Am 19.04.2025 um 11:03 schrieb Karl Janssen über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Aus dieser Sicht wäre Dein Argument verständlich, Du hattest aber eindeutig geschrieben,
dieses Land sei ein Gottesstaat und auf diesen Begriff bezogen gibt es doch keine andere
Schlussfolgerung, als sie mit der Staatsform eines islamistischen Gottesstaates und dessen
autokratischem Staatssystem zu assoziieren ist. Als Frage bliebe diesbezüglich, welche
Kriterien Du erfüllt siehst, um dieses Land eben als Gottesstaat zu definieren. Sollte
hierzu der dementsprechende Staatsvertrag (röm. kath. Konkordat) ausschlaggebend sein und
nicht etwa Art. 4/GG, wonach die Freiheit von Religion, Gewissen und Weltanschauung
verbürgt ist?
Moin Karl,
Du scheinst überhaupt nicht gelesen zu haben was ich schrieb: „Der hiesige Staat versteht
sich als Verfassungsstaat und in der Verfassung steht, dass sich das deutsche Volk
angeblich auch vor „Gott" diese Verfassung gegeben hat. Zudem wird im GG der Kirche
ein eigenes Kirchenrecht zugestanden, der Staat zieht für die Kirchen die Steuer ein,
finanziert aus Steuergeldern konfessionelle Institutionen, legt per Gesetz für alle die
konfessionellen Feiertage fest — und regelmäßig legen die meisten Regierungsmitglieder
ihren Amtseid auch auf „Gott" ab. Das also meine ich mit Gottesstaat und auch Du
könntest es Dir so gedacht haben. Warum gibt es hierzulande keine strikte Trennung von
Staat und Kirche? Wäre das der Fall, wäre meine Behauptung widerlegt“. Danach sind bspw.
Frankreich und Japan demokratische Säkularstaaten, Deutschland ist ein demokratischer
Gottesstaat, China ein autokratischer Säkularstaat und Iran ein autokratischer
Gottesstaat.
Und wieder
reagierst Du emotional.
Was sollte daran verwerflich sein?
An Emotionen ist nichts verwerflich, sie sind die Domäne des Alltags und der Kunst,
sollten aber aus Politik und Wissenschaft herausgehalten werden, tragen sie doch nichts
zur rationalen Argumentation bei. In der Politik sind sie zumeist sogar gefährlich. Als
Beitrag zur literarischen politischen Philosophie der Gegenwart sehe ich die „Trilogien
des Scheiterns“ genannten Romane Wolfgang Koeppens und Christoph Peters' an, geht es
doch mit Schwarz/Rot aus dem Sandkasten Berlin wieder zurück ins Treibhaus Bonn der
Adenauerzeit. Den Romanen Koeppens: „Tauben im Gras, Das Treibhaus, Der Tod in Rom“
entsprechen die des Christoph Peters: „Krähen im Park, Der Sandkasten, Innerstädtischer
Tod“.
Hinsichtlich der Filmkunst könnte die Trilogie des Scheiterns mit Fassbinders BRD-Trilogie
verbunden werden. Aus dem Treibhaus Bonn ließe sich bis heute bereits ein globales
Treibhaus herausschreiben, nicht nur streng argumentativ, sondern auch hochemotional. Und
noch emotionsgeladener wäre das Nibelungenlied in der Ausgestaltung durch Wagner in seiner
Ring-Tetralogie des Scheiterns hinzuzunehmen. Ich werde mich vorerst schwarz humoristisch
mit „Das Leben des Brian“ und „Das brandneue Testament“ vergnügen: Gott existiert. Er lebt
in Brüssel …
Genügt unser
beider Denkmuster hinsichtlich des Gottesstaates nicht dem Schema: Definition, Satz,
Beweis? Deine Definition ist durch den Bezug auf Autokratie nur enger. In der Mathematik
wird das Schema seit Jahrtausenden verwendet, warum nicht auch in der Philosophie?
Wie wolltest Du denn nach diesem Schema die Begrifflichkeit eines Gottesstaats, als
grammatikalische Komposition aus Gott und Staat beweisen können?
Das habe ich im oben wiederholten Text doch ausgeführt. Er enthält Definitionskriterien
und einen Anwendungsfall als Existenzbeweis.
Wir hatten hier sehr lange über Goedels Gottesbeweis
diskutiert (Ratfrag hatte seinerzeit das Thema aufgebracht) und sind übereingekommen, uns
der allgemeingültigen Definition anzuschließen, wonach es keinen wissenschaftlich strengen
Beweis gemäß der Methode von Definition - Satz - Beweis geben kann. Wenn somit ein Gott
nicht bewiesen werden kann, gilt das auch für den Begriff eines Gottesstaats, unbenommen
der Möglichkeit, den Begriff von Staat - als politische Organisation gesehen - somit als
Staatsform gem. o. benannten Schema beweisen zu können.
Das ist Deine Lesart zum Gottesbeweis Goedels, den nicht erst Ratfrag, sondern schon
Stefan Kober aufgebracht hatte. Ich hatte mich ihm angenommen, auch um zu zeigen, wie das
Argument eines Kontrahenten möglichst stark gemacht werden kann. Welcher Gottesbeweis
genügt schon den Ansprüchen eines herausragenden Mathematikers? Und natürlich kann mit dem
Goedelschen Beweis Gott als positive Universalsubstanz notwendig bewiesen werden — wenn
seiner Modallogik gefolgt wird.
Der Beweis folgt doch genau streng wissenschaftlich dem Schema: Definition, Satz, Beweis.
Ich verstehe nicht, wie Du das nicht sehen kannst. Dass die meisten Menschen unter „Gott“
alles Mögliche verstehen und es ihnen nicht auf Nachvollziehbarkeit ankommt, hatte ich
wiederholt hervorgehoben und ein Beispiel für ein Alltagsverständnis von „Gott"
gegeben, nämlich als ideierbares Ich-Ideal. Im Gegensatz zu Goedels Universalgott gäbe es
damit natürlich viele Götter.
IT