einer Methode, die Wittgenstein zugeschrieben wird, will
ich mal spekulieren, was sich der Autor wohl gedacht haben mag, als er eine
Verfestigung der Gedanken beim Reden annahm.
1. Eine Theorie des Unbewussten. Nicht wir reden, sondern es redet in uns.
So wie ja Lichtenberg mal schrieb, "*Es denkt*, sollte man sagen, so wie
man sagt: *es blitzt*."
Wir lassen sozusagen *durch uns* reden, um danach etwas zu sagen zu haben.
Vielleicht denkt dort auch auf mysteriöse Art und Weise die Sprache? Dann
dürfte der Autor eine sehr seltsame Theorie der Sprache gehabt haben.
2. Vielleicht ist mit Verfestigung aber auch gemeint, dass die Sprache, der
Ausdruck in Wort und Schrift, den flüchtigen Gedanken eine feste Form
aufzwingt. Aber wieso dann allmählich? Vielleicht, weil der Autor glaubte,
dass es eine mühselige Arbeit ist, den Gedanken vollständig auszudrücken.
Wer wüsste schon so genau, einen Gedanken hier von einem Gedanken dort
abzugrenzen.
3. Der Autor ist Schriftsteller. Es ist sein Beruf, das Kommunizieren, egal
ob Redend oder Schreibend, am Laufen zu halten. Ist es da nicht nur
natürlich, dass er oft, dadurch auch einen Gedanken zu verfestigen? Es wäre
sonst sinnlos.
4. Es entspricht aber der Erfahrung. Ich wurde oft aufgerufen, etwas zu
sagen und habe spontan bessere Argumente gebracht, Formulierungen gefunden
oder witzige Bemerkungen eingebracht als ich es planvoll getan hätte. Die
spontane Rede hat eine gewisse Schlagkraft, auch weil man nicht der
Versuchung unterliegt, sie zu überladen durch zu viele Vergleiche, zu viele
Anspielungen usw. Dafür setzt man sich der Gefahr aus, Hintergedanken zu
offenbaren oder keine Worte zu finden.
5. Vielleicht wollte der Autor auch das Rede gegen das Schreiben
verteidigen? Das geschriebene Wort ist tot, heißt bei Platon.
Eine gehaltvollere Antwort folgt, sobald ich den Text gelesen habe... Aber
ich müsste eigentlich was ganz anderes lernen und tun. Wie immer, wenn man
einer größeren Herausforderung ausweichen muss, holt man sich eine neue.
„Lust am...“ läßt mich sogleich auch an „Lust am
Lesen“ denken. Fast
könnte man sagen, man
hätte ja schon alles gelesen, es dreht sich letztlich
alles nur im Kreis
- nichts Neues; Inhaltlich
gesehen mag es so sein, doch es bliebe der Verlust an
der Lust, in eine
Art verstärkende
Resonanz mit Sichtweisen zu gelangen, denen man zu
Zeiten nahe steht oder
eben auch
Kritik, die einen nachdenklich stimmt und zu elementar
wichtigen
(Selbst-)Korrekturen führt. Auch
wenn es bei unserer Kommunikation nach (sinnlosem)
Kreislauf aussieht:
der Kreis ist
eingebettet in die Spirale der Menschheitsentwicklung.
Wo man „das Ende
der
Spirale“ sieht resp. vermutet, bleibt letztlich dem
Einzelnen überlassen.
Lichtenberg: "Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das,
was ich gegessen habe, ich weiß aber soviel, beides trägt
nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und Leibes bei. (besser)"
(J, 133)
Ich glaube, Lichtenberg ist ein Schatz. Auch wenn ich nicht immer mit ihn
einer Meinung bin und ihn vielleicht noch öfter widersprechen wollte.