Ich antworte ausdrücklich nur, um meinen neuen Account auszuprobieren. Sonst hätte ich nämlich die Klappe gehalten.Meiner Meinung nach ist die Frage einfach, unphilosophisch und zeitlos zu beantworten. Wenn man nichts zu sagen hat - so geht es mir meistens - sagt man nichts und überlegt sich vielleicht allenfalls, ob einem nicht vielleicht etwas mitteilenswertes einfällt. Das ist ausdrücklich nicht als Kritik an irgendjemandem gemeint, sondern ganz allgemein gesagt.Wenn man etwas zu sagen haben meint, sagt man es und kümmert sich nicht darum, ob und wie es ankommen könnte.Beste Grüße, Claus
null
Du sagst, daß es am Anfang der Demokratie nicht demokratisch zugeht. Das ist wie gesagt insofern nicht möglich, als es noch keine Regeln gibt, an die man sich halten könnte. Aber es ist ein Unterschied, ob man sich dabei einigermaßen im Sinn der späteren Regeln oder eher diktatorisch verhält. Im zweiten Fall würde ich dir recht geben. Aber auch im ersten meinst du ja: diejenigen, die sich das nicht ausgedacht haben und vielleicht einfach in Ruhe weiter Ackerbau und Viehzucht treiben wollen, werden da plötzlich in irgendetwas ihnen fremdes verwickelt, zu dem sie jetzt Stellung nehmen sollen. Ist das vielleicht demokratisch oder grenzt es nicht an eine Vergewaltigung? Wenn es nicht so wie im zweiten Fall abläuft, ist es das normale Leben. Wer das nicht will, sollte auf eine einsame Insel ziehen. Da wird er nicht mit neuen Ideen behelligt. Man könnte ja auch umgekehrt sagen: die Vorstellung, daß das Leben stillzustehen habe, ist eine Zumutung für die etwas weniger trägen Naturen. Die Anhänger der früheren Lebensweise sollen das Recht haben, sich herauszuhalten, das aber nicht für allgemein verbindlich erklären dürfen.Claus
null
m 22.06.2019 um 13:46 schrieb Rat Frag:
/"Ich halte grundsätzlich die Ideen für Spannend, die das Problem des //
//Bewusstseins plötzlich aus einem völlig anderen Blickwinkel //
//betrachten. Eben die Theorie, dass es ein "Bewusstsein" eigentlich //
//nicht gibt, aber auch anderes."/
Obgleich die Betrachtung bzw. das Hinterfragen, was denn „Bewusstsein“
sei, nach wie vor aus verschiedensten Sichtweisen und beliebig
unkonventionellen Blickwinkeln geschieht, lässt sich bisher keine
allgemein gültige Begriffsbestimmung finden. Das ist nicht
verwunderlich, denn Bewusstsein kann als ein alleiniger Begriff
unmöglich für jegliche damit in Verbindung gebrachte mentale Phänomene
stehen. Es gilt also auch diesbezüglich die von Claus hier vorgebrachte
Argumentation:
„Wir können Worte durch Worte erklären oder durch Beispiele, die dem
entsprechen, das die Worte beschreiben. Am Ende der Erklärung muss aber
ein Beispiel stehen, das nicht durch Worte erklärt oder beschrieben,
sondern nur präsentiert werden kann. Sonst müssten wir immer
weiterfragen, was denn die erklärenden Worte bedeuten und wüssten daher
nie, was das zu Erklärende bedeutet. „
Um diesem unendlichen Regress samt diesen unsäglich fruchtlosen
(Qualia-) Diskussionen der Philosophie des Geistes zu entgehen, könnten
tatsächlich „Beispiele“ weiterhelfen. Es wären „Beispiele“, die sich
konkret aus der mittlerweile gut funktionierenden interdisziplinären
Forschung zu einem mehr und mehr schlüssigen Gesamtbild formen, denn
Philosophie, Psychologie und Neurowissenschaft etc. oder gar Religion
jeweils alleine haben es bisher nicht und würden es künftig nicht
leisten. Weiterhelfen wird vor allem aber nicht, Bewusstsein per se
gänzlich in Frage zu stellen bzw. radikal abzulehnen, wie etwa durch
Ausprägungen des eliminativen Materialismus; letzterer vornehmlich mit
dem Argument, Alltagspsychologie (common-sense psychology) sei zur
Erklärung der damit beschriebenen und erklärten mentalen Zustände nicht
tauglich. Das zeugt von einer durch puren Reduktionismus verstellten
Sicht auf diese Phänomene, die eben nicht nur ausschließlich von
mentaler, sondern wechselwirkend von ganz- und auch außerkörperlicher
Art sind. Es ist ja nicht so, dass die mit traditionell
umgangssprachlich, intersubjektiv ausgedrückten Zustände und
Empfindungen menschlichen Innen- bzw. Seelenlebens unzutreffend sind,
wenngleich unterschiedliche und bisweilen konträre Ausdrucksformen zu
den üblichen Missverständnissen führen.
Sinnvollerweise sind im Kontext des Bewusstseinsbegriffs bereits
funktionelle und damit auch begriffliche Unterscheidungen vorgenommen
worden. Deren populärste sind wohl Freuds Annahme, dass ein
„Unbewusstes“ (als Gegenpart zum bewussten Alltagserleben) existieren
müsse und daraus abgeleitet C.G. Jungs „kollektive Unbewusste“.
Jedenfalls haben diese Erkenntnisse die wissenschaftliche Psychoanalytik
begründet, die heute noch maßgeblich davon beeinflusst ist.
Freuds topisches Modell von „bewusst“ und „unbewusst“ (bw/ubw) war der
Vorläufer seines Instanzenmodells von „Es, Ich und Über-Ich“. Sein
berühmter Ausspruch allerdings: „Wo ES war, soll ICH werden“, wird für
viele Zeitgenossen nach wie vor rätselhaft.sein. Freud nimmt damit eine
eindeutige, strukturelle Zuordnung des Unbewussten in das „Es“ vor. Das
„Ich“ und „Über-Ich“ spielt sich dagegen überwiegend bewusst ab und
bildet sich für jeden hinreichend gesunden Menschen als diese
untrügliche Bewusstheit seiner individuellen Existenz ab. Sich seiner
Existenz denkend bewusst sein (cogito ergo sum, aber auch visuell
wahrnehmend: video ergo sum) ist die unverbrüchliche, wenngleich „nur“
virtuelle, illusionäre aber dennoch lebensbedingende Basis von
Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen. Unabhängig von beliebig
kontroversen Diskussionen, Interpretationen, Denkschulen etc., die sich
durch fließende Grenzen zwischen diesen Instanzen ergeben, ist der
intakte Austausch zwischen ES, ICH und Über-ICH jedes Menschen
essentiell für sein geistig gesundes (Über)Leben. Die Interaktion
zwischen diesen Bewusstseinsebenen lässt sich nicht (herkömmlich)
reduktionistisch auf verständliche Erklärungsmodelle herunterbrechen, da
es sich um nichtlineare Transformations- und Verarbeitungsprozesse
handelt. Die Zusammenhänge resp. die Funktionen zwischen Gehirn, Geist
und eben Bewusstsein lassen sich m.E. bestenfalls bedingt
systemtheoretisch ggf. mit chaostheoretischen Ansätzen erfassen und
beschreiben. Das Gehirn als Ganzes ist ein komplex offenes, nichtlinear
agentenbasiertes System mit den Basiseigenschaften von Emergenz und
Selbstorganisation. Beispielgebend könnten somit Modelle sein, die in
der Neuronalen Informationstechnik erforscht und erprobt werden
(Neuronale Korrelate, Konnektionistische Modelle, PDP, IIT, etc.). Top
down (vom Bekannten zum unbekannten, emergente Prozesse etc).
Soweit man, abgesehen von ohnehin nicht zutreffenden szientistisch
verkürzten Weltbildern, derzeit überhaupt in der Lage ist, das
Verhältnis Gehirn – Geist/Bewusstsein zu beschreiben, kann eines bereits
als gesichert gelten: Permanent informationsverarbeitende
Konstruktionsprozesse entwerfen im (gesunden) Gehirn aus allen
verfügbaren ganz- und außerkörperlichen Inputs ein hinreichend
konsistentes Bild individueller Körperlichkeit und vom dementsprechend
empfundenen ICH bzw. Selbst. Es ist demnach nicht die Physis des
Gehirns, die Geist/(Selbst)Bewusstsein repräsentiert, sondern letzteres
wird durch spezifisch im Gehirn ablaufende Systemprozesse als virtuelles
„Selbstmodell“ hervorgebracht.
Dieses illusionäre (dennoch konkret durch Gehirnfunktionen
bereitgestellte) Selbstmodell ist unabdingbar stabilisierende Basis für
das Urvertrauen des Menschen, sich als seiner selbst zu erkennen, selbst
zu sein und mit seiner Körperlichkeit konkret im jeweiligen Lebensumfeld
zu überleben.
Also kann (je nach Sichtweise und Interpretation) gelten:
Es ist/gibt kein (physisch messbares) „SELBST“, kein „ICH“, kein
Bewusstsein,
UND
Es ist/gibt ein „SELBST“, ein „ICH“, ein Bewusstsein.
Gültigkeit des ersten Terms, weil er „nur“ als Illusion (ständig
ganzkörperlich wechselwirkend) gehirnsystemisch erzeugt wird, jedoch
physisch nicht messbar ist. Gültigkeit des zweiten Terms, weil er
(obgleich virtuell) unabdingbar konkret lebenserhaltende Funktion hat.
Für beide gilt überdies, dass das "SELBST" (glücklicherweise) laufender
Veränderung unterworfen ist, und zudem als Initiator/Attraktor für
epigenetische Anpassungen/Veränderungen wirkt, was als wesentliche
Voraussetzung für Entwicklungsphasen des Menschen pro Lebenszeit
angesehen werden kann.
Das Bewusstsein, das SELBST/ICH ist ein permanent
informationsverarbeitender Prozess.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! Karl
Nur ganz kurz: Ich finde, man kann ersten Demokraten nicht vorwerfen, daß sie nicht im Rahmen bestehender demokratischer Institutionen und Verfahren gehandelt haben. Es gab für sie ja noch keine. Man muss sie danach beurteilen, ob sie in einem demokratischen Geist gehandelt haben. Das ist doch der der Selbstbestimmung. Natürlich schaffen sie damit Startbedingungen für die, die nach ihnen kommen. Aber wenn sie ihnen kein Zwangssystem, sondern ein offenes System hinterlassen, könnten die doch eigentlich "danke" sagen.Ich weiß nicht, ob das mit den ersten Demokraten auf die Gründerväter zutrifft, da fehlen mir die Detailkenntnisse. Sie wurden ja offenbar schon gewählt. In einer repräsentativen Demokratie sollten die Abgeordneten den Wählern zwar vorher sagen, was sie vorhaben, müssen aber nach der Wahl nicht den Wählerwillen exekutieren, auf die Gefahr hin, dann nicht wiedergewählt zu werden.Aus unserer Sicht mögen frühere Wahlen schwere Mängel gehabt haben. Dann ist für mich eine entscheidende Frage, ob es die Möglichkeit gab (wenn auch vielleicht nicht für jeden), etwas an diesem Zustand zu verändern und etwa Selbstbestimmung für alle zu fordern, ohne daß einem dann die Obrigkeit an den Kragen geht. Das Paradies auf Erden wird es vermutlich nicht geben. Umso wichtiger ist die Möglichkeit der Selbstkorrektur.Es geht natürlich nicht, daß ein Gesetz schon deshalb in Kraft tritt, weil es in diesem Gesetz steht. Darüber entscheidet der Gesetzgeber. Ich nehme an, das waren die Gründerväter als gewählte Abgeordnete und ihre Nachfolger hatten das gleiche Recht.Grüße, Claus
-------- Ursprüngliche Nachricht --------Von: Rat Frag via Philweb <philweb(a)lists.philo.at> Datum: 04.05.19 08:50 (GMT+01:00) An: philweb <Philweb(a)lists.philo.at> Betreff: [Philweb] Die Luecke am Anfang jeder Demokratie [Philweb]Sehr geehrte Leserinnen und Leser der Phil-Liste,Liebe Mitschreiber beiderlei Geschlechts,ich habe mir in den letzten Tagen einige Gedanken gemacht und versuchediese, mal wieder, hier zu verbreiten, um damit eine Kritik zuermöglichen. Auch möchte ich damit mein Gehirn zwingen, eine möglichstlogische Ordnung zu finden.Folgender Ausgangspunkt der ÜberlegungDie Gründerväter der Vereinigten Staaten haben bekanntlich eineKonferenz abgehalten. Am Ende dieser Konferenz stand eine neue,ausgearbeitete Verfassung, die im Wesentlichen bis heute ihreGültigkeit hat.Das Problem ist jetzt, dass erstens die Leute, die die Gründerväterauf den Weg geschickt haben, gar nicht beabsichtigten eine neueVerfassung auszuarbeiten. Sie waren unter Umständen mit der altenKonförderationsverfassung vollständig zufrieden. Zweitens enthält der7 Artikel der Verfassung eine Regel, die festlegt, wann die neueVerfassung in Kraft tritt.Grade das hat meinen Geist gefesselt, denn hier regelt ein Gesetz dieKriterien seines Inkrafttretens selbst.Versetzten wir uns einmal ein die Lage so eines Abgeordneten,gleichgültig ob amerikanisch oder französisch: Wir wurden durch dasVolk (oder durch weitere Parlamente) gewählt, um gewisse spezifischeFragen zu beantworten. In Frankreich ging es um Steuern, in den USAsoweit ich weiß um Zollfragen. Das Volk hat uns in diesem Falleletztlich gewählt, um vor dem König (oder unter den einzelnen Staaten)seine Interessen betreffend dieser einen Frage zu vertreten. Niemand,der uns gewählt hat, hätte zu diesem Zeitpunkt ahnen können, dass wiruns zusammensetzen, um eine neue Verfassung zu entwerfen.Folglich, streng genommen, sind wir zu dieser Handlung selbsteigentlich nicht demokratische legitimiert. Natürlich könnte man dasProblem lösen, indem man eine Volksabstimmung fordert mit der Frage"Soll der Konvent eine neue Verfassung ausarbeiten? Ja oder Nein?"Es stellt sich hierbei nur die Frage: Impliziert eine solcheVolksabstimmung nicht breits eine Form der Demokratie? Schließlichwurden dabei eine Reihe von heiklen Entscheidungen schonvorweggenommen. Wer darf abstimmen, wer gehört in dem Sinne zum Demos?Dürfen Strafgefangene abstimmen? Leute, die wegen Schulden inBeugehaft sich befinden? Frauen oder Sklaven? Für die Abgeordneten desBallhauses in Frankreich und den US-Gründervätern scheint es offenbarkein Problem gewesen zu sein, Sklaven und Frauen von der Wahlkategorisch auszuschließen. Dabei mussten auch diese Gruppen unter denEntscheidungen leiden.Auch der Modus, in dem ein solcher Konvent gewählt wird, hatAuswirkungen. Ein Majorzwahlrecht mit Ein-Mandats-Wahlkreisen führt zueiner anderen Zusammensetzung des Konvents als eine Listenwahl odereine Wahl nach Präferenz, wie wir es zum Teil bei Wikipedia bestaunendürfen. Man könnte theoretisch auch fragen, wieso es keine Quoten fürbestimmte Gruppen geben sollte, seien es geographische oder sonstigeoder warum nicht einige Abgeordnete auch ausgelost werden sollten.Auch stellt sich hier eine nicht von vornherein illegitime Frage:"Wieso dürfen die Wähler zum Zeitpunkt X einen neuenVerfassungskonvent wählen, spätere Wähler aber nur eine Legislativeoder ein Parlament und dergleichen? Warum darf diese VersammlungGesetze mit Verfassungsrang verabschieden, spätere müssen sich aber andie Regeln dieser Versammlung halten?"Es erscheint in der Tat willkürlich, wieso z. B. im Falle der USA dieGründerväter eine Verfassung verabschieden konnten, spätereGenerationen aber nur noch im Rahmen dieser Verfassung politischagieren sollten. Selbst eine Art permanente Verfassungsentwicklung,wie es teilweise im Vereinigten Königreich der Fall ist, ist keineAntwort auf die Frage. Denn dort gibt es einen de facto Ist-Zustand,der auf vorangegangenen Konventionen basiert. Es gibt hier zwar keinenprivilegierten Zeitpunkt X, aber dennoch eine Reihe vonEntscheidungen, die von ganz anderen Leuten im anderen Zusammenhanggetroffen wurden.Das Problem scheint mir mit einem Satz zu lauten: Man kann dieAusgangsbedingungen einer Demokratie nicht seinerseits demokratischlegitimieren. Am Anfang jeder Demokratie muss eine Art diktatorischeroder revolutionärer Akt stehen, in welchen ein Verfassungsgeber, "Ratder Weisen" oder ein hobbesianischer Friedensverhandlung sich selbstlegitimiert.Die Juristen (Staatsrecht) haben sich ebenfalls mit diesem Problembefasst und sind zum Konzept der "Volkssouveränität" gelangt. Nachdiesem Konzept ist das Volk "souverän" also auch über dem Gesetzstehend.Mit dieser souveränen Kraft kann das Volk dann auch jederzeit eineVerfassung absetzen oder eine neue bestimmen. Das Konzept mag ausjuristischer Sicht passend sein (die Juristen haben damit wohlBauchschmerzen, sagt das Internet), aber das philosophischer Sichtbleiben fragen offen:- Wieso liegt die Souveränität grade beim Volk? Könnte man sich nichtvorstellen, diese Souveränität etwa beim Parlament liegt (wie inEngland vielleicht) oder irgendwer sonst? Wieso sollte überhauptjemand über den Gesetz stehen können?- Wieso sollte es so etwas wie einen Souverän überhaupt geben?- Auch ist die Lehre lückenhaft. Was ist mit der Wahl, wie setzt sichder Konvent zusammen und wann entscheidet er, Konvent zu sein? Es gibtkeine schlüssige Antwort, die sich aus dem Konzept der Souveränitätdes Volkes ergibt.Was denkt ihr soweit? Ist meine Schlussfolgerung (Demokratie beginntquasi als Revolution) korrekt? Oder habe ich etwas übersehen, was michwiderlegt?Gruß in die Runde,Ratfragender._______________________________________________Philweb mailing listPhilweb@lists.philo.athttp://lists.philo.at/listinfo/philweb
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> Am 14.05.2019 um 00:13 schrieb Rat Frag <rat96frag(a)gmail.com>:
>
>> Am Mo., 13. Mai 2019 um 01:22 Uhr schrieb K. Janssen <janssen.kja(a)online.de>:
>> Von meiner Seite zu diesem Anlass vielen Dank dafür an alle
>> List-TeilnehmerInnen!
>
> Ich hoffe, dass ich hier keine unrühmliche Ausnahme bilde.
Definitiv vorbildliche Diskussionsbeiträge von Dir!
>
>> Das ist durchaus richtig, soweit man die dominant oberflächliche
>> Kulturszene erlebt (insbes. auch das in Medien verbreitete Bild von
>> Philosophie, wo selbsternannte und eben von diesen Einrichtungen als
>> modern gepriesene Philosophen sich als plappernde Zeitgenossen in
>> diversen Talkshows erweisen, wo sie sich letztlich nur in
>> Gesellschaftskritik anstatt in wirklich philosophischer Betrachtung ergehen.
>
> Gesellschaftskritik ist eben "relevant". Eine Analyse z. B. der
> Voraussetzungen des menschlichen Erkenntnisapparates dagegen ist es
> nicht. Es sei denn natürlich, eine neue Kunstinstallation befasst sich
> damit. Ein Essayband zum Thema ist dagegen nix.
>
> Teilen Sie eigentlich meinen Eindruck, dass die analytische
> Philosophie es dabei besonders schwer hat, gehört zu werden?
> Prominente Vertreter "der Philosophie" sind fast immer Anhänger
> anderer Auffassungen.
>
Ja, diesen Eindruck teile ich, denke aber, dass es auf eine gute Balance zwischen den Disziplinen ankommt. Generell ist „Balance“ für mich ein „Zauberwort“, natürlich nicht nur als Wort, vielmehr als Zustand.
>> Hier würde ich spontan Einspruch erheben wollen: Erstens - alle
>> geschätzten Hochschullehrer hier mögen mir vergeben - kann es geradewegs
>> von Vorteil sein, Philosophie nicht im Rahmen und im Zwang eines
>> Lehramtes betreiben zu müssen.
>
> Das meinte ich damit eigentlich auch. Die Philosophie hat sich zum
> Teil bewusst im Kampf gegen die etablierte Universitätsphilosophie
> behaupten müssen.
>
Das ist mir erst - nachdem ich spontan drauf eingegangen bin - aufgegangen. So sind wir hierzu gleicher Ansicht :) und nebenbei habe ich damit ein aktuelles Beispiel gegeben für vorschnell angenommene Sachverhalte :(
> Ich könnte ja auch umgekehrt bedeutende Philosophieprofessoren
> aufzählen, die nicht wollten, als Philosoph bezeichnet zu werden: E.
> Mach oder Feyerabend, die sich mehr als "intellektuelle Wanderer"
> sahen oder Arendt.
>
>> Nietzsche hatte eine Professur in Basel und diese tatsächlich als
>> Philologe; trotzdem ist er für mich einer der größten Philosophen
>> bisher. Man wird das erst erkennen, wenn man (wie er) die wirklichen
>> Dramen dieser Welt entweder selbst erlebt hat oder diese zumindest
>> zutiefst nachvollziehen kann. Das er "nebenbei" einen vorzüglichen und
>> verständlichen Schreibstil pflegte, zeichnet ihn zusätzlich aus.
>
> Manche Aphorismen von Nietzsche sind auch eher dunkel und das bewusst.
> Nietzsches Einfluss war spürbar Schopenhauer und die antiken Autoren,
> das waren die Hauptquellen.
>
Und genau das macht meine Affinität zu diesen beiden aus...
>> Pascal hat mich mehr mit seiner Mathematik begleitet und beeindruckt als
>> mit seiner Philosophie. [...]
>
> Pascal ist einer der letzten großen christlichen Apologeten. Deshalb
> erwähnenswert. Meine Aufzählung von Philosophen diente ja einem
> anderen Zweck, nämlich zu unterstreichen, dass der Lehrbetrieb an den
> Universitäten nicht gleich Philosophie sein muss.
>
Wie gesagt, Pascal sehr in Ehren bei mir bzgl. seiner Verdienste in Physik und Mathematik. Als christlicher Apologet spricht er mich nicht an, was nicht heisst, dass ich mich den Atheisten zurechnen würde; nicht jenen, die genau am entgegengesetzten Ende einer Skala wie blind Glaubende (welcher Religion und Konfession auch immer) als blindwütige Materialisten ihr, auf puren Physikalismus reduziertes jämmerliches Leben durchbringen.
> Man muss vielleicht verschiedene "Denkschritte" differenzieren. Wenn
> man an eine göttliche Gerechtigkeit glaubt, fällt es einem vielleicht
> auch leichter zu ertragen, wie viel unrecht auf der Welt geschieht,
> ohne dass es bestraft wird. Man hat dann eben die Hoffnung, dass es
> jenseits der Welt eine Strafe und eine Belohnung gibt.
>
> Der Mechanismus ist wohl vergleichbar mit der Deontischen Ethik.
Ja, denke ich auch und daher würde ich differenzieren wollen zwischen Pflicht gegenüber sich selbst (sich selbst in die Pflicht nehmen mittels uns gegebenen Verstand und Vernunft sowie uns eingeborenem Vermögen zu Empathie) als einer Pflicht gegenüber eines angenommenen bzw. geglaubten Gottes.
Hoffnung auf einen Gott, der kraft seiner Omnipotenz Strafe und Belohnung für Menschen bereithält, die sich nach ihrem Tod in irgendein Jenseitiges wünschen bzw. dieses fürchten, ist für mein Empfinden eine schwache Hoffnung bzw. schwacher Trost.
Ich denke, habitable Lebensräume wie diese Erde könnten an sich ein Stück „paradisischer“ sein, sobald sich ihre Bewohner von Natur- zu (wirklichen) Kulturwesen entwickelt haben. Es sollte uns eigentlich heute schon klar sein, dass „Himmel und Hölle“ hier im irdischen stattfinden. Wer‘s nicht glauben will, schaut zum Nahen Osten, schaut in die Höllen degenerierter, von Materialismus/Kapitalismus zersetzte Gesellschaften, hört sich aberdutzende Geschichten aus Ehehöllen an; oder begibt sich in die Fänge moderner Medien (soz. Netze, TV etc.). Das hat schon irgendwie Endzeitcharakter. Für mich als Techniker ist das relativ einfach zu lösen: „Reset“ und Neustart! Das BIOS ist unglaublich grossartig programmiert; für dann wieder zu entwickelnde „APPS“ werden künftige Generationen verantwortlich sein, ggf. mit überwiegend „himmlischen Programmen“.
Bester Gruß an Dich und in die Runde! Karl
Unsere nun aufgekommene Diskussion über Bewusstsein (als meinen Einschub
zu rf‘s Thema „warum glauben...“) zeigt, wie schwierig es ist, diesen im
Alltagsgebrauch oft nur beiläufig verwendeten Begriff (z.B. bei
Bewusstsein sein als Ausdruck für Wachsein) in seiner eigentlichen Tiefe
zu betrachten.
RF hat kürzlich hier mit „Philosophie als Diversifiktionsstrategie“
einen „Thread“ eröffnet, den wir ja parallel weiterführen können. Und
obgleich Philosophie ja schlechthin für Diversität bei der Vertiefung
zahlloser Themenbereiche steht, würde es sich anbieten, wegen der
spezifischen Vielschichtigkeit des Bewusstseinsbegriffs hier ein eigenes
Thema für seine gemeinschaftliche Erörterung anzulegen. Zwingt doch die
Beschäftigung damit, vor allem aber der Austausch von Ansichten bzw.
Fakten zu einer hilfreich vertiefenden Hinwendung auf diesen
hochkomplexen Themenkreis, gleich, ob unter philosophischen,
psychologisch-medizinischen oder naturwissenschaftlichen
(kybernetischen) Aspekten betrachtet. Allerdings halte ich (wie zuletzt
hier schon ausgedrückt) in Anbetracht des derzeitigen geistes- wie
naturwissenschaftlichen Wissensstands es immer noch für ausgeschlossen,
eine allgemeingültige, gewissermaßen axiomatisch anzunehmende
Begriffsdefinition entwerfen zu können. Sutherland muss schon sehr
ernüchtert ob seiner Beschäftigung mit dem Thema gewesen sein, wie es
ein Eintrag in ‚The International Dictionary of Psychology‘ vermuten
lässt: „Consciousness is a fascinating but elusive phenomenon; it is
impossible to specify what it is, what it does, or why it evolved.
Nothing worth reading has been written on it.“ Man muss die Sache sicher
nicht so kritisch wie er sehen und ich will auch nicht einem du
Bois-Reymond („Ignoramus et ignorabimus“) das Wort reden, zumal ich doch
überzeugt bin, dass der Mensch nicht ruhen wird, zu den Gründen dieses
ihm überlebenswichtig innewohnenden, fundamental untrüglichen Empfinden
von Bewusstheit seines Selbstseins vorzudringen.
Ähnlich, wie Naturwissenschaft die Menschheit (in aufgeklärten
Gesellschaften) aus einem zu Zeiten zwangsläufig dunklen Wissen um diese
belebte Welt zu einem heute vorherrschendem Welt- und Menschenbild mit
unvorstellbarer Tiefe und Präzision geführt hat, wird wissenschaftliche
Forschung zu gegebener Zeit die Grundlagen erarbeitet haben, um eine
interdisziplinär angelegte, definitiv zutreffende Erklärung von
Bewusstseinsstrukturen zu bieten. Das Phänomen Bewusstsein an sich,
insbes. Qualia, wird allerdings nicht in herkömmlicher Art durch eine
kausal-deterministische Erklärung zu definieren sein. Eher wird man
sich auf Basis neuer Erkenntnisse der Kognitionswissenschaft und
Neurobiologie mittels heuristischer Methoden (Kausalbeziehungen zu
neuronalen Gehirnstrukturen etc.) dem Ziel nähern können, eine Erklärung
für die Entstehung von Bewusstsein zu finden, was allemal zielführender
sein wird, als dieses Phänomen (D. Chalmers: „the hard problem“)
zuvorderst an sich erklären und definieren zu wollen.
Dabei wird es nicht nur damit getan sein, die heute schon sehr präzise
ausgearbeitete Anatomie des Gehirns mit zugehöriger Kartierung resp.
entsprechenden Korrelaten und neuronalen Interaktionen zu kennen (D.
Chalmers: „the easy problem“), sondern eine Beschreibung über (diesen
Prozessen zugeordnete) Informationsstrukturen zu erstellen. Insoweit
wird es zunächst erforderlich sein, sich zum einen von
reduktionistischen Methoden und Denkmodellen (z.B. eliminativer
Materialismus), zum anderen von herkömmlichen Informationsbegriffen (als
Brückenbegriff in Analogie zu konventionellen digitalen Rechenverfahren
heutiger Computer) zu lösen.
Irgendwie erinnert mich diese Thematik und hierbei vor allem die Frage
nach der Eigenart qualitativer Bewusstseinszustände an Luis Armstrong‘s
zugeschrieben genialer Antwort auf die Frage, was denn Jazz sei:
<If you have to ask for it at all, you‘ll never understand> (sinngemäß).
Nun ja, wenn man schon nicht fragen darf, wie soll man jemals eine
Antwort finden. Armstrong in Ehren! Trotzdem sollten wir (hier) weiter
fragen, selbst um den Preis, dabei ggf. auf bestürzende Antworten zu stoßen.
Und weil ich es diesmal mit Zitaten habe: "Conflict is the beginning of
consciousness"; mit diesem Statement trifft Mary Esther Harding den Kern
und bestärkt mich darin, Bewusstsein in eine Beziehung zu
Informationsstrukturen zu setzen, vielleicht in Anlehnung an Bateson's
"the elementary unit of information is difference that makes a
difference". Wir könnten hier darauf zurückkommen, wenn man über IIT
(Integrated Information Theory) nachdenkt: Aktives Bewusstsein als
Zustand komplexer Balance zwischen Differentiation und Integration
neuronaler Prozesse.
Bester Gruß in die Runde! - Karl
hallo philweb:), hallo waldemar,
manchmal überschneiden sich die Dinge,
deine Bemerkung ging mir durch den kopf
als ich einem Vortrag an der Uni
Vortrag an der Universität Stuttgart von
Sabine Hossenfelder versuchte zu folgen
https://www.youtube.com/watch?v=99hVAu1k6G8
(Was läuft falsch in der gegenwärtigen Physik?)
und mir meine vermutlich reparaturbedürftige
geistesverfassung folgenden Kommentar entlockte:
wenn ich an die supersymetrisch auftretenden
physikalischen und logistischen Zufälle vor
ca. 589.680.000 seKunden christlicher
Zeitrechnung denke, vermute ich, dass nicht
die physik gegenwärtig falsch läuft sondern
dass die standpunkte der beobachter sich
auf ungesichertem untergrund befinden.
mit einem neu buchstabierten Alphabet ins gehirn
gemeisselt, sind wir nicht mehr in der lage
die nicht weiterverfolgten ungereimtheiten
auf den bis dato geltenden Boden der bis
dato geltenden, falsifizierten physikalischen
gegebenheiten zu stellen.
wir befinden uns in einer hässlichen theoretischen
gesinnungsumgebung die vermutlich kein ästhet
mehr aufzuhübschen vermag, da bereits die genetischen
grundlagen in unserer sozialen bestimmungsgemässen
verwendung schwere, irreparable veränderungen erfahren
haben.
Am 01.05.2019 um 23:24 schrieb waldemar_hammel via Philweb:
> [Philweb]
> natürlich kann man allem möglichen anhängen, und alle möglichen
> fatantasien, spekulationen, ideen vorbringen,
> die gedanken sind ja frei,
> nur, sobald sie sich auf naturwissenschafliches beziehen, müssen sie
> -belastbar- begründet werde können,sonst sind sie schlicht
> off-discussion
gruss aus dem remstal
ingo
Alles gute zum "Tag der Arbeit", dem 01.Mai.
Es gibt ja verschiedene Ansichten darüber, was Philosophie ist und
welche Aufgabe dieses Gebiet hat. Früher, in der Aufteilung der
traditionellen Fakultäten, verstand man unter Philosophie soviel wie
"Weltweisheit" in Abgrenzung zur "geistlichen" als theologischen
Weisheit.
In diesem Sinne war denn was, was wir heute Physik nennen,
"Naturphilosophie", eine klare Trennung zwischen den
Naturwissenschaften, Philosophie und anderen Fächern lag nicht vor
oder war anders.
Seit spätestens etwa John Locke oder Kant gibt es ein anderes Modell
der Philosophie: Philosophie als Erkenntnistheorie, als Nachdenken
darüber, wie der Mensch eigentlich nachdenkt, neue Erkenntnisse
gewinnt und Wissen aneignet. Im Grunde sind neuere Ansätze, die
Philosophie als eine Art "Metawissenschaft" sehen, die andere
Wissenschaften begründen, eine Fortsetzung davon. Nur dass die
Erkenntnistheorie hier durch die Wissenschaftstheorie getauscht wurde.
In der Nachfolge von Wittgenstein gibt es auch Leute, die die Ansicht
vertreten, dass Philosophie eine Art "Klärung von Begriffen" ist.
Natürlich lässt sich die Aufgabe der Philosophie auf diese Weise
betrachten. Es widerspricht aber einerseits den Haltungen von Laien
über diese Frage (Sinn des Lebens, Moral etc. kommen so nicht mehr
vor) und scheint mir andererseits auch fragwürdige Implikationen zu
enthalten. Braucht die Wissenschaft wirklich eine Art
"Metawissenschaft", die ihre Grundlagen begründet?
Wenn man nach der Rechtfertigung etwa der modernen Physik fragt, wird
man eher mit der Antwort zufrieden sein, dass Kühlschränke, Computer
und GPS mittels dieser Wissenschaft entwickelt wurden. Es ist richtig,
dass der praktische Nutzen keine theoretische Rechtfertigung dafür
darstellt, die Frage bleibt aber, ob die Wissenschaftstheorie eine
befriedigendere Grundlage schaffen kann.
Ich möchte deshalb eine neue Idee als Brainstorming in den Raum werfen:
Die Philosophie ist zu betrachten als eine Art
Diversifikationsstrategie. Die moderne Physik beispielsweise hat sich
mehr oder weniger auf ein monistisch-materialistisches Verständnis der
Welt geeinigt. Das im Rahmen der Physik in Frage zu stellen ist zwar
möglich, erscheint aber schwierig. In der Philosophie kann dagegen ein
Anhänger einer alternativen Ontologie, beispielsweise ein
Berkeleyianer, seine Argumente aufbringen.
Rechtfertigung dafür ist nicht, dass die Grundlagen der Wissenschaft
unklar sind und deshalb einer Art "externen Revision" unterworfen
werden müssen, sondern die grundsätzliche Fehlbarkeit des Menschen.
Weil es möglich ist, dass unsere derzeitigen Gedankensysteme auf
falschen Annahmen beruhen, müssen wir alternativen Ansätzen Räume
bereitstellen, um im Zweifelsfall nicht mit leeren Händen dazustehen.
Genauso könnte man z. B. einen Hegelianer als Alternative zur modernen
Logik bestehen lassen oder einen Anhänger einer anderen Philosophie,
der Ansätze entwickelt, falls unsere Gedanken über die "Natur des
Menschen", Wirtschaft oder ähnliches falsch sein sollten.
Die Bezeichnung "Diversifikationsstrategie" ist hier bewusst gewählt.
Wir erzeugen bewusst und willentlich eine gewisse Vielfalt an
verschiedenen ontologischen usw. Ansätzen, damit wir nicht davon
abhängig sind, dass eine bestimmte Theorie oder Idee richtig ist. Im
Grunde könnte man es auch als bewusster Pluralismus betrachten.
Was denkt ihr von diesen Ansatz? Sollte er zu verrückt erscheinen, so
ist er als verspäteter Aprilscherz zu verzeichnen.
P.S.: Das dient natürlich auch dazu, die Liste wiederzubeleben... und
mir ist grade nach schreiben solcher Texte und kontroverser Diskussion
zu mute und diese Liste erschien mir als der passendste Ort dafür.
Sehr geehrte Leserinnen und Leser der Phil-Liste,
Liebe Mitschreiber beiderlei Geschlechts,
ich habe mir in den letzten Tagen einige Gedanken gemacht und versuche
diese, mal wieder, hier zu verbreiten, um damit eine Kritik zu
ermöglichen. Auch möchte ich damit mein Gehirn zwingen, eine möglichst
logische Ordnung zu finden.
Folgender Ausgangspunkt der Überlegung
Die Gründerväter der Vereinigten Staaten haben bekanntlich eine
Konferenz abgehalten. Am Ende dieser Konferenz stand eine neue,
ausgearbeitete Verfassung, die im Wesentlichen bis heute ihre
Gültigkeit hat.
Das Problem ist jetzt, dass erstens die Leute, die die Gründerväter
auf den Weg geschickt haben, gar nicht beabsichtigten eine neue
Verfassung auszuarbeiten. Sie waren unter Umständen mit der alten
Konförderationsverfassung vollständig zufrieden. Zweitens enthält der
7 Artikel der Verfassung eine Regel, die festlegt, wann die neue
Verfassung in Kraft tritt.
Grade das hat meinen Geist gefesselt, denn hier regelt ein Gesetz die
Kriterien seines Inkrafttretens selbst.
Versetzten wir uns einmal ein die Lage so eines Abgeordneten,
gleichgültig ob amerikanisch oder französisch: Wir wurden durch das
Volk (oder durch weitere Parlamente) gewählt, um gewisse spezifische
Fragen zu beantworten. In Frankreich ging es um Steuern, in den USA
soweit ich weiß um Zollfragen. Das Volk hat uns in diesem Falle
letztlich gewählt, um vor dem König (oder unter den einzelnen Staaten)
seine Interessen betreffend dieser einen Frage zu vertreten. Niemand,
der uns gewählt hat, hätte zu diesem Zeitpunkt ahnen können, dass wir
uns zusammensetzen, um eine neue Verfassung zu entwerfen.
Folglich, streng genommen, sind wir zu dieser Handlung selbst
eigentlich nicht demokratische legitimiert. Natürlich könnte man das
Problem lösen, indem man eine Volksabstimmung fordert mit der Frage
"Soll der Konvent eine neue Verfassung ausarbeiten? Ja oder Nein?"
Es stellt sich hierbei nur die Frage: Impliziert eine solche
Volksabstimmung nicht breits eine Form der Demokratie? Schließlich
wurden dabei eine Reihe von heiklen Entscheidungen schon
vorweggenommen. Wer darf abstimmen, wer gehört in dem Sinne zum Demos?
Dürfen Strafgefangene abstimmen? Leute, die wegen Schulden in
Beugehaft sich befinden? Frauen oder Sklaven? Für die Abgeordneten des
Ballhauses in Frankreich und den US-Gründervätern scheint es offenbar
kein Problem gewesen zu sein, Sklaven und Frauen von der Wahl
kategorisch auszuschließen. Dabei mussten auch diese Gruppen unter den
Entscheidungen leiden.
Auch der Modus, in dem ein solcher Konvent gewählt wird, hat
Auswirkungen. Ein Majorzwahlrecht mit Ein-Mandats-Wahlkreisen führt zu
einer anderen Zusammensetzung des Konvents als eine Listenwahl oder
eine Wahl nach Präferenz, wie wir es zum Teil bei Wikipedia bestaunen
dürfen. Man könnte theoretisch auch fragen, wieso es keine Quoten für
bestimmte Gruppen geben sollte, seien es geographische oder sonstige
oder warum nicht einige Abgeordnete auch ausgelost werden sollten.
Auch stellt sich hier eine nicht von vornherein illegitime Frage:
"Wieso dürfen die Wähler zum Zeitpunkt X einen neuen
Verfassungskonvent wählen, spätere Wähler aber nur eine Legislative
oder ein Parlament und dergleichen? Warum darf diese Versammlung
Gesetze mit Verfassungsrang verabschieden, spätere müssen sich aber an
die Regeln dieser Versammlung halten?"
Es erscheint in der Tat willkürlich, wieso z. B. im Falle der USA die
Gründerväter eine Verfassung verabschieden konnten, spätere
Generationen aber nur noch im Rahmen dieser Verfassung politisch
agieren sollten. Selbst eine Art permanente Verfassungsentwicklung,
wie es teilweise im Vereinigten Königreich der Fall ist, ist keine
Antwort auf die Frage. Denn dort gibt es einen de facto Ist-Zustand,
der auf vorangegangenen Konventionen basiert. Es gibt hier zwar keinen
privilegierten Zeitpunkt X, aber dennoch eine Reihe von
Entscheidungen, die von ganz anderen Leuten im anderen Zusammenhang
getroffen wurden.
Das Problem scheint mir mit einem Satz zu lauten: Man kann die
Ausgangsbedingungen einer Demokratie nicht seinerseits demokratisch
legitimieren. Am Anfang jeder Demokratie muss eine Art diktatorischer
oder revolutionärer Akt stehen, in welchen ein Verfassungsgeber, "Rat
der Weisen" oder ein hobbesianischer Friedensverhandlung sich selbst
legitimiert.
Die Juristen (Staatsrecht) haben sich ebenfalls mit diesem Problem
befasst und sind zum Konzept der "Volkssouveränität" gelangt. Nach
diesem Konzept ist das Volk "souverän" also auch über dem Gesetz
stehend.
Mit dieser souveränen Kraft kann das Volk dann auch jederzeit eine
Verfassung absetzen oder eine neue bestimmen. Das Konzept mag aus
juristischer Sicht passend sein (die Juristen haben damit wohl
Bauchschmerzen, sagt das Internet), aber das philosophischer Sicht
bleiben fragen offen:
- Wieso liegt die Souveränität grade beim Volk? Könnte man sich nicht
vorstellen, diese Souveränität etwa beim Parlament liegt (wie in
England vielleicht) oder irgendwer sonst? Wieso sollte überhaupt
jemand über den Gesetz stehen können?
- Wieso sollte es so etwas wie einen Souverän überhaupt geben?
- Auch ist die Lehre lückenhaft. Was ist mit der Wahl, wie setzt sich
der Konvent zusammen und wann entscheidet er, Konvent zu sein? Es gibt
keine schlüssige Antwort, die sich aus dem Konzept der Souveränität
des Volkes ergibt.
Was denkt ihr soweit? Ist meine Schlussfolgerung (Demokratie beginnt
quasi als Revolution) korrekt? Oder habe ich etwas übersehen, was mich
widerlegt?
Gruß in die Runde,
Ratfragender.
Am 02.05.2019 um 00:53 schrieb Karl Janssen:
> Gut (endlich wieder) von Dir zu hören, Waldemar! Ich möchte mich nur kurz auf Deinen letzten Absatz beziehen:
> Wh: „nur naturwissenschaftler können heute noch naturwissenschaftlich-haltbare und stets nur temporär gültige philosophien über "welt + mensch" kre-iren, für laien ist das unmöglich (von vielleicht sehr seltenen glückstreffern abgesehen).“
> Die Aussage ist ja grundsätzlich zutreffend. Doch wer kann denn die „Sprache“ von Naturwissenschaftlern verstehen.
hallo karl,
danke für Deine antwort!
die "sprache der naturwissenschaften" ist kein geheimnis, ebenso sind
die inhalte öffentlich, jeder kann sich einlesen, jeder kann teilnehmen,
er muss nur halt die spielregeln dabei beachten,
zb "belastbar" augumentieren, und das bereits vorhandene wissen
"verdauen" (so schwer/schwierig ist das garnicht!), dass dies trotzdem,
zb in DE, real fast nicht mehr möglich ist, liegt an den hiesigen
randbedingungen,
zb dem schul- und bildungs- system, das leute "ausspuckt", die mitunter
kaum noch ihre familien-namen korrekt schreiben können, an den unis
tauchen studenten der naturwissenschaften in den erstsemestern auf, die
beherrschen bestenfalls mittelstufen-mathematik, selbst ing-studenten
sind mit den einfachsten grundlagen sehr oft nicht mehr vertraut, zb
atommodelle??, zb was ist in einem computerchip, wie funktioniert der?,
zb die ohmschen gesetze usw, zb licht-modelle?, zb was unterscheidet
thermostatik von thermodynamik?, zb grundlagen der chemie?, zb planck? -
das kommt schlicht davon, wenn man naturwissenschaften schulisch
"abwählen" kann, obwohl sie integrale kulturtechniken beinhalten, also
eigentlich allgemeingut sein müssten - das kommt auch daher, dass
universitäten zu drittmittel-einwerbe-anstalten verkommen sind, die von
industrie und wirtschaft vorbestellte fertig-konfektionierte
"schmalspur"-akademiker von der stange zu liefern haben (siehe auch die
abschlüsse, statt "ing-grad" usw wird man heute "magister ludi"
(glasperlenspiel) = MA, BA und weiteren blödsinn - profunde ausbildung,
historisch ausgerichtet, denn wissenschaften beruhen auf organischem
wachstum + wissens-evolution, studium-generale, alles perdue ...
und volksbildung?
es wäre lebenslange fortbildung notwendig, ist aber strukturell nicht
installiert, stattdessen VHS uä als fastfood+fun, und oberflächlicher
"wissenschafts-journalismus" zur plakativen darstellung von sensationen
und vermeintlichen sensationen ohne tiefgang, sachen wie zb "nacht der
wissenschaften", das ist brot+spiele für "disco"-gelangweilte,
frage mal im ernst irgendeinen handynutzer auf der straße, wie sein
handy eigentlich funktioniert ...
naturwissenschaften sind elementares kulturgut, dies aber weiß heute
nicht einmal mehr unsere DE wissenschafts-ministerin, die immer wieder
betont, auch naturwissenschaften haben sich dem christlichen menschen-
und welt- bild unterzuordnen, damit ist diese person ahistorisch und
IQ<100, aber sie merkt es nicht und proliferiert ihre dummheiten und
speist sie von oben her ins system ein! = eine ohne übertreibung absurde
katastrophe !
> Sie bleiben im Austausch ihrer Erkenntnisse unter sich; Erkenntnisse, die der Laie (als Teil weit überwiegend unwissender Gesellschaften) eigentlich nur durch die Vermittlung eines oftmals unzulänglichen Wissenschaftsjournalismus in Erfahrung bringen kann.
ja natürlich, journalismus setzt fastfood vor, gefragt aber ist eigenes
denken, eigenes mitdenken, eigenes sich-bemühen = es ist arbeit an und
in den sachen, science-on-the-fly und science in a nutshell geht nicht
> Dennoch ist der Laie (also wir alle, bezogen auf Wissensgebiete, die ausserhalb unserer eigenen, durch spezifische Ausbildung angelegte Fachrichtungen liegen) an Themen von „Gott und der Welt“ interessiert, darüber hinaus er auch auf ein ihm zugeeignetes Wissen angewiesen ist, um sein Leben zu meistern. Damit er eben nicht „blind glauben“ muss, sollte er sich fortbilden (können), wenngleich und trotzdem er die Sprache der Wissenschaft nicht verstehen kann.
ja, lebenslange fort- und weiterbildung wäre unbedingt notwendig, sonst
kann vom "freien und mündigen" bürger nicht ernsthaft die rede sein ...
und wir erleben das heute in DE live,
zb gelingt es nicht einmal mehr, eine simple stromtrasse durch DE zu
legen, ohne dass sich eine kakophonie von leuten dagegen erhebt, die
ernsthaft selbst exotischste bedenken anmelden, und die dabei
ernstgenommen werden wollen, und falls nicht, tippen sie auf wohlfeile
verschwörungs"theorien"
> So läge es in der Verantwortung von Wissenschaftlern, „neues Wissen“ in weitestgehend allgemeinverständlicher Sprache „unters Volk“ zu bringen. Ebenso, wie es m.E. In der Verantwortung von Theologen läge, die Mystiken ihrer Glaubenslehren nicht mehr in jahrtausendealten Sermons zu verbreiten, sondern in die Sprache unserer Zeit zu übertragen. Es würden dabei erstaunliche Parallelen zu Erkenntnissen der Jetztzeit aufscheinen.
> Erstmal zurück in die Runde mit bestem Gruß! Karl
>
wieso liegt es in der verantwortung von wissenschaftlern, ihre arbeiten
und arbeitsgebiete
- in allgemeinverständlicher sprache = also populistisch
heruntergebrochen, unters volk zu bringen ?
naturwissenschaften sind öffentliche, jedermann frei zugängliche
unternehmungen = "handwerke" = oder, wie man im mittelalter zu
handwerken sagte "künste",
die jeder normal-begabte mit interesse daran erlernen kann =
das geheimnis daran ist, dass es keines gibt
hat ein bäcker, metzger, handwerker die pflicht, über sein tun und
lassen allgemeinverständliche bücher zu schreiben, vorträge zu halten ?
dass theologen indes geradezu gezwungen sind, bei ihren "verkündigungen"
und "erleuchtungen" eine diesen themen gemäße sehr altertümlich sprache
zu nutzen,
liegt in der natur der sache, denn in moderne sprachen gefasst, entpuppt
sich selbst "religions-wissenschaft" (akademisch staatlich finanziert,
aber ohne staatliches mitspracherecht! = krasser verstoß gegen
verfassung und demokratische grundlagen!) als R = {leere menge}, wie
soll man in modernen sprachen sinnvoll ausdrücken, tote würden
wiederauferstehen, oder jesu himmelfahrt, oder jungfrauen-geburt, usw -
sowas geht nur, wenn man es schon sprachlich dissimuliert = möglichst
unverständlich bleiben lässt, und diese unverständlichkeit wird dann
jeweils als "wunder" etikettiert,
auch darf man ja nicht in klar verständlicher sprache ausdrücken, dass
religionen, zb christentum, ständig von kannibalismen reden:
transsubstantiation, eucharistie, christstollen = in leichtentücher
eingewickelte tote kinder zum weihnachtlichen essen => kindermord
bethlehem, totenwache und leichenschmaus als ablenkung, weil früher tote
als 80 kilo protein ernsthaft in gefahr waren, verputzt zu werden
märtyerer-tum und kreuzigung = die schiere perverse lust am foltern und
quälen, natürlich in gottes namen,
und einer spricht, natürlich erneut in gottes namen, "ex cathedra"
unfehlbar = ein dogmatischer religionszirkus-akrobat mit
drei-etagen-mütze, der immerhin beweist, dass zwar der mensch an sich
fehlbar sein mag, ER aber nicht, wenn er in seinem gestühle sitzt,
und heute gerade: kirchliche angestellte, mit dem himmel verheiratet,
die es MASSENWEISE lieben, knaben und kleine mädchen zu "lieben" ...
da war die heilige theresia von avila wenigstens noch von altem, fast
ehrlichem schlag, sie hungerte zwar 30 jahre lang, trank dabei aber
wenigstens das waschwasser der aussätzigen (proteinhaltig in der tat
sowas!),
während eine fantastin "... von magdeburg" (name ist mir entfallen)
ständig, und synchron mit der knabenliebe ihrer männlichen kollegen, in
einsamer klause ständig mit dem "lieben jesukind" sex hatte, dessen
"süße lanzenstiche" sie in ihren unterleib immer verspürte (und extensiv
aufschrieb), wenn sie sich das kind in ihren fantasien auf den bauch legte
(in heutiger, verständlicher sprache ausgedrückt, hieße das ja nur,
solche "wundergestalten" waren psychiatrie-patienten, und das eignet
sich eher weniger für predigten)
ich grüße die (leider allzu schweigsame) runde,
waldemar hammel
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