Am 25. Oktober 2021 23:08:46 MESZ schrieb Rat Frag via Philweb
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[Philweb]
Hallo,
mir ist etwas aufgefallen. Ein Gedankenblitz, den ich hier einfach mit
euch teilen will, bevor ich ihn wieder vergessen.
Wer sich mit der Philosophie des Altertums befasst hat, der kennt
wahrscheinlich Zenos Paradox. In der historischen Darstellung erfährt
man dann, dass Zeno dieses Paradox aufgestellt hat, um die Doktrin
seines Lehrers Parmenides plausibel zu machen. Parmenides lehrte eine
statische Welt ohne Bewegung, also bewies sein Schüler, dass Bewegung
ein unlogisches Konzept sei.
Das Paradox ergibt sich im Wesentlichen aus der Teilbarkeit einer
Strecke. Wenn der Pfeil die hälfte der Strecke zurückgelegt hat, dann
hat er die andere Hälfte noch vor sich. Wenn er aber die Hälfte dieser
Strecke zurücklegt, dann bleibt ihn wieder eine Hälfte und so weiter.
Weil man immer kleiner teilen kann, so die Idee, kann er sein Ziel
eigentlich niemals erreichen.
Wenn man die zweite Hälfte immer nur halbiert, statt sie komplett zurückzulegen - wie soll
man denn da jemals ankommen?
Ich kann darin nichts paradoxes finden. Das Gegenteil wäre es.
Ein heutiger Leser könnte jetzt meinen, dass diese
Überlegung
eigentlich kurz vor Entwicklung von so etwas wie
Grenzwertbetrachtungen steht und damit eigentlich schon in die
Mathematik führt, die wir heute aus der Oberstufe kennen.
Dem war aber höchstwahrscheinlich nicht so. Eine Restunsicherheit
bleibt, weil wir von Archimedes wissen, dass er ein Papyri in diese
Richtung geschrieben hat, es wäre zumindest theoretisch denkbar, dass
er sich hier inspiriert hat.
Ein weiterer, ähnlicher Fall ist Olberssches Paradoxon.
Wenn wir davon ausgehen, dass der Weltraum unendlich groß, unendlich
Alt und überall mit Sternen gefüllt ist und/oder das Licht unendlich
schnell, dann müsste die Nacht taghell sein. Das folgt daraus, dass
die Sterneflächen so dicht nebeneinander liegen würden, dass es
zwischen ihnen keinen Platz für Dunkelheit geben würde.
Das klingt doch sehr nach einer Überlegung, die uns direkt zum Big
Bang und zur Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit führt, oder?
Anscheinend scheint diese Überlegung aber keine große Rolle bei der
Entwicklung der Theorien gespielt zu haben, nicht mehr heuristisch,
indem sie Forschung angeregt hat.
Es sieht für mich so aus als ob solche Paradoxa wohl leider weder eine
Anregung für Wissenschaftler, noch Künstler oder Philosophen zu sein
scheinen. Das ist eigentlich schade.
Für die Philosophie sind verwirrende Gedankenspiele, wenn sie nicht zu künstlich sind,
schon ein Thema.
Mit freundlichen Grüßen,
der, wie immer, Ratlose.
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