Diskussionsregeln sind Verfahrensweisen und Verhaltensvorschriften in bestimmten Situationen, Verstöße werden sanktioniert - sie scheinen mir jedenfalls insofern Gesetzen nicht ganz unähnlich zu sein.
Ich glaube, dass nicht überall auf der Welt auf die gleiche Weise dikutiert wird, dass es aber bestimmte elementare Regeln gibt, die jeder akzeptiert, abgesehen von denen, die von ihrem Bruch profitieren. Wenn allerdings jemand bei klarem Verstand freiwillig erklärt, dass er weder gefragt noch angehört werden möchte und darum bittet, dass man ihm den Mund verbietet, würde ich ihm nichts anderes aufzwingen wollen. Ich bin gegen Zwangsbeglückung, bezweifle aber, dass jemand derartige Wünsche hat, auch wenn das Herr Orban auf Dienstreise neulich noch sinngemäß gesagt hat.
Solche Regeln, bei denen es inhaltlich um etwas geht, wären zu unterscheiden von bloßen Konventionen, bei denen es nur um die Form und irgendeinen gemeinsamen Nenner geht.
Mehr fällt mir dazu im Moment nicht ein. Wahrscheinlich geht es dir um etwas anderes. Vielleicht weiß jemand anderer weiter?
Claus
-------- Ursprüngliche Nachricht --------Von: Rat Frag <rat96frag(a)gmail.com> Datum: 02.12.17 10:15 (GMT+01:00) An: Claus Zimmermann <Zimmermann.Claus(a)t-online.de> Cc: philweb <Philweb(a)lists.philo.at> Betreff: Re: [Philweb] Regeln der Argumentation
Am 18. November 2017 um 22:45 schrieb Claus Zimmermann
<Zimmermann.Claus(a)t-online.de>:
>
>> Ich vermute, darin zeigt sich, daß wir nicht bei Null anfangen und uns
>> unser
>> Leben nur teilweise selbst ausdenken. (Zitat C.Z.)
>
> #Hier klafft eine Lücke.
> #Wie kommst du von den empirischen Tatsachen zu den Diskussionsregeln
> #mit ihren merkwürdigen Status, irgendwo zwischen diskussionsethischer
> #Norm, voraussetzungslosen Axiom, Annahme und abstrakter empirischer
> #Gesetzmäßigkeit? (Zitat RF)
>
> Fragst du, wie aus dem Neugeborenen ein ausgewachsener Mensch mit
> Lohnsteuerkarte wird, der dann auch so etwas wie Diskussionsregeln kennt?
Das wirft meines Erachtens wiederum ein Problem auf, oder sehe nur ich das so?
Wir beanspruchen für sinnvolle Diskussionsregeln doch eine gewisse
Universalität. Eine Lohnsteuerkarte beasiert aber z. B. letztlich auf
Landesgesetzen, auf Sitten usw. ist also eben nicht unbedingt
universell.
Genauso wie die Regeln der Physik, der Mathematik (nach einem gewisse
Verständnis) usw. Allgemeingültigkeit beanspruchen. Wenn dies
ausgerechnet bei Diskussionsregeln nicht der Fall sein sollte, geraten
wir da nicht in eine absurd-komische Situation?
Schließlich erkennen wir Naturgesetzlichkeiten nur anhand von
Diskussionen. Jedenfalls in der Praxis.
Hallo Ingo,
Was ich gesagt hatte, bezog sich nur indirekt aufs Argumentieren, wie mir jetzt nachträglich auffällt. Sondern vor allem darauf, wie man sich in der Welt orientiert. Warum sage ich z.B., daß ich gerade auf einem Stuhl an einem Tisch sitze? Es gilt m.E. auch für allgemeine Erfahrungssätze, die sich ja auf konkrete Beobachtungen stützen. Auch für in Debatten aufgestellte Tatsachenbehauptungen.
Grüße, Claus
null
Hallo Ingo,
Du redest über "das Argumentieren zur Herstellung von Einverständnis in Freiheit". Es soll widerspruchsfrei sein, einverstanden, weil ich nicht weiß, was mir jemand sagen will, wenn er von einem verheirateten Junggesellen redet oder davon, daß es zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort regnet und nicht regnet. Die Voraussetzung dafür siehst du, wenn ich das richtig verstehe, in der Nachahmungsfähigkeit, weil wir Kulturtechniken durch Nachahmung lernen. Ich stimme insofern zu, als Erklärungen und Begründungen erst möglich sind, wenn man schon sprechen kann, Rechenkunststücke erst, nachdem man die Zahlenreihe nachbeten kann.
Ich möchte nur darauf hinweisen, daß nicht jeder durch Nachahmung alles lernen kann. Nicht jeder kann Farben unterscheiden, hat ein Ohr für Musik etc. Aber das widerspricht ja nicht der Annahme, daß Lernen Nachahmungsfähigkeit voraussetzt, daß sie also nicht erlernt werden kann.
Wenn man als Fortgeschrittener die Techniken beherrscht und anwendet, kann man im Sinn deines Zitats oben nicht einfach behaupten und dekretieren, sondern muss begründen und es ist, außer in der Philosophie, auch nicht üblich oder sinnvoll, diesen Begründungen so weit nachzugehen, bis eine weitere Begründung weder gegeben noch verlangt werden kann. (Also nicht in ferne Welten, sondern bis zum Alleralltäglichsten).
Claus
-------- Ursprüngliche Nachricht --------Von: Ingo Tessmann via Philweb <philweb(a)lists.philo.at> Datum: 11.12.17 09:56 (GMT+01:00) An: Philweb(a)lists.philo.at Betreff: Re: [Philweb] Regeln der Argumentation
[Philweb]
> Am 10.12.2017 um 15:38 schrieb Claus Zimmermann <Zimmermann.Claus(a)t-online.de>:
>
> Hallo Ingo,
>
> Nur zum ersten Absatz deiner mail: du beschreibst hier das Anliegen der modernen Erfahrungswissenschaft, die auf Naturbeherrschung aus ist oder auch in theoretischer Hinsicht auf zutreffende Prognosen und plausible Rekonstruktionen. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, ausser daß wir uns den Ast, auf dem wir sitzen, absägen könnten, wenn wir es übertreiben. Aber wir haben es ja alle gern schön warm und bequem.
> Und es wäre auch nicht zu vergessen, daß die Anwendung von Regeln einen ersten Schritt voraussetzt, bei dem wir uns nicht nach Regeln richten, der aber keineswegs willkürlich oder beliebig ist. So brauche ich die Erklärung oder Anwendungsregel "weisses Pferd", um das Wort "Schimmel" anwenden zu können und z.B. Schnee, um das Wort "weiss" zu erklären. Wie man aber dieses Wort mit dem Muster verbindet, dafür gibt es keine Erklärung oder Regel und kann es keine geben, denn sonst könnte man keine Regel anwenden, weil sie nie zu Ende erklärt wäre.
> Mit dem anderen Wortbestandteil ist das natürlich mit den Zwischenstationen "Vierbeiner", "Huftier" etc.etc.das Gleiche: irgendwann muss es zu Ende erklärt sein und dann kann man entweder ohne weitere Regel etwas damit anfangen oder nicht.
> So kann man sagen, daß alle Regeln und mit ihnen die ganze schöne Technik im Regellosen wurzeln, aber nicht in der Beliebigkeit.
Hallo Claus,
Regellosigkeit statt Beliebigkeit? Ist nicht, was ohne Regel ist, immer noch potentiell unendlich vieldeutig? Mich stören häufig bloße Negativaussagen. In der Beliebigkeit könnten ebenso wie in der Zufälligkeit durchaus Regeln verborgen sein. Ich denke gerade an die Radioaktivität: ein einzelnes Atom zerfällt zufällig, aber viele Atome zerfallen gemäß Zerfallsgesetz. Könnte es bei Menschen nicht ähnlich sein? Ein einzelner Mensch kann sich spontan verhalten, viele Menschen aber folgen dem Herdentrieb. Nun sind allerdings Regel, Gesetz und Trieb umgangssprachlich unterscheidbar, mathematisch lassen sich viele Menschen hinsichtlich ihrer Massenbewegungen gleichwohl wie viele Atome behandeln. Die Quantifizierung schafft einen neuen Rahmen, den die Sprachanalyse stets ignoriert, wie mir scheint. Dabei lerne ich das Sprechen ja schon durch wiederholte und bestätigte Nachahmung, ohne bewusst Regeln anzuwenden. Das Fundament der Regeln (von dem Du schriebst) sehe ich in der Reproduzierbarkeit. Insofern führt die Physik bloß weiter, was im Alltag schon vorsprachlich angelegt ist.
Es grüßt,
Ingo
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Hallo Ingo,
Nur zum ersten Absatz deiner mail: du beschreibst hier das Anliegen der modernen Erfahrungswissenschaft, die auf Naturbeherrschung aus ist oder auch in theoretischer Hinsicht auf zutreffende Prognosen und plausible Rekonstruktionen. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, ausser daß wir uns den Ast, auf dem wir sitzen, absägen könnten, wenn wir es übertreiben. Aber wir haben es ja alle gern schön warm und bequem.Und es wäre auch nicht zu vergessen, daß die Anwendung von Regeln einen ersten Schritt voraussetzt, bei dem wir uns nicht nach Regeln richten, der aber keineswegs willkürlich oder beliebig ist. So brauche ich die Erklärung oder Anwendungsregel "weisses Pferd", um das Wort "Schimmel" anwenden zu können und z.B. Schnee, um das Wort "weiss" zu erklären. Wie man aber dieses Wort mit dem Muster verbindet, dafür gibt es keine Erklärung oder Regel und kann es keine geben, denn sonst könnte man keine Regel anwenden, weil sie nie zu Ende erklärt wäre.Mit dem anderen Wortbestandteil ist das natürlich mit den Zwischenstationen "Vierbeiner", "Huftier" etc.etc.das Gleiche: irgendwann muss es zu Ende erklärt sein und dann kann man entweder ohne weitere Regel etwas damit anfangen oder nicht.So kann man sagen, daß alle Regeln und mit ihnen die ganze schöne Technik im Regellosen wurzeln, aber nicht in der Beliebigkeit.
Claus
(Die Autokorrektur hatte aus "nur zum" interessanterweise "Nürnberg zumindest" gemacht..)
-------- Ursprüngliche Nachricht --------Von: Ingo Tessmann via Philweb <philweb(a)lists.philo.at> Datum: 10.12.17 11:40 (GMT+01:00) An: Philweb(a)lists.philo.at, Rat Frag <rat96frag(a)gmail.com> Betreff: Re: [Philweb] Regeln der Argumentation
[Philweb]
Hi Rat Frag,
bevor ich auf einzelne Fragen eingehe, will ich mein Anliegen erläutern. Mit geht es beim „Argumentieren“ nicht bloß um Meinungsaustausch, sondern um Einverständnis. Paul Lorenzen hat einmal von „freier Monodoxie“ gesprochen im Gegensatz zu erzwungener Monodoxie und freier oder erzwungener Polydoxie. Die Mathematiker sind seit nunmehr 6000 Jahren auf dem Weg zu einer „freien Monodoxie“ weit vorangekommen. Und die Physiker eiferten ihnen erfolgreich nach. Zählen und Folgern, Messen und Experimentieren werden durch Konsistenz und Reproduzierbarkeit möglich, ansonsten haben wir Beliebigkeit und Zufälligkeit, die nicht nachvollziehbar und überprüfbar sind.
Mehr als in der Mathematik und den quantitativen Experimentalwissenschaften seit Jahrtausenden praktiziert wird, brauchen wir nicht, um das Argumentieren zur Herstellung von Einverständnis in Freiheit zu lernen. Insofern suche ich über Konsistenz und Reproduzierbarkeit hinaus keine weiteren Regeln. Die monotone Zunahme von Anzahl und Genauigkeit der Parameter in der Technik und Experimentalwissenschaft spricht für sich.
> Am 09.12.2017 um 17:05 schrieb Rat Frag via Philweb <philweb(a)lists.philo.at>:
>
> [Philweb]
> Am 4. Dezember 2017 um 10:29 schrieb Ingo Tessmann via Philweb
> <philweb(a)lists.philo.at>:
>> Unabhängig von den wechselnden Interpretationen gibt es den Anspruch auf Reproduzierbarkeit phys. Experimente. Die
>> reproduzierbar gemessene Fallbeschleunigung ändert sich nicht durch das Gerede darüber.
>
> Das Gebot der Reproduzierbarkeit ist aber eben wieder eine "Regel der
> Argumentation".
> Nur eben eine sehr spezielle Regel, die besagt, "wenn du
> wissenschaftlich argumentieren willst, dann X". Will ich das denn?
Ob Du das willst, weiß ich nicht, aber mir geht es beim Argumentieren nicht nur um Meinungsaustausch.
>
>> Mir schwebt in der Tat ein stufenweises Vorgehen vor. Die Argumentationen der Mathematiker bilden ja auch das Vorbild für Physiker.
>
> Meinst du das historisch, konkret oder vorschreibend?
Da das Messen und Experimentieren, zählen und folgern voraussetzt, meine ich das sowohl historisch als auch konkret und vorschreibend.
>
>> Damit ist zumindest gezeigt, dass Argumentationen formal funktionieren können;
>
> Wann funkionieren Diskussionen?
> Wenn sich die Teilnehmer am Ende einigen können? Wenn die Ergebnisse
> der Diskussion gewissen Kritierien genügen?
> Wenn ja, wer legt diese Kriterien fest?
Die Wissenschaft schafft Wissen, das stimmen sollte. Das ist die einzige Voraussetzung. Erreicht wird das durch Konsistenz und Reproduzierbarkeit mit der Folge funktionierender Technik und wahrscheinlicher Prognosen.
>
>> denn in der Demokratie geht es ebenfalls nur um die Form: was zählt, ist die Mehrheit, wofür auch immer.
>
> Das stimmt nur eingeschränkt.
>
> Tatsächlich gibt es grade in unserer modernen Demokratie
> Einschränkungen auch der Mehrheitsmeinung. Umgekehrt gab es z B. bei
> den Griechen eine völlig andere Form der Demokratie.
Demokratien unterfallen Varianten der „freien Polydoxie“. Es geht in der Regel lediglich um Meinungsaustausch, der willkürlich durch Mehrheits- oder Machtentscheidungen abgebrochen wird.
>
>> Also warum beim Argumentieren wieder von vorne anfangen, wenn es Wissenschaften gibt, die zum
>> Vorbild taugen und weltweit in kritischer Eintracht miteinander auskommen?
>
> Daraus gibt es wiederum verschiedene Probleme, die dir offenbar gar
> nicht bewusst sind.
> Selbst wenn wir davon ausgehen, dass die Wissenschaften vorbildlich in
> Sachen denken sind (eine Annahme, die ich vielleicht teilen würde),
> dann ergeben sich eine Reihe von Fragen:
> -> Wie geht Wissenschaft vor?
> -> Gehen "die Wissenschaften" gleich vor? Z. B. der Historiker genauso
> wie der Astronom und dieser wie der Biologe?
> -> Haben die Wissenschaften ihre Vorgehensweise nicht etwa geändert?
> Wenn ja, könnten sie sich dann nicht auch wieder verändern?
Dass wissenschaftliche Sätze beweisbar sein und Technik funktionieren sollte, ist beibehalten und stets verbessert worden. Wie Wissenschaftler vorgehen steht in ihren Lehrbüchern. Im Lehrbuch der konstruktiven Wissenschaftstheorie z.B. entwickelt Lorenzen über die Anfänge des mathematischen und technischen Wissens hinaus auch die des historischen und politischen Wissens. Und in seinem Lehrbuch „Differential und Integral“ beweist er den klassischen Satzbestand der Analysis. In der Wissenschaftstheorie wird natürlich nicht so streng argumentiert wie in der Analysis bewiesen wird.
>
>> Der Beweisstil Grothendiecks war es beispielsweise, das jeweilige Abstraktionsniveau möglichst
>> so gut zu treffen, dass sich die Theoreme gleichsam wie von selbst ergeben. In der
>> Physik wird seit Einstein ähnlich vorgegangen.
>
> Die Beschreibung verstehe ich ehrlich gesagt nicht ganz. Worauf willst
> du hinaus?
Wenn Argumentationen stecken oder Fragen offen bleiben, kann es hilfreich sein, "aus dem Rahmen zu fallen“, wie Einstein z.B. die Graviationstheorie verbessern konnte, indem er eine Invarianzforderung verallgemeinerte. Und Grothendieck hat nicht mehr in „Mengen“, sondern in „Kategorien“ gedacht und z.B. in der Kategorie „Schema“ einen Raum nicht mehr durch seine Punkte, sondern durch die Funktionen auf ihm untersucht.
In Alltagssituationen wird ja so häufig aneinander vorbei geredet, weil sich die Teilnehmer zuvor nicht auf einen gemeinsamen Rahmen geeinigt haben. Die Mathematiker machen vor, wie man es besser macht: Definition, Satz, Beweis bzw. Worum geht es? Wie verhält es sich damit? Warum ist das so?
Es grüßt,
Ingo
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Ergänzung: Da der erste Schritt bei der Anwendung von Regeln nicht beliebig ist, stimmen wir bei der Beurteilung von wahrgenommenen Farben weitgehend überein, ebenso in der Frage, ob da ein Schimmel vor uns steht oder nicht oder ob eine Schlussregel korrekt angewendet wurde. Ich würde sogar sagen, daß es sich nicht um eine Übereinstimmung von Meinungen ("Monodoxie") handelt im Sinn von "kann man so sehen, muss man aber nicht".
Es ging mir nur darum, vor lauter Regeln nicht das Fundament zu übersehen, auf dem sie stehen.
(Jetzt schreibt die Software unten bestimmt wieder "null" hin, wenn die Mail, auf die man sich bezieht, nicht noch mal zitiert wird.)
Claus
null
> stimmt! laut befunden werden die menschen heute im schnitt immer schneller immer
> dümmer ... (exponentielles bevölkerungs-wachstum <=> exponentielle IQ abnahme der individuen).
Davon lese ich zum ersten Mal. Woher haben Sie das?
> liegt daran, dass die evolution bei der gründung einer tierart immer auch ein kontingent an intelligenz zuteilt, und je mehr tiere der betreffenden
> art es dann gibt, desto weniger IQ für das einzelne individuum der betreffenden art. deshalb waren
> die ersten menschen sehr intelligent und erfanden zb das feuer als nutzbar, während man heute nur noch
> von der erfindung der zehntausendsten zahnpasta-sorte hört.
1. Das erinnert mich durchaus den ein oder anderen Witz. Ernst
genommen habe ich das indessen nie.
2. Hier liegt, glaube ich, ein Problem der Wahrnehmung vor. Wenn
jemand z. B. das Flugzeug erfindet, so ist das offensichtlich eine
gewaltig Entdeckung. Wenn aber irgendein Ingenieur nur eine
wesentliche Verbesserung am Motor entwickelt, so sieht man das nichtso
eindeutig. Grund: Als nicht-Fachmann nimmt man das gar nicht so wahr.
3. Intelligenz hat doch eher etwas mit der Struktur (*) des Gehirns zu
tun. Sie ist keine seltene Ressource, die die Natur verteilt.
> (2) ist "du siehst aus wie ein IQ-reduziertes mastschwein" eine arge beleidigung für die
> freiheitlich-mündigen bürger merkeliens und verstößt gegen deren datenschutz, soweit
> sie dieses wort noch schreiben und begreifen können.
Wer unbedingt andere Leute so abwerten muss...
In Übrigen: Ganz klassischer Attributsfehler. Dicke Menschen sind
weniger attraktiv, deshalb dichtet man ihnen tendenziell auch weitere,
negative Eigenschaften an wie geringerer sozialer Status, niedrigere
Intelligenz, Willensschwäche oder eben Degeneration.
Das Übergewicht ist ein Massenproblem. Meines Erachtens ist es
wesentlich gescheitert, die Ursache in veränderten Lebensgewohnheiten
zu suchen als in Verdummung. Eine Verdummung könnte, unabhängig davon,
auch stattfinden.
Das hat aber etwas mit der Verlust von Diskussionskultur zu tun. Die
Leute sind daher so verzweifelt, dass sie ihre eigenen Vorlieben zum
Messtein für die Wahrheit machen: Siehe "Fake News"-Debatte.
> oh ja, birne helene fischer (mit dem fisch als schrägem christus-symbol), die audio-pologin der kathedrale des
> schwachsinns, hat uns allen ja soviel zu sagen, atemlos über kraft-werks-schloten durch nacht und tag) ...
Siehe:
> https://de.wikipedia.org/wiki/Helen_Fisher
> windenergie fördern? nö, so nicht, denn schon seit anstands-schröder gilt subsidiär "fordern und fördern", geben
> und erst dann bitteschön nicht nehmen!, fordern jetzt - fördern demnächst, in 2095.
Die Energiewende hat ihre ganz eigenen Probleme. Doch sie wurde, fast
im weltweiten Alleingang, in Deutschland durchgesetzt und es gibt
gewisse Hinweise, dass es tatsächlich ein Erfolg werden könnte.
Entgegen den Ratschlag der meisten Experten, entgegen den Anschein,
den man bei anfänglicher Beschäftigung gewann usw.
Das ist eine erstaunliche Tatsache.
Aber hier soll ja philosophisch, also eher abstrakt, nicht
politisch-konkret diskutiert werden.
----
(*) Ich übernehme hier für die Argumentation diesen Standpunkt, aber
ich mache ihn mir nicht zu eigen. Ich will explizit hier keine
Stellungnahme zum Leib-Seele-Problem abgeben.
Das Zitat ist nicht von mir, sondern von RF, Ingo.
-------- Ursprüngliche Nachricht --------Von: Ingo Tessmann <tessmann(a)tu-harburg.de> Datum: 02.12.17 16:45 (GMT+01:00) An: Philweb(a)lists.philo.at, Claus Zimmermann <Zimmermann.Claus(a)t-online.de> Betreff: Re: [Philweb] Regeln der Argumentation
Am 02.12.2017 um 14:39 schrieb Claus Zimmermann via Philweb <philweb(a)lists.philo.at>:
Genauso wie die Regeln der Physik, der Mathematik (nach einem gewisse
Verständnis) usw. Allgemeingültigkeit beanspruchen. Wenn dies
ausgerechnet bei Diskussionsregeln nicht der Fall sein sollte, geraten
wir da nicht in eine absurd-komische Situation?
Schließlich erkennen wir Naturgesetzlichkeiten nur anhand von
Diskussionen. Jedenfalls in der Praxis.
Hi Claus,
über den Status mathematischer oder physikalischer Sätze haben wir hier ja schon wiederholt diskutiert.
Mich stört das „nur“ in Deinem Satz. In Mathe und Physik geht es auch um die Eigenheiten der Sache, die sich ohne Diskussionen beim Beweisen oder Experimentieren zeigen. Mit wem diskutierte z.B. Galilei als er seine Experimente zum Fallgesetz machte?
Ich versuche gerade ein Stück weit in der Biographie Alexander Grothendiecks voran zu kommen. Sein Fachkollege Winfried Scharlau hat allerdings erst die Bände 1 und 3 des Vierteilers vorgelegt: "Anarchie, Mathematik, Spiritualität, Einsamkeit.“ Grothendieck soll jedenfalls auch ein eher einsamer Denker gewesen sein, der seinen eigenen Beweisstil hatte und wiederholt mit verblüffenden Beweisen hervortrat. Immerhin erhielt er 1966 die Fields-Medaille für seine Leistungen in der Algebraischen Geometrie.
Der Schriftsteller Dietmar Dath bezieht sich in seinem aktuellen Roman „Der Schnitt durch die Sonne“ wiederholt auf den unkonventionellen Grothendieck, der in kreativer Weise von der Kategorientheorie Gebrauch machte. In der Sci-Fi kann man ja spielerisch mit Mathe und Physik verfahren und eine Schülerin als Isomorphismus des Sonnenwindes gestalten. Im Lebensalltag sind die Regeln aber nicht so beliebig wie Philosophen gelegentlich annehmen.
Beim Argumentieren kommt es auch auf das Beweisen von Sätzen an und insofern auf die Sachen selbst. Bei Galilei war die Euklidische Geometrie der Rahmen, bei Grothendieck die Kategorientheorie. Auf jeden Fall wäre viel gewonnen, wenn sich die Menschen an das Argumentieren der Mathematiker hielten und zunächst einmal einen gemeinsamen Rahmen fänden.
Zum Wochenende grüßt,
Ingo
> Ich vermute, darin zeigt sich, daß wir nicht bei Null anfangen und uns unser
> Leben nur teilweise selbst ausdenken. (Zitat C.Z.)
#Hier klafft eine Lücke.
#Wie kommst du von den empirischen Tatsachen zu den Diskussionsregeln
#mit ihren merkwürdigen Status, irgendwo zwischen diskussionsethischer
#Norm, voraussetzungslosen Axiom, Annahme und abstrakter empirischer
#Gesetzmäßigkeit? (Zitat RF)
Fragst du, wie aus dem Neugeborenen ein ausgewachsener Mensch mit Lohnsteuerkarte wird, der dann auch so etwas wie Diskussionsregeln kennt?
Das weiß ich auch nicht so genau, kann allenfalls eine Skizze versuchen.
Man wird mit bestimmten Fähigkeiten geboren - Sinneswahrnehmung, Gestaltbildung, Gedächtnis, Verknüpfung von Ereignissen...-, findet sich in bestimmten Verhältnissen, die auf einen einwirken und die man sich zurechtzubiegen versucht, wird erzogen, bekommt alles mögliche beigebracht, es findet ein Austausch mit anderen statt und man denkt sich individuell und kollektiv etwas aus, u.a. Diskussionsregeln. So etwa stelle ich mir das vor.
Claus
null
Du hattest ja am 10.11. die (vermutlich eher rhetorisch gemeinte) Frage gestellt, ob Diskussionsregeln hinterfragbar sein sollten und, wenn ja, nach welchen Regeln wir sie auswählen oder bewerten sollten. Ich hatte daraus gemacht: nach welchen Regeln wir über sie diskutieren sollen. Das ist zugegebenermaßen nicht das gleiche. Bei ersterem könnte es z.B. darum gehen, ob alle zu Wort kommen oder Wiederholungen vermieden werden sollten. Die beiden Regeln wären kaum miteinander vereinbar, für beide gäbe es gute Gründe und es wäre nicht unbedingt der Einstieg in einen unendlichen Regress - das Problem siehst du ja auch. Es ging mir darum, wie man aus *dieser* Nummer wieder rauskommen könnte.
Die präzise Definition von Begriffen ist eine grundsätzlich nicht unberechtigte Forderung. So kann man "Schimmel" als "weisses Pferd" definieren. Aber auf die Frage "Und wie erkennst du die Farbe?" gibt es keine Antwort mehr. Insofern sind die Definitionen nicht mehr als das Tüpfelchen auf dem i.
Claus
-------- Ursprüngliche Nachricht --------Von: Rat Frag via Philweb <philweb(a)lists.philo.at> Datum: 18.11.17 12:54 (GMT+01:00) An: philweb <Philweb(a)lists.philo.at> Betreff: Re: [Philweb] Regeln der Argumentation
[Philweb]
Am 12. November 2017 um 15:08 schrieb Claus Z. <.(a)t-.de>:
> Zur Hinterfragbarkeit von Diskussionsregeln: Meiner Meinung nach sollen sie
> dazu dienen, Diskussionen in geordnete Bahnen zu lenken und z.B. jeden zu
> Wort kommen zu lassen.
Occams Razor soll dazu dienen?
> Aber heißt das, daß wir keine Regel ohne vorherige Problematisierung
> anwenden dürfen? Und uns erst über die Regeln der Regeldiskussion
> verständigen müssen?
Das wäre absurd.
Bevor wir über die Sache reden, reden wir erst Mal, wie wir über die
Sachen reden wollen, also...
Das würde bedeuten, dass 90% der Menschen schon aus der Diskussion
aussteigen, bevor sie begonnen hat und eine Diskussion unter z. B.
religiösen Menschen oder Mitgliedern einer Partei wäre dann überhaupt
nicht mehr kritisierbar. Schließlich könnten die vereinbarten
Grundsätze ja lauten "Die Partei/das heilige Buch hat immer recht"
usw.
Doch ist diese Auffassung nicht unbedingt falsch. Früher (Neuzeit) gab
es wirklich solche "Vorbereitungskurse", z. B. die der Ausbildung der
Jesuiten, aber auch an gewöhnlichen Schulen.
> Dass wir keine handlungsleitende Regel ohne regelverständnisleitende
> Metaregel verstehen?
Ein Witz:
A. "Du musst deine Begriffe präzise definieren"
B. "Definiere 'definieren', definiere 'präzise', definiere 'Begriff'"
Allerdings habe ich darüber schon mal nachgedacht:
Vielleicht gibt es Erkenntnisfortschritt nicht nur in eine Richtung,
also z. B. von bestimmten Grundsätzen hin zu abstrakteren Grundsätzen
und von diesen zurück zum Einzelfall, sondern auch hin zu besseren
Grundsätzen. Beispielsweise bei EUKLID, der ja als früher Meister der
Systematisierung zu gelten hat, gab es Beweisen, wo er auf Grundsätze
zurückgegriffen hat, die er vorher nicht als Axiome definierte.
> Dass wir von Gründen nur reden dürfen, wenn wir bei jedem Grund die Frage
> nach *seinem* Grund nicht nur grundsätzlich zulassen, wenn auch im
> Einzelfall begründet zurückweisen - sondern sie prinzipiell stellen?
Ich unterscheide hier immer gern zwei Ebenen.
Wenn ich jetzt z. B. als Schöffe vor Gericht sitzen würde (was Gott
bemühten möge) oder als Teilnehmer an einer Diskussionsveranstalltung,
so werde ich einfach klar und deutlich zur Sache sprechen und gewisse
Gepflogenheiten einfach voraussetzen.
Beim Philosophieren dagegen sollte alles *grundsätzlich* in Frage
gestellt werden. So wie es der alte Sokrates oder Descartes getan
haben. Wir versuchen bessere Rechtfertigungen zu finden um auf einen
besseren Fundament aufzubauen.
> Ich vermute, darin zeigt sich, daß wir nicht bei Null anfangen und uns unser
> Leben nur teilweise selbst ausdenken.
Hier klafft eine Lücke.
Wie kommst du von den empirischen Tatsachen zu den Diskussionsregeln
mit ihren merkwürdigen Status, irgendwo zwischen diskussionsethischer
Norm, voraussetzungslosen Axiom, Annahme und abstrakter empirischer
Gesetzmäßigkeit?
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