Hallo,
-Zitat RF: "Meine These ist, dass im normalen Alltagssprachgebrauch (sozusagen ohne
philosophische "Überzüchtung") die Referenz auf Wahrnehmungen eigentlich
Unsicherheit anzeigt. Wenn ich sage "ich glaube, ich habe ein rotes Auto
gesehen", dann wird der informierte Sprecher daraus eine gewisse Unsicherheit
entnehmen. Solange wir jedenfalls nicht philosophieren. Sage ich dagegen: "Ich sah
ein rotes Auto" oder "Da war ein rotes Auto", so gebe ich eine Sicherheit
vor."
Im Zusammenhang mit Wahrnehmungen kann man lügen, aber sich nicht irren, außer sie liegen
schon lange zurück und die Erinnerung ist verblasst. Das dürfte daran liegen, daß wir
festgestellt haben, daß man sich irren kann, ohne zu lügen und daß man dem eigenen Erleben
besser nicht immer trauen sollte. In solchen Fällen reden wir dann von blossem Eindruck,
optischer Täuschung, Halluzinationen etc.
Glauben im nicht religiösen Sinn ist etwas anderes als die Wiedergabe eines Erlebens, es
bezieht sich auf einen unbekannten oder auch in Vergessenheit geratenen Sachverhalt, zu
dem man eine mehr oder weniger begründete Einschätzung hat, die man für zutreffend hält.
-Wenn ich beschreibende Sätze mit Bildern vergleiche ist das weniger eine Theorie mit
einigem Erklärungsanspruch, als - ein Vergleich. Auf die Frage "was siehst du?"
könnte ich z.B. "ein Haus" antworten oder ein Haus zeichnen. Wenn die Zeichnung
mehr Zeichen- als Abbildcharakter hätte, es also auf Einzelheiten nicht ankäme, liefe das
aufs gleiche hinaus. Ansonsten müsste das Wort mit weiteren Worten zu einer Beschreibung
vervollständigt werden, um das Abbild ersetzen zu können. Unter einer
"Abbildtheorie" müsste man sich doch wahrscheinlich etwas anderes vorstellen.
-"Verstehen wir den Ausdruck 'Ich kann mich über meine Eindrücke nicht irren'
erst dann klarer, wenn wir das Gegenteil kennen, also angeben können, was wir unter einem
Irrtum über die eigenen Eindrücke verstehen?"
Wie gesagt: verallgemeinert lautet der Satz "das und das ist nicht möglich". Das
verstehe ich nur, wenn ich weiß, was nicht möglich sein soll. Wenn mir Beispiele dafür
gegeben werden. Sonst gaukelt der Satz einen Inhalt vor, den er nicht hat. Den Satz
"ich kann nicht Schlittschuh laufen" verstehe ich ja auch nur, wenn ich weiß,
was der darin enthaltene Ausdruck "Schlittschuh laufen" bedeutet.
Der quasi spiegelbildliche Satz "Ich kann die Eindrücke anderer nicht unmittelbar
teilen" hat es übrigens auch in sich.
-Zitat RF: "Man könnte auch umformulieren: "Auf Ebene der Sinnesdaten ist es
nicht sinnvoll, von richtig und falsch zu reden. Die Sinnesdaten liegen einfach vor oder
liegen nicht vor." Konsens?"
Man muss schon einiges können, wenn man von Sinnesdaten redet (nämlich etwa die
Unterscheidung zwischen Wahrnehmungen und äußeren Gegebenheiten beherrschen). Insofern
"liegen sie nicht einfach vor oder nicht". Sie sind auch nicht das ursprünglich
und unmittelbar Gegebene, von dem man hypothetisch auf eine äußere Entsprechung schließt.
Mit der Unterscheidung kennt man beides. Das eine ohne das andere gibt es nicht.
Richtig ist aber m. E., daß, wo es keinen Sinn hat, von einem Irrtum zu reden, es nicht
sinnvoll ist, von richtig und falsch zu reden.
Grüsse, Claus
Rat Frag <rat96frag(a)gmail.com> schrieb:
Am 29. Januar 2017 um 17:19 schrieb Claus Zimmermann
<Zimmermann.Claus(a)t-online.de>de>:
1) Gibt es einen Unterschied zwischen der
Alltagsaussage "es regnet" und der
Überlegung, ob ich hier nur über meine Eindrücke oder über die Welt jenseits
meiner Eindrücke rede und mich auf das letztere festlege?
Wer die Alltagsaussage macht, wird vielleicht noch zugeben, daß der Eindruck
täuschen kann, aber wird er sich auch wie Descartes sagen "wer einmal lügt,
dem glaubt man nicht, wenn man jede denkbare Betrugsmöglichkeit ausschließen
will"?
Selbst wenn man meint, daß alle Menschen philosophieren, wenn sie "es
regnet" sagen, gibt es noch einen weiteren Unterschied:
Bevor ich die Alltagsaussage mache, sehe ich altmodischerweise aus dem
Fenster, es sei denn, ich verfechte ein Konzept der alternativen Fakten.
Wenn ich der Ansicht bin, daß ich nur über meine Eindrücke reden kann, sage
ich aber nicht, daß ich jeden meiner Eindrücke daraufhin untersucht hätte,
ob ihm etwas außerhalb davon korrespondiert, denn das wäre nur eine
rückwärtsgewandte, nicht prinzipielle, falsifizierbare Aussage, tatsächlich
mit der Alltagsaussage vergleichbar.
Nein, wenn ich, jetzt nicht als Realist, sondern als Solipsist sage "ich
habe den Eindruck, daß es regnet und das ist alles, was ich weiß", lasse ich
im Gegensatz zur Alltagsaussage eine Widerlegung nicht zu, sondern behaupte
ein Prinzip.
Fazit: zwischen den beiden Aussagen liegen Welten.
Wir reden etwas aneinander vorbei.
Dass es einen Unterschied gibt, ob ich über subjektive Eindrücke rede
oder einfach eine Sache behaupte ("es regnet"), darüber herrscht hier
doch Einigkeit zwischen uns. (Und weitere Personen beteiligen sich
nicht an unserer Diskussion. Was bedeutet, dass das Thema entweder
langweilig ist oder technische Probleme vorliegen...)
Meine These ist, dass im normalen Alltagssprachgebrauch (sozusagen
ohne philosophische "Überzüchtung") die Referenz auf Wahrnehmungen
eigentlich Unsicherheit anzeigt.
Wenn ich sage "ich glaube, ich habe ein rotes Auto gesehen", dann wird
der informierte Sprecher daraus eine gewisse Unsicherheit entnehmen.
Solange wir jedenfalls nicht philosophieren.
Sage ich dagegen: "Ich sah ein rotes Auto" oder "Da war ein rotes
Auto", so gebe ich eine Sicherheit vor.
So eine "ich glaube"-Aussage macht man eben in zwei Zusammenhängen:
Religion und um Unsicherheit bezüglich einer Aussage anzuzeigen.
Ebenso wie "wohl" ein einem Satz oder "ich denke".
Naja, eine dritte Möglichkeit gibt es schon noch: Bei psychologisch
geschulten, sehr diplomatischen Leuten, wie "ich erlebe Sie als
aggressiv". Damit sieht man davon ab, jemand anderen seine Deutung "du
bist aggressiv" aufzudrängen. Man nimmt sich bewusst zurück, um ein
Entgegenkommen zu ermöglichen. Ist aber auch sehr situationsabhängig.
2) Sind beschreibende oder behauptende Sätze (für
andere Satzarten muss das
nicht gelten) mit Bildern vergleichbar?
Ich versuche eine andere Theorie vorzutragen und zu verteidigen.
4) Ich fragte nach einem meinetwegen fiktiven
Beispiel, in dem du sagen
würdest, daß du dich über einen Eindruck geirrt hast, damit mir die Aussage
"ich kann mich über meine Eindrücke nicht irren" verständlich wird. Darauf
antwortest du mit der Beschreibung eines Irrtums über einen Sachverhalt,
nicht aber über einen Eindruck, wie ich es ausdrücken würde, ich glaube in
Übereinstimmung mit der üblichen Ausdrucksweise.
Verstehen wir den Ausdruck erst dann klarer, wenn wir das Gegenteil kennen?
Man könnte auch umformulieren: "Auf Ebene der Sinnesdaten ist es nicht
sinnvoll, von richtig und falsch zu reden. Die Sinnesdaten liegen
einfach vor oder liegen nicht vor." Konsens?