Hallo Arnold,
ich komme nicht so ganz dahinter, was du meinst. Es scheint um einen
Zusammenhang zwischen einem normativen Gehalt von Beschreibungen mit
sozialen Bedingungen oder konkret staatlicher Forschungsfinanzierung zu
gehen, wenn ich das nicht missverstehe. Meinst du vielleicht, daß der,
der die Rechnung bezahlt, auch den Ton und die Richtung angibt? Das
könnte man aber nur durch eine Betrachtung tatsächlicher Verhältnisse
feststellen, insofern wäre es, wie Ratfrag immer sagt, nicht unbedingt
ein Thema für die Philosophie.
Aber wahrscheinlich stehe ich auf dem Schlauch und richte daher ein
offizielles Hilfegesuch an alle, die besser verstehen, worum es geht.
Die Aussage "Ich schreibe dir", wenn das dann nicht geschieht, wäre eine
Unwahrheit, aber nicht bedeutungslos.
Grüsse, Claus
Am 14.03.17 23:04, schrieb Arnold Schiller:
> Am 14.03.2017 um 21:36 schrieb Claus Zimmermann:
>> " Jedoch ist die Frage inwieweit, wenn wir etwas beschreiben nicht bereits Normen verwenden und damit auch normative Setzungen vornehmen." (Zitat Arnold Schiller)
>>
>> Hallo Arnold, ich würde sagen, daß sich die "normative Setzung" bei Zeichen, denen wir ihre Bedeutung nicht ansehen können, in Form einer Definition auf die Bedeutung des Zeichens bezieht.
> Das ist definitiv zu wenig, denn ein Zeichen an sich ist nicht die
> gesamte Norm. Ich dachte das wäre mit dem "Higgsteilchen" vollkommen
> klar oder wie sagt der heilige Ludwig die stillschweigenden Vereinbarung
> zum Verständnis der Umgangssprache sind enorm kompliziert.
>
>> Soll es irgendetwas bedeuten und gegebenenfalls was, wenn ich... mache? Darauf muß man sich einigen, wenn das Zeichen verständlich sein soll.
>> Es ist aber nicht das gleiche wie die Annahme einer Handlungspflicht.
> Was soll die Aussage "Ich schreibe Dir" bedeuten, wenn ich dir nicht
> schreibe?
>
> Grüße,
> Arnold
>
>
" Jedoch ist die Frage inwieweit, wenn wir etwas beschreiben nicht bereits Normen verwenden und damit auch normative Setzungen vornehmen." (Zitat Arnold Schiller)
Hallo Arnold, ich würde sagen, daß sich die "normative Setzung" bei Zeichen, denen wir ihre Bedeutung nicht ansehen können, in Form einer Definition auf die Bedeutung des Zeichens bezieht. Soll es irgendetwas bedeuten und gegebenenfalls was, wenn ich... mache? Darauf muß man sich einigen, wenn das Zeichen verständlich sein soll.
Es ist aber nicht das gleiche wie die Annahme einer Handlungspflicht.
Grüsse, Claus
Es ging zunächst themengemäß darum, daß sich die Rechtsfolge nicht von selbst aus dem Tatbestand ergibt oder schon darin enthalten ist wie auch ein Gerechtigkeits- oder Werturteil nicht schon in der Beschreibung einer Handlung enthalten ist und nur schlußfolgernd herauspräpariert werden muß, damit man es deutlich sieht.
Dann liegt, immer noch im Rahmen des Themas "Sein und Sollen", die Frage nah: wie kommen die Rechtsfolge und die genannten Urteile zustande? Da sind die beiden Thesen "angeboren" und "anerzogen" sehr verbreitet und vielleicht einseitig. Die Untersuchung der konkreten Umstände, unter denen ein konkreter zweiter Schritt getan wird, die Frage, was das eine mit dem anderen zu tun hat, wäre Gegenstand der genannten Wissenschaften. Nicht so die Frage, ob "jedes Blatt beschrieben" werden kann, denn sie kann nicht dadurch beantwortet werden, daß man sich eine begrenzte Zahl von Blättern ansieht. Dazu muß man seinen Kopf aufräumen, d.h. wir haben es mit einer philosophischen Frage zu tun.
-------- Ursprüngliche Nachricht --------Von: Rat Frag <rat96frag(a)gmail.com> Datum: 13.03.17 22:45 (GMT+01:00) An: Claus Zimmermann <Zimmermann.Claus(a)t-online.de> Cc: philweb <Philweb(a)lists.philo.at> Betreff: Re: [Philweb] Eine Überlegung zu Humes Gesetz
Am 13. März 2017 um 17:57 schrieb Claus Zimmermann:
"Ein Schluß vom konkreten Sein oder tatsächlichen Verhältnissen auf ein Sollen ist nicht zulässig" oder "Ohne Sollen in den Voraussetzungen keins in der Schlussfolgerung".
Würde ich unterschreiben.
Ich hiel den Gedanken auch für sehr plausibel. Mir sind nur auch Zweifel gekommen.
Allerdings ist diese Hinzufügung nicht willkürlich, sondern hängt, wie ich glaube, mit unserer Erziehung und unserer Natur - und damit doch wieder mit einer Art Sein - zusammen (und vielleicht mit diversen Interessen). Wir würden rechtlich und moralisch vermutlich nicht so urteilen, wie wir es tun, wenn wir anders erzogen wären. Man kann sich aber auch Fälle zumindest vorstellen, in denen jede moralische Erziehung an etwas abprallt, was man Wertblindheit nennen könnte.
Hier betreten wir aber den Bereich der Rechtssoziologie, Psychologie, Geschichte usw. verlassen damit aber auch den engeren Bereich der Ethik, sofern sie sich mit normativer Moral befasst.
Was bei mir wiederum interessante assoziationen weckt ("Überlegungen" würde ich sie nicht nennen wollen).
Wenn man das tut, hat man das Sollen heimlich, still und leise in die Voraussetzungen geschmuggelt. Wie du ja auch selbst sagst.
Wobei ich glaube, dass diese "impliziten Voraussetzungen", sich noch in anderen Schlussfolgerungen finden, ja in der Praxis der Normalfall sind.
Die "Interpretation" von P3 im letzten Absatz deiner mail ist meiner Meinung nach nur eine Umformulierung. Entweder man versteht den Begriff des Verbrechens rein rechtstechnisch, dann ist kein Werturteil impliziert. Oder man verbindet es mit einem Werturteil, dann hat man die Voraussetzung eingeführt.
Das ist durchaus richtig.
-------- Ursprüngliche Nachricht --------Von: Rat Frag <rat96frag(a)gmail.com> Datum: 13.03.17 22:45 (GMT+01:00) An: Claus Zimmermann <Zimmermann.Claus(a)t-online.de> Cc: philweb <Philweb(a)lists.philo.at> Betreff: Re: [Philweb] Eine Überlegung zu Humes Gesetz
Am 13. März 2017 um 17:57 schrieb Claus Zimmermann:
"Ein Schluß vom konkreten Sein oder tatsächlichen Verhältnissen auf ein Sollen ist nicht zulässig" oder "Ohne Sollen in den Voraussetzungen keins in der Schlussfolgerung".
Würde ich unterschreiben.
Ich hiel den Gedanken auch für sehr plausibel. Mir sind nur auch Zweifel gekommen.
Allerdings ist diese Hinzufügung nicht willkürlich, sondern hängt, wie ich glaube, mit unserer Erziehung und unserer Natur - und damit doch wieder mit einer Art Sein - zusammen (und vielleicht mit diversen Interessen). Wir würden rechtlich und moralisch vermutlich nicht so urteilen, wie wir es tun, wenn wir anders erzogen wären. Man kann sich aber auch Fälle zumindest vorstellen, in denen jede moralische Erziehung an etwas abprallt, was man Wertblindheit nennen könnte.
Hier betreten wir aber den Bereich der Rechtssoziologie, Psychologie, Geschichte usw. verlassen damit aber auch den engeren Bereich der Ethik, sofern sie sich mit normativer Moral befasst.
Was bei mir wiederum interessante assoziationen weckt ("Überlegungen" würde ich sie nicht nennen wollen).
Wenn man das tut, hat man das Sollen heimlich, still und leise in die Voraussetzungen geschmuggelt. Wie du ja auch selbst sagst.
Wobei ich glaube, dass diese "impliziten Voraussetzungen", sich noch in anderen Schlussfolgerungen finden, ja in der Praxis der Normalfall sind.
Die "Interpretation" von P3 im letzten Absatz deiner mail ist meiner Meinung nach nur eine Umformulierung. Entweder man versteht den Begriff des Verbrechens rein rechtstechnisch, dann ist kein Werturteil impliziert. Oder man verbindet es mit einem Werturteil, dann hat man die Voraussetzung eingeführt.
Das ist durchaus richtig.
Ratfrag:
> Meines Erachtens ist das Konzept (dichte Begriffe, von Hipp eingefügt) nicht trivial zu erklären. Was, je nachdem, welche Absicht man verfolgt, ein gutes Argument für die Existenz dichter Begriffe oder für die Unklarheit des Konzeptes ist.
(Hipp)
Nun bin ich mir sicher, dass sie (dichte Begriffe) als Umstand ein Wetzstein für meine Zugangsweise sind, gemäß der jedes Wort ein Sollen ist, kein moralisches aber eins das auf Verstehen abzielt.
Ratfrag:
> Kannst du das näher erklären?
Hipp:
Ich gehe davon aus, dass sogar schon ein Schrei auf eine Folge wartet, nicht erst ein Wort, ein Satz, ein Text. In der Kausalkette bzw. in den Kausalketten sind Äußerungen nichts anderes als Geschehnisse, und umgekehrt sind Geschehnisse Folgen von anderem. Ich abstrahiere nicht von der Kausalität, wie es das Denken oder Nachdenken für sich beansprucht, dieses Abstrahieren läuft parallel mit der Auffassung, eine Person könne außerhalb der Geschehnisse eine Ebene herstellen, und die erste Ebene, in der die Kausalität angenommen wird, verlassen. So kann ich auch keine Trennung zwischen Tatsachen und "Nicht-Tatsachen" nachvollziehen bzw. von vornherein hypothetisch annehmen, höchstens in einem Denkspiel, in dem ich mitmachen kann.
(Eine Nebenfrage an Ratfrag: Löst sich damit nicht die Frage nach Humes Gesetz und allen Sätzen im Zusammenhang mit dem naturalistischen Fehlschluss damit auf, wenn das Wort Tatsachen nicht verwendet wird?)
Das vorausgeschickt, wird mit jeder Äußerung, die z.B. menschliches Denken voraussetzt, ein Sollen mit in die Äußerungen sozusagen hinein manipuliert. Je komplexer die Äußerungen werden, um so mehr Sollen kommt in sie hinein. Ohne irgend etwas in die Wendung Am Anfang war das Wort hinein zu interpretieren ist der Moment des Mitmachens mit den Begriffen mit dem Einwilligen der Person verbunden, die Wörter so zu verwenden wie derjenige, der sie zuerst verwendete bzw. von diesen auszugehen, sie zu verwerfen, anzunehmen, zu nutzen oder auch nicht. Es ist wie eine Falle, aus der man nicht heraus kommt. Der erste Zug ist getan, der Vorteil dieses Zuges kann nicht mehr wettgemacht werden. Je komplexer und unklarer die Sache ist, für die das Wort stehen soll, um so gefährlicher ist das Mitmachen, und um so mehr Sollen ist dabei. Das ist bei Wörtern wie dichte Begriffe genauso gut der Fall sein wie bei Wörtern wie populistisch. In der Folge ist es einfach zu sagen: In diesen Begriffen steckt eine Wertung, was wiederum etwas mehr sein soll als ein einfaches Sollen, das schon in einem Schrei vorhanden sein kann, nämlich: Mit dem Schrei will A bewirken, dass B ihm hilft. Und A kann ebenso ein Mensch wie ein anderes Tier sein.
Ratfrag beschreibt das im Zusammenhang mit Verbrechen richtig, aber mit vielen Wörtern. Eine minimalistische Vorgehensweise kann verhindern, dass da verschiedene Sachen als gleich angesehen werden. Was gebrochen wird kann ... gemäß Ratfrag richtig auch eine Moral sein. Aber eine Moral ist mit einem Text beschreibbar, und somit mit Sätzen als Atome des Textes in einer bestimmten Reihenfolge oder Kombination. Zum Schluss sind es wieder die Sätze, und die sie beinhaltenden Wörter.
Wenn ich einen Satz als Teil der Kausalketten sehe, kann ich ihn nicht interpretieren, ich kann allerhöchstens die Frage stellen, aus was heraus er entstand und was auf ihn folgt. Dann ist die Hermeneutik so oder so am Ende angelangt,
Ratfrag hat die Sache richtig gesehen was die Auslegungsmöglichkeiten anbelangt.
> Was die "Hermeneutik" angeht, so sehe ich nach deiner Beschreibung ein naheliegendes Problem: Woran erkennt man das korrekte Vorgehen des
Lesers?
Das würde ich auch gerne wissen. Denn es kann ja sein, dass er die Sache missversteht, und dann wie Ratfrag schreibt, sozusagen eine ganz neue Sache entsteht, dazu bedarf es jedoch keines Missverstehens.
auf den Absatz des Ratfrag
> Wenn wir uns für zweiteres entscheiden, dann müssen wir auf den normalen oder einen ideellen Sprachgebrauch abzielen. Berühmtes Beispiel etwa, wenn der Firmenchef sagt, er möchte in Nürnberg "longieren" (mit einem Pferd reiten), er meint aber "logieren" (im Hotel übernachten). Der guckt dann ziemlich komisch aus der Wäsche, wenn er an der Pferderennbahn ankommt, weil der ausführende Mitarbeiter ihn wörtlich verstanden hatte.
Der Leser kann auch einfach mit Sätzen weiterfahren, die nichts mit den ersten zu tun haben: "Wenn du lo(n)gieren gehst, dann gehe ich mal jonglieren."
> Entweder indem wir sagen, korrekt verstanden ist ein Text, wenn der Leser die Absicht des Autors verstehe oder nicht.
Mit dem Wort Absicht wird etwas zu Anderes eingebracht, das zusätzlich in die Irre führen kann. Steckt in einem Schrei, in einem Begriff, einem Satz eine Absicht? Muss der sich Äußernde verstanden werden? Genügt es nicht, der Äußerung Folge zu leisten, nach der Methode Versuch und Irrtum. Vielleicht hört er ja dann auf zu schreien.
Joseph Hipp
"Ein Schluß vom konkreten Sein oder tatsächlichen Verhältnissen auf ein Sollen ist nicht zulässig" oder "Ohne Sollen in den Voraussetzungen keins in der Schlussfolgerung".
Würde ich unterschreiben.
Zu den "dichten Begriffen" hilft vielleicht ein Ausflug in die Rechtswissenschaft. Ein Gesetz besteht in der Regel aus Tatbestand und Rechtsfolge. Der Tatbestand ist die Beschreibung einer Situation. Wenn festgestellt wird, daß diese Situation gegeben ist, zieht das die im Gesetz vorgesehenen rechtlichen Konsequenzen nach sich. Die Rechtsfolge kann aus dem Tatbestand nicht geschlossen, sondern muss hinzugefügt werden. Allerdings ist diese Hinzufügung nicht willkürlich, sondern hängt, wie ich glaube, mit unserer Erziehung und unserer Natur - und damit doch wieder mit einer Art Sein - zusammen (und vielleicht mit diversen Interessen). Wir würden rechtlich und moralisch vermutlich nicht so urteilen, wie wir es tun, wenn wir anders erzogen wären. Man kann sich aber auch Fälle zumindest vorstellen, in denen jede moralische Erziehung an etwas abprallt, was man Wertblindheit nennen könnte.
Der Unterschied zwischen Gesetz und dichtem Begriff scheint darin zu liegen, daß das Gesetz nicht beide Schritte zu einem zusammenzieht. Wenn man das tut, hat man das Sollen heimlich, still und leise in die Voraussetzungen geschmuggelt. Wie du ja auch selbst sagst.
Die "Interpretation" von P3 im letzten Absatz deiner mail ist meiner Meinung nach nur eine Umformulierung. Entweder man versteht den Begriff des Verbrechens rein rechtstechnisch, dann ist kein Werturteil impliziert. Oder man verbindet es mit einem Werturteil, dann hat man die Voraussetzung eingeführt.
-------- Ursprüngliche Nachricht --------Von: Rat Frag via Philweb <philweb(a)lists.philo.at> Datum: 12.03.17 21:05 (GMT+01:00) An: philweb <philweb(a)lists.philo.at> Betreff: [Philweb] Eine Überlegung zu Humes Gesetz
[Philweb]
Hallo liebe Liste,
ich habe mir ein paar Gedanken zum Thema "Humes Gesetz" gemacht und
wollte mit euch darüber reden. Falls jemand nicht weiß, um was es sich
bei Humes Gesetz handelt, verlinke ich mal Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Humes_Gesetz
Humes Gesetz sagt also aus, dass wir von einer Aussage über Tatsachen
nicht zu einer Aussage über das moralisch richtige kommen können.
Vielleicht eine Veranschaulichung:
(P1) Jeder Mensch wünscht sich X
---
(K) Jeder Mensch sollte X haben.
Man bemerkt natürlich sofort, dass dieser (Pseudo-)Syllogismus (Anmk.:
Zu Humes Zeiten hat man in der Logik ja noch damit gearbeitet) falsch,
also logisch nicht zwingend ist. Schon weil ein Untersatz fehlt.
Will man daraus eine logisch korrekte Schlussfolgerung machen, muss
man eine zusätzliche Prämisse einführen:
(P1) Jeder Mensch wünscht sich X
(P2) Das, was sich jeder Mensch wünscht, sollten auch alle Menschen haben.
---
(K) Jeder Mensch sollte X haben.
Der eigentliche Knackpunkt an diesem Gesetz ist also, dass sich dieser
(Pseudo-)Syllogismus nur durch eine Prämisse komplettieren lässt, in
der bereits ein "soll" vorkommt. Nimmt man beispielsweise die Aussage:
(P1) Jeder Mensch wünscht sich X
(P2) Das, was sich jeder Mensch wünscht, das gestehen alle Menschen
auch jeden anderen Menschen zu.
---
(K) Jeder Mensch sollte X haben.
So folgt (K) nicht mehr logisch. Richtig wäre dann nur (K'):
(K') Jeder Mensch gesteht es allen anderen Menschen zu, dass er X haben sollte.
Doch selbst wenn alle Menschen es allen anderen Menschen gönnen, X zu
haben, so ist damit immer noch keine moralische Soll-Aussage
verbunden. Vielmehr haben wir es mit einer Aussage über Psychologie
oder vielleicht Politikwissenschaft zu tun. Will man zu einer
korrekten Schlussfolgerung gelangen, die zu (K) führt, so muss man
eine Prämisse einführen, die ein "Soll"-Urteil beinhaltet. Anders
formuliert können Soll-Aussagen nicht ausschließlich aus Sätzen über
Tatsachen gefolgert werden.
Diese Überlegung erschien mir sehr lange Zeit sehr vernünftig und korrekt.
Als Einwand gegen Humes Gesetz wird nun sehr häufig die Existenz
sogenannter "dichter Begriffe" angeführt. Also Begriffe, die neben den
rein sachlichen Urteil auch eine moralische Komponente beinhalten.
Etwa:
(P3) "Es ist ein Verbrechen, jemanden das vorzuenthalten, was sich
jeder Mensch wünscht".
Da der Begriff des Verbrechens sowohl am Vorliegen gewisser
tatsächlicher Kriterien festgemacht wird als auch eine normative
Komponente beinhaltet, kann über diesen Umweg also vom Sein auf das
Sollen geschlossen werden. So jedenfalls habe ich die Argumente
verstanden.
(Natürlich hätten wir bei (P3) noch die Kleinigkeit zu erledigen, den
Satz selbst zu rechtfertigen, das spielt aber für diese Überlegung
hier keine Rolle.)
Jetzt besteht das Problem, dass man die Aussage (P3) auch anders
interpretieren könnte, "jemanden das vorzuenthalten, was sich jeder
Mensch wünscht, trifft auf gerechtfertigte moralische Missbilligung"
oder "... wird als unmoralisch empfunden und sollte daher vermieden
werden".
Nimmt man diese Interpretation an, so enttarnt man diesen
vermeintlichen Schluss vom Sein aufs Sollen als eine versteckte
Soll-Prämisse. Sie wird sozusagen durch die Hintertüre eingeführt.
Doch könnte man (P3) doch auch so interpretieren, dass darin ein
"dichter Begriff" vorkommt. Sollte man in diesem Zusammenhang also
eher von einem "Humeschen Interpretationsvorschlag" als von einem
Gesetz sprechen?
Ich hoffe, dass euch die Diskussion dieses Gedankens Spaß macht.
_______________________________________________
Philweb mailing list
Philweb(a)lists.philo.at
http://lists.philo.at/listinfo/philweb
Darf ich die Herrschaften zu einer unverbindlichen Besichtigung meines bescheidenen Internetdomizils clauszimmermann.de einladen? Jeder Besucher erhält einen Getränkegutschein. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Darf ich die Herrschaften zu einer unverbindlichen Besichtigung meines bescheidenen Internetdomizils clauszimmermann.de einladen? Jeder Besucher erhält einen Getränkegutschein. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Nachtrag: der Unterschied zwischen Pantoffeltierchen und den eigenen Wimpern beim Blick durchs Mikroskop käme im Bild tatsächlich nicht zum Ausdruck, in einer verbalen Beschreibung dagegen schon, es sei denn, sie bezieht sich nur auf Farb- und Helligkeitswerte und ihre Verteilung im Raum. An dieser Stelle hinkt der Vergleich zwischen beschreibendem Satz und Bild. Worte sagen einerseits weniger, heben nur einen Aspekt hervor und lassen andere weg, andererseits sagen sie manchmal aber auch mehr, wie man hier sieht. Ein Zwischenschritt, dem man die abbildende Funktion noch deutlicher ansieht, wäre eine Bilderschrift mit beispielsweise einem Haussymbol, dessen Details nichts über die des Gegenstands aussagen sollen.
Hallo,
-Zitat RF: "Meine These ist, dass im normalen Alltagssprachgebrauch (sozusagen ohne philosophische "Überzüchtung") die Referenz auf Wahrnehmungen eigentlich Unsicherheit anzeigt. Wenn ich sage "ich glaube, ich habe ein rotes Auto gesehen", dann wird der informierte Sprecher daraus eine gewisse Unsicherheit entnehmen. Solange wir jedenfalls nicht philosophieren. Sage ich dagegen: "Ich sah ein rotes Auto" oder "Da war ein rotes Auto", so gebe ich eine Sicherheit vor."
Im Zusammenhang mit Wahrnehmungen kann man lügen, aber sich nicht irren, außer sie liegen schon lange zurück und die Erinnerung ist verblasst. Das dürfte daran liegen, daß wir festgestellt haben, daß man sich irren kann, ohne zu lügen und daß man dem eigenen Erleben besser nicht immer trauen sollte. In solchen Fällen reden wir dann von blossem Eindruck, optischer Täuschung, Halluzinationen etc.
Glauben im nicht religiösen Sinn ist etwas anderes als die Wiedergabe eines Erlebens, es bezieht sich auf einen unbekannten oder auch in Vergessenheit geratenen Sachverhalt, zu dem man eine mehr oder weniger begründete Einschätzung hat, die man für zutreffend hält.
-Wenn ich beschreibende Sätze mit Bildern vergleiche ist das weniger eine Theorie mit einigem Erklärungsanspruch, als - ein Vergleich. Auf die Frage "was siehst du?" könnte ich z.B. "ein Haus" antworten oder ein Haus zeichnen. Wenn die Zeichnung mehr Zeichen- als Abbildcharakter hätte, es also auf Einzelheiten nicht ankäme, liefe das aufs gleiche hinaus. Ansonsten müsste das Wort mit weiteren Worten zu einer Beschreibung vervollständigt werden, um das Abbild ersetzen zu können. Unter einer "Abbildtheorie" müsste man sich doch wahrscheinlich etwas anderes vorstellen.
-"Verstehen wir den Ausdruck 'Ich kann mich über meine Eindrücke nicht irren' erst dann klarer, wenn wir das Gegenteil kennen, also angeben können, was wir unter einem Irrtum über die eigenen Eindrücke verstehen?"
Wie gesagt: verallgemeinert lautet der Satz "das und das ist nicht möglich". Das verstehe ich nur, wenn ich weiß, was nicht möglich sein soll. Wenn mir Beispiele dafür gegeben werden. Sonst gaukelt der Satz einen Inhalt vor, den er nicht hat. Den Satz "ich kann nicht Schlittschuh laufen" verstehe ich ja auch nur, wenn ich weiß, was der darin enthaltene Ausdruck "Schlittschuh laufen" bedeutet.
Der quasi spiegelbildliche Satz "Ich kann die Eindrücke anderer nicht unmittelbar teilen" hat es übrigens auch in sich.
-Zitat RF: "Man könnte auch umformulieren: "Auf Ebene der Sinnesdaten ist es nicht sinnvoll, von richtig und falsch zu reden. Die Sinnesdaten liegen einfach vor oder liegen nicht vor." Konsens?"
Man muss schon einiges können, wenn man von Sinnesdaten redet (nämlich etwa die Unterscheidung zwischen Wahrnehmungen und äußeren Gegebenheiten beherrschen). Insofern "liegen sie nicht einfach vor oder nicht". Sie sind auch nicht das ursprünglich und unmittelbar Gegebene, von dem man hypothetisch auf eine äußere Entsprechung schließt. Mit der Unterscheidung kennt man beides. Das eine ohne das andere gibt es nicht.
Richtig ist aber m. E., daß, wo es keinen Sinn hat, von einem Irrtum zu reden, es nicht sinnvoll ist, von richtig und falsch zu reden.
Grüsse, Claus
Rat Frag <rat96frag(a)gmail.com> schrieb:
>Am 29. Januar 2017 um 17:19 schrieb Claus Zimmermann
><Zimmermann.Claus(a)t-online.de>:
>> 1) Gibt es einen Unterschied zwischen der Alltagsaussage "es regnet" und der
>> Überlegung, ob ich hier nur über meine Eindrücke oder über die Welt jenseits
>> meiner Eindrücke rede und mich auf das letztere festlege?
>> Wer die Alltagsaussage macht, wird vielleicht noch zugeben, daß der Eindruck
>> täuschen kann, aber wird er sich auch wie Descartes sagen "wer einmal lügt,
>> dem glaubt man nicht, wenn man jede denkbare Betrugsmöglichkeit ausschließen
>> will"?
>> Selbst wenn man meint, daß alle Menschen philosophieren, wenn sie "es
>> regnet" sagen, gibt es noch einen weiteren Unterschied:
>> Bevor ich die Alltagsaussage mache, sehe ich altmodischerweise aus dem
>> Fenster, es sei denn, ich verfechte ein Konzept der alternativen Fakten.
>> Wenn ich der Ansicht bin, daß ich nur über meine Eindrücke reden kann, sage
>> ich aber nicht, daß ich jeden meiner Eindrücke daraufhin untersucht hätte,
>> ob ihm etwas außerhalb davon korrespondiert, denn das wäre nur eine
>> rückwärtsgewandte, nicht prinzipielle, falsifizierbare Aussage, tatsächlich
>> mit der Alltagsaussage vergleichbar.
>> Nein, wenn ich, jetzt nicht als Realist, sondern als Solipsist sage "ich
>> habe den Eindruck, daß es regnet und das ist alles, was ich weiß", lasse ich
>> im Gegensatz zur Alltagsaussage eine Widerlegung nicht zu, sondern behaupte
>> ein Prinzip.
>> Fazit: zwischen den beiden Aussagen liegen Welten.
>
>Wir reden etwas aneinander vorbei.
>
>Dass es einen Unterschied gibt, ob ich über subjektive Eindrücke rede
>oder einfach eine Sache behaupte ("es regnet"), darüber herrscht hier
>doch Einigkeit zwischen uns. (Und weitere Personen beteiligen sich
>nicht an unserer Diskussion. Was bedeutet, dass das Thema entweder
>langweilig ist oder technische Probleme vorliegen...)
>
>Meine These ist, dass im normalen Alltagssprachgebrauch (sozusagen
>ohne philosophische "Überzüchtung") die Referenz auf Wahrnehmungen
>eigentlich Unsicherheit anzeigt.
>Wenn ich sage "ich glaube, ich habe ein rotes Auto gesehen", dann wird
>der informierte Sprecher daraus eine gewisse Unsicherheit entnehmen.
>Solange wir jedenfalls nicht philosophieren.
>Sage ich dagegen: "Ich sah ein rotes Auto" oder "Da war ein rotes
>Auto", so gebe ich eine Sicherheit vor.
>
>So eine "ich glaube"-Aussage macht man eben in zwei Zusammenhängen:
>Religion und um Unsicherheit bezüglich einer Aussage anzuzeigen.
>Ebenso wie "wohl" ein einem Satz oder "ich denke".
>
>Naja, eine dritte Möglichkeit gibt es schon noch: Bei psychologisch
>geschulten, sehr diplomatischen Leuten, wie "ich erlebe Sie als
>aggressiv". Damit sieht man davon ab, jemand anderen seine Deutung "du
>bist aggressiv" aufzudrängen. Man nimmt sich bewusst zurück, um ein
>Entgegenkommen zu ermöglichen. Ist aber auch sehr situationsabhängig.
>
>> 2) Sind beschreibende oder behauptende Sätze (für andere Satzarten muss das
>> nicht gelten) mit Bildern vergleichbar?
>
>Ich versuche eine andere Theorie vorzutragen und zu verteidigen.
>
>> 4) Ich fragte nach einem meinetwegen fiktiven Beispiel, in dem du sagen
>> würdest, daß du dich über einen Eindruck geirrt hast, damit mir die Aussage
>> "ich kann mich über meine Eindrücke nicht irren" verständlich wird. Darauf
>> antwortest du mit der Beschreibung eines Irrtums über einen Sachverhalt,
>> nicht aber über einen Eindruck, wie ich es ausdrücken würde, ich glaube in
>> Übereinstimmung mit der üblichen Ausdrucksweise.
>
>Verstehen wir den Ausdruck erst dann klarer, wenn wir das Gegenteil kennen?
>
>Man könnte auch umformulieren: "Auf Ebene der Sinnesdaten ist es nicht
>sinnvoll, von richtig und falsch zu reden. Die Sinnesdaten liegen
>einfach vor oder liegen nicht vor." Konsens?