Am 19.02.2025 um 03:22 schrieb Karl Janssen über PhilWeb:
Und wie wir uns kennen, Waldemar! Zudem kenne ich
Deine
Lebensgeschichte auf die Du ja immer wieder zu sprechen kommst, m.E.
deshalb, weil Du sie nicht verarbeiten, damit auch nicht hinter Dir
lassen kannst.
Ich hatte diesbezüglich öfter schon geschrieben, dass ein Vergessen
definitiv ein Verzeihen voraussetzt. Ich hatte ja von mir erwähnt,
dass mein Vater ein nüchterner, durchaus auch autoritärer Mensch war,
mit hohem intellektuellem Anspruch und damit verbunden, entsprechende
Sanktionierung von Fehlleistungen, vornehmlich schulische (Alles
ausser Einsen und Zweien im Zeugnis war schon Essig). Doch niemals bin
ich je von ihm geschlagen worden, wenngleich psychischer Druck ebenso
wie Prügel wirken kann und diese galt es meinerseits auch zu verzeihen.
Apropos Zeugnisse. Als aktuell die jüngste Zeugnisvergabe hier war,
las ich in der Tageszeitung „Zeugnisse lassen Kinderseelen weinen“ und
ich dachte mir, dass ich demnach oft geweint haben müsste. Nun gut, im
Internat war ich glücklicherweise weg von einem Zuhause, auf das ich
ebenso nur mit Unmut zurückschauen kann.
Vergessen, Verarbeiten von Vergangenheit kann m.E. nur durch Verzeihen
geschehen und dabei kann hilfreich sein, sich in Menschen
hineinzuversetzen, um deren Verhalten zu verstehen, nicht jedoch, um
es akzeptieren zu müssen.
Deine fürchterliche Erfahrung als Kind eines Menschen, der zwar
amtlich Dein Vater war, als solcher dieser jedoch niemals in
innerlicher Verbindung zu Dir stand, wirst Du die Erlebnisse mit ihm
nur verarbeiten können, wenn Du ihm verzeihen kannst.
Es tut mir leid, aber hierzu fällt mir dieses Christus-Zitat ein: Im
Todeskampf am Kreuz richtet er die Bitte an seinen (himmlischen)
Vater: „Verzeih ihnen, sie wissen nicht was sie tun“. Er, Christus
hätte allen Grund gehabt, seine prügelnden Peiniger zu verachten, doch
er bittet für sie.
Nicht verwunderlich, soweit man Christus als Gott sieht (Trinität):
quis est sicut deus?
Wieder einmal bei Religion gelandet, das uns so entzweiende Thema! In
Wirklichkeit (sic!) ist es nicht Religion im herkömmlichen Sinn,
sondern es ist Religion als Regelwerk, letztlich ist es Moral im Sinne
sittlich geregelter Verhaltensweise der Menschen. Alles andere mit dem
Begriff von Religion verbundene Denken und Handeln ist
menschengemachtes Beiwerk, vom Dogma bis zur liberalsten Auslegung
ethischer Grundsätze.
DANKE für den "aufmunterungsversuch", karl,
das prinzip der vergebung/verzeihung aus psychodynamischen gründen, als
voraussetzung, um nicht selbst psychisch gefesselt an etwas zu bleiben,
ist mir durchaus lebenspraxis und völlig klar,
"vergeben immer", vergessen jedoch nie !", meine methode, denn das
"erinnern an" ist ebenfalls überlebenswichtig
ich habe schließlich meinem vater zu verdanken, dass ich das genaue
gegenteil von ihm werden konnte, was einer meiner brüder nicht konnte,
sondern genau vaters weg in den frühen tödlichen untergang mit 52 folgte
mein vater war ein asozialer, durch und durch rettungslos verkommener
mensch, sagen wir von spätestens pubertät an, und da sein vater als
von-anbeginn der bewegung waffen-ss-ler zumindest innerlich genauso
gewesen sein muss,
sehe ich da eine kontinuität über generationen hinweg, mein vater wuchs
in einer arisierten umgebung auf, während die fam. wolf, der das anwesen
gehört hatte, ins kz wanderte, als kind lief ich immer an einem loch in
der wand neben
der haustüre vorbei, in dem die jüd "mesusa" gesteckt hatte, die das
haus nach jüd glauben gesegnet gehalten hatte, was heißt, ich verbrachte
die ersten sechs lebensjahre in einem "entsegneten anwesen", während
unter großvater ein
fast 1/6 wandgroßes bild über dem doppelbett des schlafzimmers hing,
kopie von da-vincis letztem abendmahl in originalfarben, ein bild, das
ich als kind nie verstand, denn das schlafzimmer selbst war völlig
farblos in weiß-grau-braun
gehalten, sodass das große farbbild unpassend zum interieur "als
blickfang" hervorstach. erst später konnte ich dem bild dann einen sinn
zuordnen, denn das bild leonardos hing just an der wand, hinter der das
anwesen der altmeiers war,
die in ihren hof übermannshohe drahtkäfige mit knochenbergen von
schlachttieren horteten, die sie als altwaren-händler sammelten, um sie
an die nahebei fabrik ewald (gibts noch heute) zu verkaufen, die
gelatine daraus kochte, sodass
mir das bild wie ein an die wand gehängtes viel zu großes amulett vorkam
gegen schlachttier- und kz-knochenberge, die mein großvater
mitverursacht hatte. in dieser abartigen umgebung ist auch mein vater
aufgewachsen.
meine einsicht daraus: vieles vererbt sich genetisch und epigenetisch,
aber auch das urböse vererbt sich scheinbar, halt über die psychische
schiene, man kann nicht "gut sein", und dann plötzlich 1-2 generationen
"böse", und danach wieder
"guter mensch", sondern auch das böse in den menschen hat
generationen-kontinuität, und entsprechend hat mein vater das
fundamental böse, verkommene von seinem vater geerbt, zumal vaters
bruder, mein onkel, genauso draufwar
das obige zu vergessen, hieße den anfangsteil meiner eigenen biographie
zu vergessen, und dazu bin ich weder fähig noch willens, denn gerade
dieser mein-anfang hat mich lebenslang davon abgehalten genauso zu
werden wie großvater und
vater, und beiden "vergeben" ja, bedingt, aber letztlich entscheidet
jeder selbst, waffen-ss-ler zu werden, oder zu saufen, oder zu huren,
oder zu prügeln usw, hat also zumindest teilschuld daran, was er macht
oder seinlässt, daher vergebe ich
meinem großvater und vater nur teilweise, und den größeren teil trugen
sie selbst in eigener verantwortung, und waren dafür haftbar
auch ich könnte heute, jetzt, in eine kneipe gehen, mich voll-laufen
lassen bis in die nacht, dann nach hause zurückkehren, und meine hunde
auf- und nieder- prügeln, aber ich mache das nicht, also meine eigene
entscheidung, das nicht zu tun,
und in derselben lage war mein vater, der es aber machte, und er hat bis
zu seinem letzten atemzug nie bereut oder abbitte geleistet, im
gegenteil hat er, selbst am ende krank und zerfallen, immer weiter
gesoffen und blieb deutlich bösartig und
"bissig", zb als ich mich weigerte, ihm bier einkaufen zu gehen, weil
ich sah, in welchem erbärmlichen zustand er war, bedrohte er mich mit ca
25 noch mit prügel, obwohl ich ihn aufgrund seines zustandes hätte
"umblasen" können, denn er war
bereits deutlich "halbtot"
und am ende fand ich einen toten körper halb im bett liegend, embryonal
verkrümmt auf der seite liegend in einer erbrochenen blutlache vor:
ösophagus-blutung aufgrund zerstörtem leberkreislauf, ein klassischer
alkoholiker-tod, nie habe ich
eine leiche derart verachtet (ich war damals gerade in der
krankenhauspathologie beschäftigt, und drängte deshalb auf eine
obduktion von vaters leiche, weil ich mir seinen organischen zustand
gerne um zu lernen persönlich angesehen hätte,
was mutter, die blöde kuh, aber verbot, und das für mich wertvolle
lernobjekt stattdessen verbrennen = kremieren ließ, was ich ihr nie
verzieh, denn einen alkohol-tod im "status nascendi" hätte ich sehr
gerne einmal in allen einzelheiten untersucht,
für mich stand die neugierde im vordergrund, für meine mutter die
"wertlose" pietät, ich erinnere heute noch, wie mutter und ich das am
bett mit dem toten heftig diskutierten)
später im leben fand ich ein probates mittel, den vater in meinem kopf
wegzurationalieren, indem ich mir vorstellte, der mann sei bereits vor
100 millionen jahren gestorben, und müsse mich so wenig interessieren,
wie irgendein anderes tier,
das damals gelebt hat, und das leben hat es insofern gut mir mir
gemeint, als ich beide, vater und bruder, tot in ihren verkommenen
zimmerchen vorfand, und mich so davon überzeugen konnte, dass beide
wirklich und irreversibel tot waren,
was mich keineswegs unangenehm berührte, sondern mir eine art staunen
eingab, staunen darüber, wie exakt die evolution manchmal arbeiten kann
(erkenntnis: man ist nicht nur, was man isst, man stirbt auch, wie man
vorher gelebt hat!)
wh.
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