wh: „woher deine, karl, abneigung dagegen, wäre vermutlich sehr
interessant zu wissen, auch für Dich selbst !
Diese Frage lässt mich immer noch nachdenklich zurück und das längst
nicht nur bezüglich meiner Abneigung gegen Mach resp. einigen Vertretern
des „Wiener Kreises“.
Ich denke, es ist weniger eine Abneigung, als vielmehr ein nicht
hinreichend durchdachter oder zumeist schlichtweg mental verdrängter
Bereich, wie dieser sich mit dem Gesamtkomplex des „Leib-Seele-Problems“
darstellt. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt dabei die
Sozialisation, insbes. wie diese sich unweigerlich und sehr spezifisch
als grundlegende Beeinflussung ergeben hat.
Wir haben hier oft von der Bedeutung und Notwendigkeit geschrieben, sich
beizeiten von derartiger Sozialisation, insbes. von (überkommen)
metaphorisch angelegten Erklärungsmustern zu lösen und durch eigenes
(Nach-)Denken eben dann ein genuin selbst erworbenes Weltbild resp.
Erfahrungspotential aufzubauen.
Dennoch wäre es wohl vermessen anzunehmen, ab einer gewissen Zeitspanne
des Lebens im Besitz eines umfassend zutreffenden – zudem objektiv
gültigen – Weltbilds zu sein. Daher spricht man wohl vom „Weg der
Erkenntnis“ und all jene, die sich wirklich auf diesem befinden, werden
spüren, dass dieser Weg kein Ziel haben kann, sondern dieser Weg - wie
als Sprichwort weit verbreitet - selbst das Ziel ist .
Zurück zu Ernst Mach. Wie kamen wir überhaupt auf ihn?!
Womöglich in Folge meiner kritischen Bemerkung bzgl. Julian Barbours
Buch „The End of Time“. Mein Unbehagen diesem Titel gegenüber und damit
insbes. der damit verbundenen Aussage (die – oberflächlich gesehen -
einer Leugnung des Phänomens der Zeit, wie ebenso jener Carlo Rovellis
„Time does not exist“ gleichkommt) bezieht sich aber keinesfalls auf die
(mir höchst sympathischen) Autoren selbst; zumal beide nicht das Faktum
der Zeit ablehnen, sondern diese in jeweiligen Bezug zur Mikro- und
Makrowelt setzten. Darüber hatten wir schon geschrieben und es ist
sicher lohnenswert, dieses Thema nochmal hier aufzugreifen.
Kritisch gegenüber einer Theorie oder These zu sein, muss also nicht
heißen, dieses auch gegenüber deren Urheber oder Vertreter zu sein, denn
meist zeigt sich bei näherer Beschäftigung (über gewisse Aussagen
hinweg) ein wesentlich weiter gesteckter weltanschaulicher Rahmen, in
dessen Kontext man sich gedanklich wieder einzubringen vermag.
Da trifft definitiv zu auf mein (gespaltenes) Verhältnis zu Mach. Viele
seiner Ideen, Ausarbeitungen (natürlich die auf Mechanik bezogenen), die
sich auf gesellschaftliche Fragen (insbes. Religion) oder besonders auch
auf Philosophie beziehen, sind mir zugänglich. Auch seine Forderung zu
gedanklicher Ökonomie erscheint mir höchst angebracht, ganz im Gegensatz
jedoch zu dem von ihm postulierten Reduktionismus, dem ich grundsätzlich
zutiefst abgeneigt bin. Eher noch akzeptabel wären für mich manche
philosophische Aspekte dieser Auffassung, keinesfalls jedoch
naturwissenschaftliche.
Natürlich kann ich mich (systemisch) als ein Konglomerat aus ca. 6×10^2
^8 UP-Quarks und nahezu der gleichenAnzahl Down-Quarks sehen, was
durchaus Machs „Elementen“ entsprechen würde. Doch das macht mich
(ganzheitlich) nicht als Mensch aus!
Wir hatten hier schon einiges über Emergenz geschrieben (die Du,
Waldemar, vehement ablehnst). Obgleich es einer reduktionistischen
Sichtweise entgegenstehen mag, sollte doch nicht zu leugnen sein, dass
ein Glas Wasser zu trinken, ein durchaus „ganzheitliches“ Empfinden von
Emergenz ist, unbenommen des Wissens um die molekulare Struktur von Wasser.
Wenn ich hier wieder Emergenz in‘s Spiel bringe, tue ich dies
keinesfalls im metaphorischen sondern eindeutig im biochemischen Sinne:
ein einziges Wassermolekül ist nicht „flüssig“ , sehr wohl ein Verbund
von ca. 10^2 ^0 Molekülen, die einen Tropfen Wasser bilden. Die
Begrifflichkeit von Emergenz bezieht sich demnach auf Analogien zwischen
verschiedenen Klassen betrachteter Systeme.
Als emergent wahrgenommene Systeme lassen sich „technisch-prozessual“
nicht auf ihre Teile reduzieren, da die hierzu erforderlichen
Randparameter unverfügbar sind. Hieraus ergibt sich das Problem des
Reduktionismus bei der technisch-systemischen Reduktion aus der Makro-
in die Mikroebene.
Analog hierzu gestalten sich Versuche, die kausale Wirkung mentaler
Zustände auf materielle Vorgänge zu reduzieren.
Auf mein Wasser-Beispiel zurückkommend würde demnach die Empfindung (als
mentaler Zustand) als Sinnesempfindung zu werten sein, die nach
Mach‘scher Annahme einer „naiv-realistischen“ Wahrnehmung (also etwas zu
schmecken) entsprechen würde und damit letztlich nichts anderes ist, als
als ein gedanklich assoziierter Empfindungskomplex, quasi ein
gegenständlich aufscheinendes „Gedankensymbol“.
Natürlich kann man so argumentieren und dieses auch jeder für sich
annehmen. Konsensfähig im umfassend wissenschaftlichen Kontext ist diese
Annahme definitiv nicht!
Daher neige ich weitaus mehr einem antireduktionistischem Konzept zu,
das mir bereits vor Jahrzehnten in David Bohms Buch “Die implizite
Ordnung – Grundlagen eines dynamischen Holismus“ plausibel erschien.
Man muss keinesfalls in einen (schon gar nicht metaphysischen) Holismus
verfallen, sondern könnte letzteren vielmehr als systemtheoretisch zu
wertende Ganzheit resp. Einheit bezüglich der Wechselwirkung zwischen
deren Teilen betrachten. Ich stimme E. Mach natürlich zu, wenn er sich
dagegen ausspricht, diese ganzheitliche Empfindung in „metaphysischem
Sinne“ zu beschreiben, zudem er betont, dass durch die Abstraktion auf
die „Elemente“ eines Ganzen (in diesem Beispiel die Wassermoleküle)
nicht deren Bedeutung verloren geht.
Systemrelevant dabei sind m.E. nicht die mikroskopischen Teile eines
beliebig makroskopischen Ensemble an sich, sondern informationstragende
Teile (per Spinausrichtung), die als strukturbildende Elemente ein
Ganzes darstellen und dieses als selbstorganisierendes System prozessual
selbstreferent korrigieren und erweitern.
Die Information also bildet die eigentlich strukturbildenden Elemente
aus: In-Form-bringen. „It‘s from bit“, das ist J. Wheelers bleibendes
Vermächtnis.
Mein Unbehagen bezieht sich demnach vornehmlich nicht auf die Person E.
Mach sowie großen Teilen seines Werks, sondern auf gewisse Aussagen und
Festlegungen, die sich darüber hinaus im Nachgang - auch durch
unzulängliche bzw. ideologisch bedingte Auslegungen seiner Thesen -
entwickelt haben.
Ausgehend vom psychophysischen Parallelismus, der sich als Fechners
These zum Leib-Seele-Problem etabliert hatte und sich in der Folge über
Riehls „Seelenlehre“zur Identitätstheorie (M. Schlick) entwickelt hat,
erklärt sich meine ablehnende Haltung gegenüber letzterer durch deren
absolut reduktionistischenDuktus.
Selbstredend kann man (nach heutigen Kenntnissen der Neurologie) mentale
Prozesse auf die Physis der Gehirnstrukturen insoweit zurückführen, als
letztere unabdingbare Voraussetzung der neuronalen
Informationsverarbeitung sind (ähnlich wie die Computer-Hardware die
Verarbeitung von programmierter Software voraussetzt).
Um bei diesem Beispiel zu bleiben, sind jedoch Hard- und Software eines
Computers selbsterklärend nicht als identisch gleichzusetzen, sondern
beide „Substanzen“ stehen in einer prozessual - funktionellen Beziehung
zueinander. Die Software ist eine substratunabhängigeGröße und steht
damit definitiv nicht in einer systemischen Beziehung zur Hardware eines
dedizierten Computers, sie wird (sollte) allerdings auf anderen Rechnern
der gleichen Hardwareplattform ebensofunktionieren.
Mit diesem praktischen Beispiel aus meiner Berufswelt möchte ich erst
mal wieder schließen, nicht jedoch ohne mein eigentliches Ansinnen
hinsichtlich der Wertung mentaler Prozesse noch einmal zu verdeutlichen:
Mentale Prozesse als "Psychologisierung" des Geistes zu betreiben, kann
m.E. nicht zu einem tieferen Verständnis hinsichtlich des
Leib-Seele-Problems führen. Doch vermutlich wird noch ein gutes Stück
des oben beschriebenen Wegs der Erkenntnis zu gehen sein, bis man
erkennt, dass Geist keine subjektiv-mentale Instanz, sondern ein
allumfassendes Ordnungsprinzip ist. Das gibt zu denken!
Soweit zu Mach, Gott und die Welt und für den Augenblick!
Mit bestem Gruß! - Karl
PS: Vermutlich werde ich in den kommenden Tagen kaum Gelegenheit haben,
hier zu schreiben bzw. zu antworten. Trotzdem würde ich mich freuen,
wieder mal von Euch hier zu lesen.