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Am 09.10.2022 um 16:31 schrieb Ingo Tessmann über
PhilWeb <philweb(a)lists.philo.at>at>:
Woher stammt wohl Dein idealistisches Frauenbild? Aus dem Patriarchat natürlich, in dem
es selten um die Anerkennung wirklicher Frauen geht. Schon die Verkindlichung von
protestierenden jungen Frauen als wütende Mädchen zeugt von patriarchal-ideologischem
Sprachgebrauch, der in Journalismus und Politik weit verbreitet ist. Greta Thunberg wurde
ja auch wiederholt als Mädchen mit den Zöpfen verunglimpft. Aber sind Mädchen nicht
präpubertäre und Frauen postpubertäre weibliche Menschen? Und wird auch bei
protestierenden jungen Männern von wütenden Knaben geschrieben? Nebenbeibemerkt: Auch die
Pubertät kann als Interface aufgefasst werden: zwischen Neutrum und Geschlechtswesen etwa,
ungenauer zwischen Kind und Jugendlichem. Damit haben wir bereits eine strukturelle
Vierheit: Plazenta, Bewusstsein, Pubertät, Biosphäre.
Mein „idealistisches“ Frauenbild stammt sehr sicher nicht aus dem Patriarchat, wäre es so,
würde ich nicht in einer (zumindest nicht in der aktuellen) Ehebeziehung leben können; das
steht jedoch meiner (unschwer hier erkennbaren) konservativen Einstellung zur
Familientradition im klassischen Rollenverständnis nicht entgegen.
Meine Frau - wie schon öfter von mir erwähnt - ist wie ich Ingenieur und stellt „ihren
Mann“ im Beruf wie alle in ihrem Kollegenkreis. Das ganze Gerede um Gleichberechtigung
findet hier nicht statt, sondern wird im tagtäglichen Arbeitsalltag selbstverständlich
umgesetzt. Starke Frauen im Beruf sind schlichtweg stark und somit diesbezüglich nicht
mehr von halbseidenen Sprüchen jener Typen belästigt bzw. angreifbar, wie tatsächlich noch
vor einiger Zeit sich hoffnungslos überschätzenden, widerlichen „alten Säcke“. Eben genau
diese Typen wussten gar nicht, wie abschätzig sie hinter ihrem Rücken gewertet wurden.
Natürlich wird es in einigen Arbeitsbereichen noch Auswüchse der beschriebenen Art geben,
womöglich in Arbeitsstellen, die aufgrund einer zu geringen Zahl an Mitarbeitenden keine
Personal- und Gleichstellungsvertretung haben. Dort braucht es eine selbstbewusste
Belegschaft, die im Bedarfsfall den Rechtsweg beschreitet.
Das alles gilt für unseren Kulturkreis, den ich jedoch nicht auf jene
gesellschaftspolitischen Regionen ausdehnen kann, wo eben (erstmals überhaupt) „wütende
Mädchen“ gegen ein - in der Tat reinrassig - patriarchalisches Herrschaftssystem
aufbegehren.
Damit komme ich nochmal zu meinem idealen Frauenbild, bei dem es natürlich in erster Linie
darum geht, die Frau als Mensch zu sehen; als Mensch mit all seinen Gefühlen, Gedanken,
seinem Handeln wie es grundsätzlich jeden Menschen in den verschiedensten Facetten
ausmacht. In zweiter Linie wird wohl kaum zu bestreiten sein, dass sich das weibliche
Wesen vom männlichen in einigen Belangen grundsätzlich unterscheidet: und genau das macht
den signifikanten (und meinem idealistischen Bild entsprechenden) Unterschied aus!
Manchmal sage ich scherzhaft (obgleich erst gemeint), dass ich im nächsten Leben -
womöglich nochmal auf diesem Erdenkügelchen - wieder als Mann auf die Welt kommen möchte;
dann werde ich es wieder genießen, mich in (mehr oder auch weniger) hübsche Mädchen zu
verlieben, ein Leben gemeinsam neben einer starken Frau hinbringen zu dürfen und froh sein
zu können, dass Frauen Kraft und Mut haben, Kinder auf die Welt zu bringen und überdies
i.A. ohnehin die robustere Psyche besitzen; die stärkere Physis kann sie getrost den
„Kraftmeiers“ dieser Welt überlassen. Zu letzteren möchte ich mich nicht zählen, ohne
jedoch auf hinreichend robuste Psyche wie Physis zu verzichten.
Ja, die „Kraftmeier“ dieser Welt. Man hat sie in früheren Zeiten auf Rösser gesetzt, damit
sie Heere anführten. Heute sitzen „Bettler“ auf „Pferden“ und wollen Heere führen. Man
darf gespannt sein, welche Denkmähler man letzteren setzt.
Bester Gruß! - Karl
PS: ach ja, noch zu Barad
Meine Sympathie hat Barad auch mit ihrem Feminismus.
Ich hege große Wertschätzung gegenüber allem Femininen, radikalem Feminismus stehe ich
äußerst kritisch gegenüber und weiß mich damit in guter Gesellschaft vieler Frauen, die
diesbezüglich genau wie ich darüber denken.
Meine Wunschfrau fürs nächste Leben wäre Barad sicher nicht - aber auch ich wäre auch
nicht ihr Traummann, denn sie braucht ja keinen.😊
Ich lasse mir gerade Anna Karenina vorlesen, deren
Schicksal ist ja neben dem der Effie Briest und Madame Bovary paradigmatisch für das
Leiden der Frauen am Patriarchat des 19. Jahrhunderts.
Ist schon etwas länger her, als ich es las. Großartige Literatur, die nichts, aber auch
wirklich nichts gemein hat, mit heute praktiziertem Feminismus.
Und im Iran stecken die Mullahs sogar noch im
Mittelalter. Aber sind wir bis heute wesentlich weiter gekommen? In Italien hat die
faschistoide Meloni gerade die Wahl gewonnen, und das für „Gott“, Vaterland und Familie.
Nun ist eine weitere Frau (neben so vielen bisher - zuletzt der großen Merkel) in hohem
politischen Amt und nun ist’s wieder nicht recht 🤭
Mich deprimiert das. Aber in Krisenzeiten haben
natürlich die Rechten die Gunst des Volks.
Meinst Du die Partei hier mit dem „A“ vorne dran. Tröste Dich, so vieles beginnt mit A und
endet mit „Z“.
Die tragischen Frauenschicksale der Karenina, Briest
und Bovary sind ja zu Literaturklassikern geworden. Aber gibt es demgegenüber auch weniger
tragische weibliche Literaturheldinnen? Mir fallen Mrs. Dalloway und Orlando Virginia
Woolfs ein. Und Orlando ist ja auch ein heiter-parodistischer Roman über die
„Verschränkungen“ von physischem und sozialem Geschlecht.
IT
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